Kurz nach Amtsantritt feierte Friedrich Merz seinen ersten außenpolitischen Erfolg. Zusammen mit Emmanuel Macron, Donald Tusk und Keir Starmer konnten sie eine Einheit mit Donald Trump bilden – zumindest schien es so. Wenn Putin nicht einer bedingungslosen Waffenruhe zustimme, werde es „massive neue Sanktionen geben“, hieß es seitens der Europäer. Das habe man mit dem US-Präsidenten so besprochen. Es sei die „größte diplomatische Initiative“ bislang, so der Kanzler damals.

Doch Putin ließ die Deadline unbeeindruckt verstreichen. Folgen hatte das für ihn keine. Nach den ergebnislosen Verhandlungen in Istanbul und einem Telefonat zwischen Trump und Putin ist aus dem Weißen Haus von weiteren Sanktionen nichts mehr zu hören.

Europas Hoffnung liegt deshalb auf dem US-Senat. Dort wird über ein scharfes Gesetz für sekundäre Sanktionen diskutiert. Brüssel hofft, im Windschatten der amerikanischen Strafmaßnahmen seine eigene Drohung gegen Moskau wahr machen zu können – doch das wird immer unwahrscheinlicher.

Als die EU-Außenminister am Dienstag in Brüssel zusammenkamen, betonten sie durchweg, dass Russland nun Konsequenzen für die Nichtachtung des Ultimatums fürchten müsse. Die Außenbeauftragte Kaja Kallas versuchte auch die USA an ihr Versprechen zu erinnern, ohne sie beim Namen zu nennen: „Wir haben alle zugestimmt und gesagt, dass es starke Maßnahmen geben wird, wenn sie keiner bedingungslosen Waffenruhe zustimmen“.

Für Europa steht dabei viel auf dem Spiel. Zuvorderst die eigene Glaubwürdigkeit. Zwar hat man am selben Tag das 17. Sanktionspaket verabschiedet, doch das war ein lange vorbereiteter Schritt, den man nicht als „massiv“ beschreiben kann. Er richtet sich gegen die russische Schattenflotte, also alte Schiffe, mit dubioser Eigentümerschaft, die russisches Öl transportieren und damit die Sanktionen unterlaufen. Der Effekt des Pakets dürfte gering sein, da die Schattenflotte von den Empfängerländern russischen Öls, China und Indien, sanktioniert werden müsste, um Schaden zu nehmen.

Also wird in Brüssel über ein neues, wirklich scharfes Sanktionspaket diskutiert. Im Gespräch sind Strafmaßnahmen gegen den russischen Energiesektor, die Beschlagnahmung von Staatsmilliarden und die Senkung der Ölpreisgrenze.

Die Hoffnung ist groß, dabei zusammen mit Washington handeln zu können. Wie WELT am Dienstag unter Berufung auf Brüsseler Diplomaten berichtete, hofft man ganz konkret auf einen Gesetzentwurf des einflussreichen republikanischen Senators Lindsey Graham. Der traditionelle Russland-Falke hat ein Maßnahmenpaket ausgearbeitet, das Strafzölle in Höhe von 500 Prozent für alle Länder vorsieht, die russisches Öl und Gas kaufen.

Gegenüber WELT signalisierte der Republikaner Offenheit, sich mit Europa dabei abzustimmen. „Ich habe mit Ursula von der Leyen gesprochen. Ich will das mit ihr koordinieren“, sagte Graham. Die Kommissionschefin wird das gerne hören. Einerseits, weil man zusammen mit Washington einen größeren Effekt erzielen würde. Aber auch, weil es die Gefahr reduzieren würde, dass Länder wie Ungarn es wagen, neue Sanktionen zu blockieren.

Doch Graham machte klar, dass er unter Koordination nicht nur eine zeitliche Abstimmung im Sinn hat. Er will, dass sich Europa auch inhaltlich an seinem Katalog orientiert. „Ich habe Ursula gesagt, wir werden keine Lösung des Problems bekommen, wenn wir uns nicht China widmen“, sagte der Senator. Man müsse den Druck auf Peking erhöhen, „damit es nicht mehr Putins Kriegsmaschine füttert“, so Graham. „Ich hoffe, Europa macht mit.“

China hat Moskau allein im Januar Öl, Gas und Kohle im Wert von rund 5,9 Milliarden Dollar abgekauft, wie eine Analyse des Thinktanks Center for Research on Energy and Clean Air (CREA) ergeben hat. Damit gerät Brüssel in eine schwierige Lage. Kann die EU es sich leisten, es sich parallel zum Handelskrieg mit Trump mit Peking zu verderben?

Washington erwartet von Moskau noch in dieser Woche eine Erklärung, zu welchen Bedingungen Russland zu einer Waffenruhe bereit sei. Das sagte Außenminister Marco Rubio am Dienstag im Kongress. Sollte dabei klar werden, dass Putin weiterhin an seinen Maximalforderungen festhält, wisse man, dass er es nicht ernst meine mit dem Frieden, so Graham. „Dann werden wir handeln“, sagte der Senator entschieden.

So kämpferisch er sich auch geben mag und so deutlich seine Erwartungen an Europa seien mögen, so ungewiss ist das Schicksal seines Gesetzes in Wahrheit. Denn das Weiße Haus ist derzeit gegen jegliche Verschärfung von Sanktionen. Trump „möchte so lange es geht die Möglichkeit bewahren, beide Seiten beeinflussen zu können“, sagte Außenminister Rubio und fügte hinzu, dass man in dem Moment, in dem man Sanktionen verhänge, den Einfluss auf eine der Konfliktparteien verliere. Hinzukommt, dass eben jener Fokus des Gesetzes auf China jede gerade erst mühsam erreichte Deeskalation im Handelskrieg wieder zunichte machen würde. Und das in Zeiten, in denen große Supermärkte, wie Walmart, angekündigt haben, die Preise aufgrund der China-Zölle erhöhen zu müssen.

Damit ist fraglich, ob Grahams bislang lange Liste an Unterstützern des Sanktionspakets ihm auch folgt, wenn Trump es nicht unterstützt. Demokratische Senatoren wie Dick Durbin aus Illinois oder Chris Coons aus Connecticut bekundeten gegenüber WELT, dass sie das Gesetz unabhängig von Trump vorantreiben wollen. „Wir sollten es jetzt verabschieden“, sagte Durbin.

Fragt man jedoch im MAGA-Lager, erhält man ausweichende Antworten. „Wir arbeiten immer mit dem Präsidenten“, sagte Markwayne Mullin aus Oklahoma zu WELT. Auch Katie Britt, Senatorin aus Alabama, betonte, dass es darum gehe, „Präsident Trump dabei zu unterstützen, Frieden zu schaffen und das Töten zu beenden“.

Entscheidend dafür wird am Ende John Thune sein, der Mehrheitsführer im Senat. Er bestimmt über die Tagesordnung des Senats. Man sei nur bereit, das Paket zur Abstimmung zu stellen, „wenn das Weiße Haus das wünscht“, sagte er dazu am Dienstag.

Gregor Schwung berichtet für WELT seit 2025 als US-Korrespondent aus Washington, D.C. Zuvor war er als Redakteur in der Außenpolitik-Redaktion in Berlin für die Ukraine zuständig.

Haftungsausschluss: Das Urheberrecht dieses Artikels liegt bei seinem ursprünglichen Autor. Der Zweck dieses Artikels besteht in der erneuten Veröffentlichung zu ausschließlich Informationszwecken und stellt keine Anlageberatung dar. Sollten dennoch Verstöße vorliegen, nehmen Sie bitte umgehend Kontakt mit uns auf. Korrektur Oder wir werden Maßnahmen zur Löschung ergreifen. Danke