EU beschließt Ende der Wirtschaftssanktionen gegen Syrien – Rubio warnt vor Kollaps
Rund ein halbes Jahr nach dem Sturz von Langzeitherrscher Baschar al-Assad haben die Außenminister der EU-Staaten die vollständige Aufhebung von Wirtschaftssanktionen gegen Syrien beschlossen. Das teilte EU-Chefdiplomatin Kaja Kallas in Brüssel mit.
„Jetzt ist es an der Zeit, dem syrischen Volk die Chance zu geben, sich zu vereinen und ein neues, inklusives, pluralistisches und friedliches Syrien aufzubauen – frei von schädlicher ausländischer Einmischung“, heißt es in einer einstimmig angenommenen Erklärung der Außenminister. Die EU strebe an, eine zentrale Rolle bei der Erholung Syriens und dem künftigen Wiederaufbau zu übernehmen.
Der deutsche Außenminister Johann Wadephul sagte, man gebe der neuen syrischen Führung eine Chance, erwarte aber eine Politik, die alle Bevölkerungsgruppen und Religionsgruppen einbeziehe. Wichtig sei, dass es ein geeintes Syrien gebe, das seine Zukunft in die eigene Hand nehmen könne.
Beibehalten werden sollen nach dem vereinbarten Vorgehen nur Sanktionen gegen Personen und Organisationen, die Verbindungen zum Assad-Regime oder Verantwortung für die gewaltsame Unterdrückung des syrischen Volkes haben, sowie für Menschenrechtsverletzungen. Zudem bleiben auch Ausfuhrbeschränkungen für Waffen sowie Güter und Technologien, die zur internen Repression verwendet werden, vorerst in Kraft. Dazu gehören zum Beispiel auch Abhör- und Überwachungssoftware.
Syriens Außenminister Asaad al-Schaibani bezeichnete den Schritt als historisch. „Vielen Dank an die Länder der Europäischen Union und allen, die zu diesem Sieg beigetragen haben“, teilte er bei X mit. Das Außenministerium sprach von einem Wendepunkt in den europäisch-syrischen Beziehungen. Die Aufhebung der Sanktionen werde den Weg ebnen zu einem „stabilen Syrien beruhend auf Menschenrechten, wirtschaftlicher Erholung und Zusammenarbeit auf internationaler Ebene“.
EU hofft auf weniger Flüchtlinge
Die EU-Staaten hatten bereits im Februar eine schrittweise Lockerung von Sanktionen vereinbart, um eine rasche wirtschaftliche Erholung sowie den Wiederaufbau und die Stabilisierung des Landes zu unterstützen. Maßnahmen im Energie-, Transport- und Bankensektor wurden zunächst bis Juni ausgesetzt. Unter anderem weitreichende Einschränkungen für die Zentralbank blieben zunächst aber bestehen. Der politische Beschluss zur vollständigen Aufhebung der Wirtschaftssanktionen muss nun noch technisch umgesetzt werden. Dies ist in den kommenden Tagen geplant.
Die EU schließt sich mit dem Vorgehen dem Kurs des neuen US-Präsidenten Donald Trump an. Dieser hatte bereits in der vergangenen Woche die Aufhebung aller US-Sanktionen angekündigt. Die EU hat auch die Hoffnung, dass nach einer Stabilisierung des Landes Hunderttausende syrische Flüchtlinge in der EU eines Tages in ihre Heimat zurückkehren können. Syrer hatten viele Jahre lang einen großen Teil der in der EU ankommenden Flüchtlinge ausgemacht.
Dass die Aufhebung der Sanktionen ungeachtet der jüngsten Gewaltausbrüche zwischen unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen in Syrien erfolgt, erklärte die EU mit mangelnden Alternativen. Zwar gebe es weiter Zweifel, ob sich die Regierung in die richtige Richtung bewege, sagte die EU-Chefdiplomatin Kaja Kallas. Aus ihrer Sicht habe man aber keine Wahl. Man müsse es dem Land ermöglichen, sich zu stabilisieren, um eine Entwicklung wie in Afghanistan zu vermeiden.
Zuletzt war es in Syrien zu heftigen Kämpfen zwischen Angehörigen der drusischen Minderheit und sunnitischen Milizen gekommen. Bereits im März gab es in der westlichen Küstenregion Syriens blutige konfessionelle Kämpfe zwischen Regierungstruppen der neuen Machthaber und Assad-treuen Milizen.
Experten sehen Sanktionserleichterungen aus westlichen Staaten auch als Prävention gegen den Einfluss Dritter. Andauernde Sanktionen würden das Land weiter abhängig von ehemaligen Assad-Verbündeten wie dem Iran und Russland machen. „Dies würde erneutem Extremismus, regionaler Instabilität und dem Wiederaufleben des Islamischen Staats Tür und Tor öffnen“, analysiert etwa die US-Denkfabrik Atlantic Council.
Rubio warnt vor Kollaps der Islamisten-Regierung
US-Außenminister Marco Rubio beklagt indes eine große Instabilität in Syrien. Nach Einschätzung der USA sei die dortige Übergangsregierung „vielleicht Wochen, nicht viele Monate, von einem möglichen Zusammenbruch und einem umfassenden Bürgerkrieg epischen Ausmaßes entfernt“, sagte er bei einer Anhörung in einem Ausschuss des US-Senats. Rubio sprach dabei auch von einer möglichen Aufspaltung des Landes.
Der Minister argumentierte, wenn es Austausch zwischen der syrischen Übergangsregierung und den USA gebe, habe das Land eine Chance – andernfalls nicht. Rubio hob auch die Auswirkung der Situation in Syrien auf andere Länder hervor. „Wenn man die Geschichte der Region betrachtet, wird die Region instabil, wenn Syrien instabil ist“, warnte er.
Rubio äußerte sich in dem Ausschuss, bevor aus Brüssel bekannt wurde, dass die Außenminister der EU-Staaten die vollständige Aufhebung von Wirtschaftssanktionen gegen Syrien beschlossen haben. Vergangene Woche hatten die USA die Aufhebung aller US-Sanktionen gegen das Land angekündigt. US-Präsident Donald Trump traf bei seiner Nahostreise in Saudi-Arabien unter anderem Syriens Übergangspräsidenten Ahmed al-Scharaa. Eine Begegnung eines US-Präsidenten mit einem syrischen Staatschef hatte es davor zuletzt vor 25 Jahren gegeben.
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