Im Koalitionsausschuss, dem Zentrum der Regierung, wird wohl nur eine einzige Frau sitzen. Kommunikationstrainer Tom Buschardt erklärt, welche Folgen das haben kann.

Herr Buschardt, der Koalitionsausschuss ist eines der wichtigsten Gremien, um Konflikte zwischen den Regierungspartnern zu beseitigen. Jetzt gibt es Kritik, dass in dem neuen Ausschuss wohl nur eine Frau sein wird. Macht das Geschlecht wirklich einen Unterschied?
Ja, es würde nicht schaden, wenn mehr Frauen in solchen politischen Gremien vertreten wären. Weil das die Diskussion verändert. Es würde dann weniger Dominanz-Rhetorik geben und mehr Kooperationssignale. Die Debatten würden ordentlicher und sachorientierter verlaufen. 

Klingt sehr klischeehaft.
Ist aber so. Männer versuchen in der Regel erstmal, die Rangordnung unter sich zu klären. Das kann viel Zeit und Energie in Anspruch nehmen. Sind Frauen dabei, nimmt das ab.

Der frühere Journalist Tom Buschardt arbeitet seit über 20 Jahren als Medien- und Kommunikationstrainer mit Führungskräften © Lars Buschardt/privat

Verändert sich auch inhaltlich etwas?
Natürlich. Männer sind stark auf Zahlen, Daten, Fakten fokussiert. Frauen achten häufig mehr auf die sozialen Faktoren, wie sich politische Entscheidungen auf Familie, Bildung, Gleichstellung auswirken. Nur zusammen ergibt das eine gute Mischung. 

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Wie sieht es mit der Kompromissbereitschaft aus?
Frauen sind kompromissbereiter und kompromisskompetenter. Männer machen mathematische Kompromisse. Einer will 50 Prozent, einer will 100, man trifft sich bei 75, damit beide Seiten ihr Gesicht wahren können. Frauen sind eher zu inhaltlichen Tauschgeschäften in der Lage: Gibst du mir dies, gebe ich dir das. Dass Friedrich Merz sowohl für die Veränderung der Schuldenreform als auch für die Veränderung der Tagesordnung bei seiner Kanzlerwahl jeweils die Unterstützung der Grünen und der Linken bekam, lag vermutlich daran, dass in beiden Fraktionen Frauen in Führung sind. Die Frage, ob man der Geschäftordnungsänderung zustimmt, war keine mathematische, sondern eine soziale Problemstellung. Ich bin sicher, hätte er nur mit Männern zu tun gehabt, wäre das schwerer bis unmöglich geworden.

Interessante These. Würden Sie sagen, dass die Ampel auch gescheitert ist, weil sie nur von Männern geführt wurde?
Es lag auch an den Männern, die sie geführt haben. Die waren schon alle sehr mit ihren festgefahrenen Revieren beschäftigt und einer schien sich um gar nichts dabei zu kümmern. Mit anderen Männern und anderen Denkweisen hätte es auch besser laufen können. 

Umgekehrt betreffen die einzigen beiden Rücktritte in der Ampelzeit zwei Frauen: Anne Spiegel trat als Familienministerin zurück, Christine Lambrecht als Verteidigungsministerin. Woran liegt das?
Diese beiden Ministerinnen sind ein Paradebeispiel für schlechte Kommunikation gewesen, nachdem falsche Entscheidungen getroffen worden waren. Das hat in diesen Fällen nichts mit dem Geschlecht, sondern mit kommunikativer Professionalität zu tun.

Was raten Sie Frauen, die zu Ihnen in die Beratung kommen?
Meine Erfahrung als Kommunikationstrainer ist, dass Frauen in der Politik oft ein weniger dickes Fell haben. Weil gerade die Politik immer noch in tradierten Systemen verläuft, wo auch innerparteilich mit harten Bandagen gekämpft wird, setzen sich eher Männer durch. Frauen müssen kommunikativ anders auftreten. Weniger Konjunktive, weniger Relativierung. Frauen sagen oft Sätze wie "Ich könnte mir vorstellen" oder "Vielleicht sollte man" oder "Ich bin mir nicht sicher, aber". Oft haben sie die gleichen, guten Argumente wie Männer, tragen sie aber passiver vor.

Aber nannten Sie anfangs nicht genau das auch als ihre Stärke?
Teilweise. Sie ziehen aber mit dieser Form der Kommunikation häufig den Kürzeren. Frauen sind auch oft zu zurückhaltend. Sie sollten darauf achten, sich bei Meetings als Erste zu Wort zu melden, weil man dann auch die Diskussion prägt. Die Formel lautet "charmante Konsequenz". Dinge charmant zu vermitteln, fällt Frauen oft leichter. Wenn sie dann ihre Positionen auch noch konsequent und klar vertreten, haben sie einen Vorteil gegenüber den Männern.

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Ist das wirklich noch so ein Problem? Angela Merkel hat sich kommunikativ ja auch durchgesetzt.
Merkel hatte männliche Strippenziehertechniken, sie konnte endlos konferieren und hat ihre Kritiker weggebissen. Das ist im Jahr 2025 kein Erfolgsmodell mehr. Erst recht nicht, wenn die Wahlergebnisse so sind, wie sie sind. Da muss Regierungsarbeit kooperativer werden.

Was würden Sie der neuen Regierung mit Blick auf ihren Frauenmangel raten?
Die Regierung muss sich fragen, warum das so ist. Denn die Weichen dafür werden Jahre früher gestellt. Ich bin sicher, dass es in der Politik mindestens genauso viele kompetente Frauen gibt wie Männer. Für die Besetzung künftiger Ausschüsse und Gremien braucht es mehr Sensibilität, und dann sollte man eben einen zweiten oder dritten Blick auf das eigene Personal werfen und gezielt nach Frauen schauen. Das ist auch ein Signal an künftige Generationen. Denn eigentlich sollte man die Frage "Warum sind da so wenige Frauen?" gar nicht mehr stellen dürfen. Sondern nur noch die Frage: "Sind das auch wirklich die Besten?"

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