Ein aktueller Medienbericht analysiert noch einmal die Energiepolitik der Ära Merkel: Demnach sei frühere Bundeskanzlerin trotz interner Warnungen und der vorherigen Krim-Annexion durch Russland dem Verkauf deutscher Gasspeicher an den russischen Staatskonzern Gazprom nicht entgegengetreten. Das geht aus internen Unterlagen des Kanzleramts hervor, deren Freigabe die „Süddeutsche Zeitung“ juristisch erstritten hat.

Vor Beginn des russischen Angriffskriegs in der Ukraine waren die Füllstände der Speicher im Herbst und Winter 2021/2022 drastisch gesunken. Auch wegen ausbleibender Gaslieferungen aus Russland geriet Deutschland dadurch in eine tiefe Energiekrise. Die Unterlagen zeigen laut Einstufung der Zeitung, dass Angela Merkel (CDU) sich im Hintergrund für das Projekt einsetzte, das zum Sinnbild einer, so schreibt es die „Süddeutsche Zeitung“ (SZ) , „naiven deutschen Russlandpolitik“ geworden sei.

Und so schildert das Blatt den Ablauf: Am 2. September 2015 war Merkel demnach schriftlich darüber informiert worden, dass es im Zuge einer Beteiligung von BASF/Wintershall an der geplanten Gaspipeline Nord Stream 2 zu einem sogenannten Asset-Tausch kommen sollte. Gazprom sollte demnach eine Beteiligung am Gashandel in Deutschland bekommen und die BASF-Tochter Wintershall eine an Gasfeldern in Westsibirien.

Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) äußerte keine „energiepolitischen Bedenken“

In den Unterlagen heißt es laut „SZ“ weiter, Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) habe BASF mitgeteilt, es bestünden „keine energiepolitischen Bedenken“ gegen den Tausch. Das Kanzleramt betonte, man sehe auch keine rechtliche Handhabe, das Geschäft zu untersagen, wenngleich das Kanzleramt klar die Gefahren sah: Mit der Übernahme werde Gazprom zum direkten Vorlieferanten von Stadtwerken, regionalen Gasversorgern, Unternehmen und Kraftwerken in Deutschland. „Durch Kontrolle wichtiger Gasspeicher (Befüllung, Funktionsfähigkeit) wird Gazprom für die Versorgungssicherheit der Kunden unmittelbar verantwortlich.“ Das Wort „Versorgungssicherheit“ ist in der Vorlage für Merkel sogar eigens gefettet worden.

Das Kanzleramt legte sich zudem Argumente zurecht, um dem erwarteten Protest aus Polen, der Ukraine und dem Baltikum etwas entgegenzusetzen. Die Gasspeicher-Transaktion verstoße nicht gegen die Russland-Sanktionen, auch das Außenwirtschaftsgesetz biete keine Handhabe, den Deal zu verhindern, solange er über die deutsche Gazprom-Tochter abgewickelt würde.

Aber im Kontext der „aktuellen UKR-Krise“ (gemeint ist die Annexion der Krim und die Destabilisierung der Ostukraine durch Russland) dürften in der Ukraine, Polen und den baltischen Staaten die Reaktionen scharf ausfallen, heißt es in einem Vermerk aus dem Kanzleramt. Der Lösungsvorschlag für Merkel: „Wir sollten deshalb entsprechend aktiv und transparent ggü. diesen Partnern die Hintergründe (mangelnde rechtliche Handhabe, unternehmerische Entscheidung) kommunizieren.” Merkel markierte diese Empfehlung mit grüner Tinte am Rand des Dokuments.

„Hinter den Kulissen“ unterstützte die Bundesregierung das Projekt

Insgesamt hat das Kanzleramt der „Süddeutschen Zeitung“ nach deren Angabe 63 Dokumente überlassen. Die SZ hatte die Herausgabe der Unterlagen im Jahr 2024 beantragt und sich dabei auf das Informationsfreiheitsgesetz berufen. Das Kanzleramt weigerte sich zunächst, lenkte aber ein, nachdem die Zeitung widersprochen hatte.

In einem Merkel vorgelegten Bericht vom 16. Juli 2015 wird deutlich, wie sehr die Bundesregierung das Projekt der Ostseepipeline Nord Stream 2 hinter den Kulissen unterstützte, es öffentlich aber als privatwirtschaftliche Angelegenheit darstellte, zu der man eine neutrale Position einnehme. „Der aktuelle Anlauf von Gazprom für einen 3./4. Nord Stream-Strang ist aus DEU und europäischer Sicht zu begrüßen“, heißt es in der Vorlage. Die Gefahr der Abhängigkeit wird darin heruntergespielt.

Die Menge russischen Gases in Westeuropa würde zwar steigen, aber insbesondere wegen steigender Nachfrage zur Wärmeerzeugung würde der Anteil russischen Gases weniger stark steigen. Beamte äußern laut der „Süddeutschen Zeitung“ fast Mitleid mit Gazprom, da das Gasgeschäft schwächele. Die Lösung: Nord Stream 2, mit den Röhren 3 und 4.

Und ebenso wird die Gefahr für die Ukraine heruntergespielt, weniger vom Gastransit zu profitieren oder insgesamt weniger Gas zu bekommen. Zusätzliche Mengen, die über einen 3./4. Strang nach Deutschland gelangen würden, könne man über einen „Reverse Flow“ in die Ukraine transportieren, damit sie auch etwas davon habe. „Energiewirtschaftlich kann es sich DEU nicht leisten, eine Position gegen Nord Stream 3/4 einzunehmen”, hieß es damals im Kanzleramt.

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