„Zu extrem für die Demokratie?“ – So kommentiert das Ausland die Debatte um ein AfD-Verbot
Das Bundesamt für Verfassungsschutz hat die AfD Anfang Mai als „gesichert rechtsextremistische Bestrebung“ eingestuft. Dagegen geht die AfD juristisch vor. Die Einstufung ist daher ausgesetzt, bis das Verwaltungsgericht Köln über einen entsprechenden Eilantrag entschieden hat.
Doch die politische Debatte über ein mögliches AfD-Verbotsverfahren reißt nicht ab. Wie blickt das Ausland auf das Geschehen in Deutschland? WELT dokumentiert Kommentare und Berichte aus den USA und der Schweiz:
„Wall Street Journal“ (USA): „Deutschland weiß immer noch nicht, was es mit der AfD anfangen soll“
„Herzlichen Glückwunsch an Deutschland, das Frankreich im Rennen um den Titel ‚Europas dysfunktionalste Regierung‘ überholt hat. (...) Bundeskanzler Friedrich Merz ist nach einer überraschend schwierigen Abstimmung im Parlament in sein neues Amt gehumpelt. Rebellierende Abgeordnete zwangen Herrn Merz zu einer demütigenden zweiten Runde, um sein Amt zu sichern. Es ist ein Zeichen dafür, wie weit Berlin davon entfernt ist, das Problem zu lösen, dass das Land derzeit unregierbar macht: die immer populärer werdende Rechtsaußen-Partei AfD. (...) Aber was soll Herr Merz tun? Keine der in Europa üblichen Methoden, um eine Partei wie die AfD zu entschärfen, steht im Moment zur Verfügung. (...) Die AfD beherbergt immer noch Elemente, denen Nazi-Sympathien nachgesagt werden (obwohl sie dies auf Nachfrage bestreiten). Die Partei hat sich entweder als unwillig oder unfähig erwiesen, diese auszusortieren, was es für jede andere Partei unmöglich macht, eine Regierungskoalition mit der AfD zu bilden. Gleichzeitig haben sich die anderen deutschen Parteien als ausgesprochen inkompetent erwiesen, wenn es darum ging, AfD-Wähler durch die Übernahme von Schlüsselthemen zu umwerben, beispielsweise durch aggressivere Ansätze in der Einwanderungspolitik.“
„Neue Zürcher Zeitung“ (Schweiz): Verfassungsschutz hat sich selbst geschadet
„Der Verfassungsschutz hat sich in der Causa AfD selbst schwer geschadet. Er hat ein Gutachten unter Verschluss gehalten, das die nach Umfragen zweitstärkste Partei in Deutschland mit einem Bannspruch belegt. Damit hat er der deutschen Öffentlichkeit ein Dokument vorenthalten, das grundlegende Veränderungen sowohl für die deutsche Parteienlandschaft als auch für die Kräfteverhältnisse im Bundestag nach sich ziehen könnte. (…) Es ist vor allem eine Zitatesammlung. Mal stammen die Aussagen von öffentlichen Reden, mal von Facebook oder X. Auch ein mittelbegabter Büromitarbeiter eines Abgeordneten der Linken hätte sie zusammenklauben können, genügend Zeit vorausgesetzt. Damit drängt sich ein anderer Schluss auf: Der Inlandsgeheimdienst misstraut der Öffentlichkeit. Er will nicht, dass sich die Deutschen selbst eine Meinung bilden über die vorgelegten Beweise. Ein solches Misstrauen ist einer liberalen Demokratie unwürdig.“
„The Atlantic“ (USA): Ist die AfD zu extrem für die Demokratie?
„Die AfD hasst Einwanderung, und einige ihrer Führungspersönlichkeiten, wie etwa Björn Höcke, neigen auf beunruhigende Weise dazu, Dinge zu sagen, die, wenn nicht offen nazistisch, so doch zumindest nazi-seltsam klingen. Wenn Einwandererhass und Rechtsradikalismus im Hinblick auf das Dritte Reich Extremismus sind, dann scheint diese Bezeichnung zumindest auf einen Teil der AfD-Führung zuzutreffen. Das Wahlergebnis legt nahe, dass die meisten Deutschen diese Ansichten oder den Impuls, eine politische Partei darauf zu gründen, abstoßend finden. Die Maßnahmen des BfV würden diese Bewertung jedoch von den Wahlzetteln streichen, was AfD-Anhängern die Wahl unmöglich machen würde und anderen Wählern die Möglichkeit nehmen würde, gegen sie zu stimmen. Die Deutschen erinnern sich an ihre autoritäre Vergangenheit, und sie erinnern sich auch daran, dass der Autoritarismus mit demokratischen Mitteln kam. Diese Erinnerungen haben zu einer Ambivalenz gegenüber der Demokratie geführt. Ein Viertel des Landes für so extrem zu erklären, dass man den anderen drei Vierteln nicht zutraut, es zu besiegen, spiegelt diese Unsicherheit wider.
(…)
Zu diesem Zeitpunkt ist die AfD eine Kraft dieser Größenordnung: zu groß, um sie zu verbieten, und zu groß, um es nicht zu tun. Die richtige Lösung war von Anfang an politisch. Die anderen deutschen Parteien haben die Abrechnung mit der Unzufriedenheit der Bevölkerung über die Einwanderung hinausgezögert und stattdessen die AfD dieses Thema dominieren lassen, das sich politisch aufheizte, bis es nicht mehr ignoriert werden konnte. Nun kommt auf den neuen Bundeskanzler Friedrich Merz eine schwierigere Aufgabe zu. Er ist bereits bei seinen Bemühungen, zu zeigen, dass er die Einwanderung reformieren wird, ins Straucheln geraten. Er wird zeigen müssen, dass seine eigene Geheimdienstbehörde nicht nur Politik macht, wenn sie gegen die Partei vorgeht, die sich lange vor ihm um die Migration gekümmert hat – die Partei, die entweder zu deutsch oder nicht deutsch genug ist.“
„New York Times“ (USA): „Eine schwierige Herausforderung für die neue deutsche Regierung“
„Friedrich Merz fehlten zunächst wenige Stimmen, um als neuer Bundeskanzler bestätigt zu werden. Dieses Straucheln wirft Fragen über seine Fähigkeit auf, der AfD entgegenzutreten (...). Er wird mit einer knappen Mehrheit von zwölf Mitgliedern regieren. Das bedeutet, dass bei jeder Abstimmung nahezu Einstimmigkeit in der Koalition erforderlich sein wird, die mehr durch politische Zweckmäßigkeit als durch gemeinsame Ziele bestimmt wird. ‚Die Disziplin der Regierungskoalition muss sehr gut sein‘, sagte Johannes Hillje, ein deutscher Politikberater. (...) Einige Beobachter befürchten, dass die Christdemokraten angesichts der neuen, unbequemen Normalität im Parlament und der unvermeidlichen Risse in der Koalition in Versuchung geraten könnten, mit der AfD zusammenzuarbeiten, die ähnliche Ansichten zu Aspekten der Haushalts- und Einwanderungspolitik vertritt.“
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