Mit amerikanischen Fahnen in den Händen betraten 49 weiße Südafrikaner am Montagmittag einen Hangar des Flughafens Dulles bei Washington. Dort erwarteten sie der stellvertretende Außenminister Christopher Landau und der Vizeminister für innere Sicherheit Troy Edgar – ein offizieller Empfang, wie ihn wohl kaum ein anderer Flüchtling in den USA je zuvor erlebt hat. Viele der Neuankömmlinge sind Farmer, deren Anträge von der US-Regierung bevorzugt behandelt worden waren. „Gutes Saatgut gedeiht auch auf fremdem Boden“, sagte Landau.

US-Präsident Donald Trump hatte im Februar per Dekret entschieden, weiße Südafrikaner als Flüchtlinge aufzunehmen – unter Umgehung des fast vollständig ausgesetzten amerikanischen Flüchtlingsprogramms. Tausende Asylsuchende aus dem Sudan, Afghanistan oder Myanmar warten derweil weiter auf Aufnahme, darunter ehemalige Übersetzer oder Fahrer des amerikanischen Militärs. Die weißen Südafrikaner hingegen wurden mit einer gecharterten Maschine eingeflogen. Zur Finanzierung wurden Mittel für besonders schutzbedürftige Flüchtlinge und Arbeitsmarktprogramme umgeleitet – auch aus Bundesstaaten, die gar nicht an der Aufnahme beteiligt sind.

Die Kritik aus Südafrika folgte prompt. Der Sprecher von Präsident Cyril Ramaphosa sagte, es gebe keine Südafrikaner, die als Flüchtlinge gelten könnten. Das Problem der Kriminalität betreffe alle Bevölkerungsgruppen. Die Regierung sei entsetzt darüber, dass das US-Programm einzig politisch motiviert sei. Tatsächlich besitzen weiße Südafrikaner – die rund sieben Prozent der Bevölkerung stellen – weiterhin rund 70 Prozent des Agrarlandes und sind in weitaus geringerem Maße von Armut betroffen als andere Ethnien im Land.

Trump erneuerte dennoch seine Behauptung eines drohenden „Genozids“ an weißen Farmern, über den „die Medien nicht berichten wollen“. Sie würden gezielt bedroht, ihre Asylanträge würden daher bevorzugt behandelt. Ein Blick auf die Statistik relativiert diese Behauptung: Zwischen 1994 und 2020 lag die Zahl der Morde auf Farmen bei durchschnittlich 69 pro Jahr. 2023 waren es laut Regierungsdaten 54 – in der Kategorie werden zudem nicht nur weiße Opfer erfasst.

Die Lobbygruppe AfriForum, die das Narrativ des unterdrückten Weißen in Südafrika bei Besuchen amerikanischer Offizieller nährte, bezifferte die Zahl auf 49. Die Zahlen sind selbstverständlich erschreckend hoch. Aber angesichts von mehr als 20.000 Tötungsdelikten pro Jahr in Südafrika halten sie dem Vorwurf gezielter und gehäufter Morde an weißen Farmern nicht stand.

Südafrikas Politik ist umstritten

Trumps Regierung begründete die Aufnahme zudem mit „rassisch motivierter Verfolgung“, eine Formulierung aus der Flüchtlingskonvention also. Auch dieser Begriff ist unangebracht, allerdings ist Südafrikas Politik der „Affirmative Action“ zur Korrektur von Ungerechtigkeiten der Apartheid gelinde gesagt umstritten. Zunehmend rigide Vorschriften zur bevorzugten Einstellung von historisch benachteiligten Volksgruppen erschweren Weißen etwa die Arbeitsplatzsuche.

Überdies ist nicht nachvollziehbar, dass der Oppositionspolitiker Julius Malema den volksverhetzende Anti-Apartheid-Slogan „Kill the Boer“ (Tötet den weißen Farmer) anstimmen darf. Ein Gericht urteilte jedoch, dass derartige Lieder unter Kulturgutschutz fallen.

Auch eine im Januar in Kraft getretene Verordnung zur erleichterten Enteignung von Land, mitunter ohne Kompensation, macht nicht nur weiße Bauern nervös. Internationale Investoren, um die Südafrika angesichts seiner seit Jahren stagnierenden Wirtschaft buhlt, haben bei der Regierung wegen des Eingriffs in die Eigentumsrechte Bedenken angemeldet.

Südafrikanische Politiker, darunter der weiße Landwirtschaftsminister John Steenhuisen, betonen aber, dass eine derartige Enteignung nur unter äußerst strengen Bedingungen erfolgen dürfe, wie etwa bei brachliegendem Farmland. Aktenkundig ist seit Erlass des Gesetzes kein Fall.

Anzeigen wegen Hochverrats

Der „Flüchtlingsflug“ der Afrikaaner wirft ein Licht auf tief greifende gesellschaftliche Spannungen in Südafrika. Und entsprechend kontrovers wird er diskutiert. Gegen AfriForum gingen gar Anzeigen wegen Hochverrats ein – wegen mutmaßlicher Einflussnahme auf Trumps Entscheidung zur Flüchtlingsaufnahme.

Beim Abflug vom Flughafen Johannesburg wollten sich die Passagiere am Vorabend gegenüber lokalen Medien nicht äußern. Die Aktivistin Katia Beeden kennt einige von ihnen, sie gehört selbst zu den 67.000 Südafrikanern, die einen Antrag gestellt haben. „Viele haben Verwandte in Südafrika zurückgelassen und fürchten um deren Sicherheit“, sagte sie WELT, „deshalb sprechen sie nicht öffentlich.“

Sie selbst äußert sich dagegen offensiv zu den Missständen in Südafrika, in den sozialen Medien und auch jetzt am Telefon. „Dafür habe ich Morddrohungen bekommen.“ Sie spricht über die ausufernde Korruption und Verbrechen, sie selbst sei Opfer mehrerer Überfälle geworden. „Ich fühle mich einfach nicht sicher.“

Das Argument, dass Flüchtlinge aus Ländern wie Afghanistan vielleicht einen berechtigteren Anspruch hätten, will Beeden nicht gelten lassen. „Es hat sich gezeigt, dass sie oft nicht integrierbar sind“, erklärt sie schlicht. Beeden selbst wird sich wohl gedulden müssen. Denn als Farmerin, deren Anträge vorrangig bearbeitet werden, arbeitet sie nicht. Sie war lange in der Werbewirtschaft tätig, und ist nun „Life Coach“ in Kapstadt.

Christian Putsch ist Afrika-Korrespondent. Er hat im Auftrag von WELT seit dem Jahr 2009 aus über 30 Ländern dieses geopolitisch zunehmend bedeutenden Kontinents berichtet.

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