Der Titel ist hölzern. „Vertrag zwischen den USA und der Ukraine über die Einrichtung eines Wiederaufbaufonds“, heißt das elf Artikel umfassende Papier. Am Mittwochabend wurde es in Washington von US-Finanzminister Scott Bessent und der ukrainischen Vizepremierministerin Julija Swyrydenko unterzeichnet.

Was wie eine technische Vereinbarung klingt, ist ein einschneidendes neues Kapitel im sicherheitspolitischen Selbstverständnis des Westens, das schon immer abhängig war von den Entscheidungen amerikanischer Präsidenten. Mit Donald Trump bricht eine neue Ära an, die brachial interessengeleitet ist.

Simpel formuliert: Biete mir etwas finanziell Attraktives an, dann gebe ich dir Sicherheit. Donald Trumps offen zu Markte getragenes Prinzip, das Politik ein Geschäft sei wie jedes andere und damit transaktional, bringt der Mineralien-Deal exemplarisch zum Ausdruck. Washington hält 50 Prozent an dem Fonds. Die Renditen aus dem Abbau wertvoller Bodenschätze können künftig „verrechnet“ werden mit US-Waffenlieferungen an die Ukraine. Gleichzeitig kann Kiew seine Einnahmen zum Kauf von amerikanischen Waffen nutzen.

Womit Trump seinem Ruf als ruchloser Dealmaker gerecht wird und zugleich seiner „Make America Great Again“-Basis liefert, was diese verlangt: Ein Ende des vermeintlichen Schmarotzertums, dessen Amerikas Rechte – und Trump selbst – Europa schon lange bezichtigen.

In diesem Fall ist der Deal ein „Win-win“. Beide Seiten ziehen daraus Vorteile. Das ist eher ungewöhnlich für Trump, der aus jeder Verhandlung am liebsten als alleiniger Sieger hervorgehen will. Vor allem, wenn der Gegner Wolodymyr Selenskyj heißt.

Mit dem Ukrainer verbindet Trump schon seit seiner ersten Amtszeit ein feindseliges Verhältnis. Denn Selenskyj wollte seinerzeit nicht kooperieren, als Trump Korruptionsvorwürfe gegen Joe Bidens Sohn Hunter zu belegen versuchte.

Wie schlecht es um die Beziehung steht, war beim historischen Eklat Ende Februar im Oval Office zu bestaunen, der in Trumps Beschuldigung „Du hast keine Karten in der Hand. Du riskierst den Dritten Weltkrieg“ gipfelte. Doch Selenskyj hat seither eine Sache richtig gemacht: Er verhält sich konstruktiv bei Trumps Versuch, einen Frieden in der Ukraine herzustellen.

Wladimir Putin hingegen hat noch immer nicht einer bedingungslosen Waffenruhe zugestimmt. Er bekomme langsam den Eindruck, dass Russlands Präsident ihn „hinhalte“, erklärte Trump vor wenigen Tagen. Der US-Präsident hatte im Wahlkampf geprahlt, den Krieg in der Ukraine „binnen 24 Stunden zu beenden“.

Als er seine 100 Tage im Amt vergangenen Dienstag groß öffentlich feierte, erwähnte er seinen Friedensplan für die Ukraine indes mit keinem Wort. Stattdessen schloss er tags darauf den Rohstoff-Deal mit Kiew ab. Fraglos setzt diese Entwicklung Putin unter Druck. Doch wie auch immer Trumps Friedenspläne enden, Profit hat er sich in der Ukraine in jedem Fall gesichert.

Stefanie Bolzen berichtet für WELT seit 2023 als US-Korrespondentin aus Washington, D.C. Zuvor war sie Korrespondentin in London und Brüssel.

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