Steigende Preise, sinkende Zustimmung: Trumps erste 100 Tage in Zahlen
1. Inflation
Die Inflation hat Donald Trump ins Amt gehievt. Sie war nicht das einzige Wahlkampfthema, aber für viele das wohl greifbarste. Die Wähler spürten sie direkt – an der Supermarktkasse, an der Zapfsäule, im Alltag. Trump versprach schnelle Entlastung. Joe Biden wurde für den Preisanstieg der Vorjahre abgestraft.
Höhepunkt der Verteuerung war der Sommer 2022. Seitdem steigen die Preise langsamer, aber sie steigen. Auch unter Trump. Die erhoffte Erleichterung bleibt bislang aus.
Der demokratische Senator Mark Kelly postete Mitte April einen Kassenzettel über 47 Dollar: ein Salat, ein Glas Erdnussbutter, ein Dutzend Eier, Milch, Brot, Rinderhack und Rosinenkleie. Ein Mindestlohnverdiener in Arizona müsse dafür mehr als drei Stunden arbeiten.
Besonders der Eierpreis wurde zum Symbol der hohen Preise: Zeitweise kostete ein Dutzend mehr als sechs Dollar, leere Regale weckten unschöne Erinnerungen an Engpässe während der Coronapandemie. Kurz vor Ostern 2025 bat Trumps Regierung Europa um Nachschub.
Bald schon könnte selbst das eine rosige Erinnerung sein: Wenn Trump die Welt tatsächlich mit Zöllen überzieht, dürften die Preise in den USA auf breiter Front wieder anziehen. Damit rechnet neben Fachleuten auch die breite Masse: Laut einer Umfrage der Universität Michigan erwarten die Menschen für das kommende Jahr eine Teuerung von 6,7 Prozent.
Teure Eier, große Spender: Trump und der Osterhase beim "Ostereierrollen"

2. Zölle
Der US-Präsident sagt, seine Zollpolitik könnte einfacher nicht sein: "Was sie uns antun, tun wir ihnen an." Handelshürden, die Partner wie Kanada und Mexiko, die EU, China aber auch Kambodscha aufgebaut hätten, wolle man schlicht ausgleichen. Mithilfe genereller Preisaufschläge auf Einfuhren aus diesen Ländern.
Kanada und Mexiko waren die Ersten, gegen die Trump den Zollhammer schwang: Mit 25 Prozent auf alle Einfuhren drohte er seinen Nachbarländern – und zog rasch zurück. Die nordamerikanische Freihandelszone ist ein eng verflochtenes Handelsnetz, bei der Fertigung US-amerikanischer Autos etwa überqueren manche Teile mehrmals die Grenzen. Im Falle eines Handelskriegs drohen steigende Preise und Arbeitsplatzverluste – auch in den USA.
Der EU gegenüber bauten die USA bisher vor allem Druck auf. Trump zeterte, drohte mit Strafzöllen auf europäische Autos und Weine, sagte, die EU sei nur gegründet worden, um die Vereinigten Staaten "zu verarschen". Am 9. April traten tatsächlich US-Importzölle auf Waren aus der EU in Kraft: "Sie zocken uns ab, wir berechnen ihnen 20 Prozent." Nur Stunden später war der EU-Spezialzoll wieder ausgesetzt. Üblich blieb ein universaler, weltweiter Zollsatz von zehn Prozent – und die Unsicherheit.
China ist das Land, bei dem Trump in seiner Zollpolitik bisher keine Ausnahmen macht, nicht zurückzieht. So schaukelten sich die beiden Supermächte in wenigen Wochen auf ein Zollniveau, von dem China sagt: Ab rund 150 Prozent Preisaufschlag lohnt es nicht mehr, US-Produkte in den chinesischen Markt einzuführen. Effektiv sei das Ende der Eskalationsspirale erreicht, weitere Zollschritte sind demnach reines Spektakel.
"Ohhhh schauen Sie sich Kambodscha an", rief Trump am 2. April mit seiner mittlerweile berüchtigten Zolltafel in der Hand: "Sie haben ein Vermögen mit uns gemacht." Tatsächlich sind die USA der wichtigste Handelspartner Kambodschas. Vor allem Schuhe und Textilien liefert das Land, diese Exporte machen rund 40 Prozent der gesamten Wirtschaftsleistung aus. Reich wird damit aber niemand. Die Lohnkosten für ein Shirt liegen im Cent-Bereich.
Trumps Zölle auf kambodschanische Waren sind für 90 Tage ausgesetzt. Sollten sie Ende Juli wieder greifen, wird das zwei Gruppen treffen: Die erste produziert in Kambodscha, Vietnam oder Myanmar für wenig Geld Klamotten, Smartphones oder Spielzeug. Die zweite Gruppe kauft diese Güter in den USA – für wenig Geld. Wenn Trump Ernst macht, dürften viele Arbeiterinnen und Arbeiter ihren Arbeitsplatz verlieren, Konsumentinnen und Konsumenten in den USA sich vieles nicht mehr leisten können.
Das könnte für Trump zu einem Problem werden. Dann nämlich, wenn die Menschen ihren Lebensstandard in Gefahr sehen und dieses Gefühl in Unzufriedenheit umschlägt.

100 Tage Donald Trump Heute ein König. Morgen ein Diktator
3. Zufriedenheit
Derzeit bewegt sich die Ablehnung, die Trump erfährt, auf einem ähnlichen Niveau wie schon nach den ersten hundert Tagen seiner ersten Amtszeit: Jede zweite Person ist unzufrieden.
Gleichzeitig sind mehr Amerikaner mit der Arbeit des Präsidenten einverstanden als in seiner ersten Amtszeit. Warum Zustimmung und Ablehnung dieses Mal näher beieinander liegen? Möglicherweise, weil Menschen sich klarer einem politischen Lager zuordnen, weil sie einzelne politische Maßnahmen unterschiedlicher bewerten.
Beispiel Zollpolitik: Das Pew Research Center konnte in einer Umfrage zwei Gruppen ausmachen. Eine befürwortete die von Trump angedrohten und verhängten Zölle zu 70 Prozent, die andere Gruppe lehnte sie zu 90 Prozent ab. Die erste Gruppe verortete sich politisch bei den Republikanern, die zweite eher bei den Demokraten. Dass politische Zugehörigkeit die Bewertung einer Einzelmaßnahme beeinflusst, überrascht nicht. Das Ausmaß aber schon.
Durchschnittswerte zeigen dennoch klar, auf welchen Gebieten Trump punktet und wo eher nicht: Mit seiner Wirtschaftspolitik sind weniger Menschen zufrieden als mit seiner Einwanderungspolitik. Auch hier wächst die Ablehnung seiner Politik langsam, die Zustimmung sinkt, aber auf einem anderen Niveau. Die Hälfte der Befragten ist hier immer noch zufrieden mit Trumps Kurs.
4. Sparmaßnahmen
Ob Trumps Drohen mit Zöllen, das Abschieben von Eingewanderten oder das Versprechen von Trumps Berater Elon Musk, Milliarden einzusparen und dafür Tausende zu entlassen; alles ist groß, schnell und viel.
Gerade Musk und seine Doge genannte Sparabteilung lagen damit aber auch immer wieder spektakulär daneben. Auf der Doge-Webseite werden angebliche Einsparungen aufgezählt: so zu Beginn des Jahres auch ein gekündigter Vertrag mit einem Dienstleister der Einwanderungsbehörde ICE. Acht Milliarden Dollar wollten Musk und seine Leute dem US-amerikanischen Fiskus gerettet haben – offenbar ein schlichter Zahlendreher. Tatsächlich war die Sparmaßnahme laut "New York Times" maximal acht Millionen wert.
Ähnlich überdimensioniert die Meldung, Doge habe dreimal 655 Millionen Dollar eingespart. Der US-Sender CBS recherchierte, wies auf ein Missverständnis hin: Musks Team hatte offensichtlich das Vertragssystem der US-Regierung missverstanden und globale Vertrags-Obergrenzen fälschlich als tatsächlich verplante Summe gewertet. Anstelle der fast zwei Milliarden Dollar stehen auf der Doge-Webseite mittlerweile 18 Millionen.
Ein Projekt, das nur teilweise eingestellt worden war, deklarierte die Nicht-Behörde als vollständig gestrichen – und verbuchte so 232 Millionen als eingespart – tatsächlich waren es 560.000 Dollar. Die untenstehende Grafik verdeutlicht die Unterschiede bei den geschilderten Beispielen.
Musks Versprechen und die Realität
Grafik: Patrick Rösing, Lukas Wessling • Quellen: New York Times, CBS, The Intercept
Doge reklamierte darüber hinaus auch eine Einsparung für sich, bei der der zugehörige Vertrag bereits unter Präsident Biden gekündigt worden war. Wie kommen solche Fehler zustande? Laut einem Reporter der "New York Times" melden US-Behörden ihre Einsparungen an Doge – und Doge prüft sie offenbar nicht richtig. Zumindest in der konservativen bis rechten Medienlandschaft gibt der Erfolg dieser Strategie recht. Bei Fox News etwa werden Musks Manöver gefeiert. Ein weiterer Aspekt, der das Doge-Bild trübt: Durch nicht beachtete Kosten, die die Sparabteilung verursacht, könnten auch die tatsächlichen Einsparungen fast vollständig verpuffen.
5. Gesetze und Dekrete
So wie Musk im Stakkato neue Milliardeneinsparungen verkündet, so unterschreibt Trump Dutzende Dekrete auf einen Schlag. Gerichte brauchen so Monate, um die Verfassungswidrigkeit jeder einzelnen Verordnung zu prüfen. Doch wenn sich der Staub dann gelegt hat, ist es oft zu spät.
Die US-Verfassungsrechtlerin Jodi Short von der UCLA San Francisco sagt dazu im Gespräch mit dem stern: "Die Regierung wird es geschafft haben, eine Reihe von Behörden auszuhöhlen." Per Verordnung, im Widerspruch zu geltendem Recht – bevor auch nur irgendein Gericht eine Seite Protokoll produziert hat.
Short verweist auf Daten, die zeigen sollen, dass gefeuerte Angestellte sehr selten an ihren Arbeitsplatz zurückkehren: "Sie verlangen womöglich Schadensersatz, aber kaum jemand versucht, wieder eingestellt zu werden." Nach einer Zählung der Nachrichtenagentur sind Trump und Musk seit dem 20. Januar so 260.000 Beamte losgeworden: entlassen, zurückgetreten, pensioniert.
Ich denke, die Regierung versucht, vieles hinter den Kulissen zu regeln – statt offen Verantwortung dafür zu übernehmen
Das Mittel der Wahl dabei: die sogenannten Executive Orders. Im deutschen Rechtssystem finden sie keine Entsprechung, werden meist als Dekrete oder Verfügungen bezeichnet. Mit ihnen fordert der US-Präsident Bundesbehörden direkt zum Handeln auf – und kann so den Kongress umgehen. Die Order schafft kein neues Gesetz, kann aber bestehende Gesetze präzisieren, ihre Umsetzung anstoßen oder einen Notstand ausrufen. Aufgehoben werden kann sie nur durch Gerichte, den Kongress oder den nächsten Präsidenten.
Trump nutzt dieses Mittel nicht nur freizügig, sondern auch oft. Mehr als 130 Dekrete hat er in den ersten 100 Tagen seiner zweiten Amtszeit bereits unterzeichnet – unter Barack Obama waren es im gleichen Zeitraum sechs Stück. Frappierend: Das Erarbeiten echter Gesetze scheint Trumps Regierung aufgegeben zu haben. Ganze vier hat der Präsident bisher unterschrieben, in seiner ersten Amtszeit waren es zum gleichen Zeitpunkt 127.
Warum dieser Schwenk weg von den Gesetzen hin zum Dekret? "Gesetzgebung ist kompliziert und geschieht öffentlich, Gesetzgebung ist politisch", sagt die Rechtswissenschaftlerin Short: "Ich denke, die Regierung versucht, vieles hinter den Kulissen zu regeln – statt offen Verantwortung dafür zu übernehmen."
Der Nachteil des Regierens per Dekret: Der nächste Präsident, die nächste Präsidentin oder ein Gericht können die Verordnungen zurücknehmen. Formal arbeitet Trump mit dem Papierkorb im Nacken. Im politischen Raum der USA aber scheint derzeit vieles möglich. Trump setze darauf, dass die Gerichte mitzögen, wenn Fakten erst einmal geschaffen seien, sagt Short.
Sie prognostiziert: Trump und das Rechtssystem werden irgendwann aufeinanderprallen. Der Präsident aber hoffe offensichtlich, die Wirklichkeit vorher so stark verändert, die öffentliche Meinung so weit verschoben zu haben, dass es gar nicht zum Konflikt kommt. "Ich glaube, das ist, was er vorhat", sagt Short: "Aber ich denke, wir sind noch nicht so weit."
Quellen: Bureau of Labor Statistics, CBS, Doge, GIZ, "New York Times", Pew Research Center, "The Intercept", Real Clear Polling, US-Kongress/Nationalarchiv
Mitarbeit: Patrick Rösing, Laura Stresing- Donald Trump
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