Am auffälligsten ist, was das US-Justizministerium nicht veröffentlicht hat
Das Bemerkenswerteste an den neu veröffentlichten Epstein-Akten ist zum Stand Samstagmorgen, was darin alles fehlt.
Finanzunterlagen, interne Memos von Staatsanwälten, die gegen Epsteins mutmaßlichen Sexhandelsring ermittelt hatten, wichtiges Material, das bei Durchsuchungen von Epsteins palastartigen Anwesen sichergestellt worden ist – nichts davon spielte in den am Freitag veröffentlichten Dokumenten eine prominente Rolle.
Unterlagen, die Aufschluss darüber geben könnten, wie Epstein zu seinem gewaltigen Reichtum gekommen ist? Fehlanzeige.
Die E-Mails von Bundesstaatsanwälten, in denen sie entscheiden, wen sie im Rahmen ihrer Ermittlungen vom Jahr 2019 anklagen wollten – und, genauso wichtig, wen sie nicht anklagen wollten? Ebenso: Fehlanzeige.
Und falls jemand neugierig war auf Informationen zur Rolle von Maurene Comey – der Staatsanwältin also, die die Ermittlungen gegen Epstein und seine Komplizin Ghislaine Maxwell mitgeleitet hatte, bevor sie im Juli ohne jede Erklärung entlassen wurde: auch dazu gab es nichts zu sehen.
Das Justizministerium war gesetzlich verpflichtet, bis Freitag alle Dokumente im Zusammenhang mit Epstein, dem verstorbenen verurteilten Sexualstraftäter, und Maxwell, die wegen Beihilfe und Beteiligung an seinem Sexhandelsring verurteilt wurde, zu veröffentlichen.
Die nun veröffentlichte Tranche stellt aber nur einen Bruchteil des gesamten Materials dar, das laut Angaben der Regierung mehr als 300 Gigabyte an Daten und zusätzlich dazu physische Beweise umfasst. Der demokratische Abgeordnete Robert Garcia aus dem House Oversight Committee hat geschätzt, dass die veröffentlichten Unterlagen nur etwa zehn Prozent des Materials umfassen, das sich dem Ministerium tatsächlich vorliegt.
Der stellvertretende Generalstaatsanwalt Todd Blanche versprach aber am Freitag, dass noch mehr veröffentlicht werden würde. Er sagte: „Im Laufe unserer Überprüfung werden weitere relevante Unterlagen vorgelegt werden, im Einklang mit dem Gesetz und unter Wahrung des Opferschutzes.“ Das Ministerium hat keine Angaben dazu gemacht, wann es weitere Dokumente veröffentlichen will, obwohl Blanche in einem Schreiben an den Kongress angedeutet hat, dass die Vorlage bis Ende des Jahres abgeschlossen sein wird.
In den am Freitag veröffentlichten Unterlagen befand sich dennoch fraglos einiges bemerkenswertes Material.
Darunter ein Foto des ehemaligen Präsidenten Bill Clinton in einem Pool mit Maxwell und einer weiteren Frau, deren Gesicht unkenntlich gemacht worden ist. Es gab Videos von polizeilichen Vernehmungen aus den Ermittlungen gegen Epstein im Jahr 2005 in Florida. Und es gab Notizen, die offenbar von einem Anwalt Epsteins stammten, um sich auf ein Gespräch mit Alex Acosta vorzubereiten, dem damaligen obersten Bundesstaatsanwalt in Florida, der mit Epstein einen vorteilhaften Vergleich ausgehandelt hatte.
Großteil bereits bekannt – oder geschwärzt
Der Großteil des am Freitag veröffentlichten Materials war jedoch entweder bereits bekannt oder stark geschwärzt.
Viele derjenigen, die sich für die Veröffentlichung der Akten eingesetzt hatten, zeigten sich enttäuscht und frustriert über das Ergebnis.
Der demokratische Abgeordnete Ro Khanna, einer der Mitinitiatoren des Gesetzentwurfs, der das Ministerium zur Veröffentlichung der Dokumente verpflichtet, erklärte gegenüber Reportern, er sei enttäuscht über die Menge der vom Justizministerium veröffentlichten Akten. Er drängte die Behördenvertreter dazu, einen klaren Zeitplan für die Veröffentlichung aller verbleibenden Dokumente festzulegen.
Khanna sagte, dass die US-Abgeordneten gegebenenfalls ein Amtsenthebungsverfahren gegen Blanche und Generalstaatsanwältin Pam Bondi einleiten oder sogar Strafanzeige gegen Beamte des Justizministeriums erstatten könnte, wenn diese übermäßige Schwärzungen oder Manipulationen vorgenommen hätten. Ein Sprecher des Justizministeriums reagierte nicht auf eine Bitte um Stellungnahme.
Auch ein republikanischer Abgeordneter – Thomas Massie aus Kentucky –, kritisierte die Art und Weise der Akten-Offenlegung. Diese „verstoße in grober Weise gegen den Geist und den Wortlaut des Gesetzes, das @realDonaldTrump (der US-Präsident, d. Red.) vor nur 30 Tagen unterzeichnet hat“.
Auch der demokratische Minderheitsführer im Senat, Chuck Schumer, kritisierte die Offenlegung scharf. „Die bloße Veröffentlichung einer Flut von geschwärzten Seiten verstößt gegen den Geist der Transparenz und den Buchstaben des Gesetzes“, erklärte er in einer Stellungnahme. „Beispielsweise wurden alle 119 Seiten eines einzigen Dokuments vollständig geschwärzt. Wir brauchen Antworten darauf, warum das so ist.“
Erica Corden ist Reporterin des US-Nachrichtenmagazins „Politico“, das wie WELT zum Axel-Springer-Verlag gehört.
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