Juristischer Kniff soll Infrastrukturprojekte beschleunigen: Umweltschützer sind skeptisch
- Wichtige Infrastrukturprojekte sollen künftig beschleunigt werden, wenn sie als "überragendes öffentliches Interesse" gelten. Naturschützer warnen vor den Folgen für die Umwelt.
- Die rechtliche Formulierung wurde bereits öfter verwendet. Die Baubranche begrüßt die Einstufung der Infrastruktur als Teil der Daseinsvorsorge.
- Beschlossen ist das Infrastruktur-Zukunftsgesetz noch nicht. Der Naturschutzring plant eine verfassungsrechtliche Prüfung.
Schneller, pragmatischer und unbürokratischer sollen die Planungs- und Genehmigungsverfahren für Verkehrsprojekte in Zukunft laufen. Das versprach Bundesverkehrsminister Patrick Schnieder von der CDU bei der Vorstellung des neuen Infrastruktur-Zukunftsgesetzes.
Die Projekte sollen künftig gesetzlich als Vorhaben von "überragendem öffentlichem Interesse" eingestuft werden, so Schnieder: "Diese Vorhaben sind nämlich ganz entscheidend für Mobilität, Versorgungssicherheit und wirtschaftliche Stärke. Und genau deshalb haben sie in Zukunft Vorrang."
Juristischer Trick: Umweltverbände sehen Naturschutz in Gefahr
Der Rechtsbegriff des überragenden öffentlichen Interesses soll also dafür sorgen, dass Verkehrsprojekte künftig höher gewichtet werden – etwa gegenüber Einwänden von Umweltverbänden.
Johann Rathke vom NABU befürchtet, dass dadurch der Natur- und Klimaschutz gefährdet wird: "In der Summe ist das natürlich ein massiver Schaden, der da für Natur und Umwelt entsteht. Und ob das im öffentlichen Interesse ist, das wage ich sehr zu bezweifeln."
Kritik: "Öffentliches Interesse" dient zu oft als Begründung für Bauvorhaben
Neu ist der Begriff nicht. In den vergangenen Jahren wurde das überragende öffentliche Interesse bereits in mehreren Gesetzen verankert. Egal ob es um erneuerbare Energien, Telekommunikation oder Stromleitungen ging, das Prinzip war immer das gleiche: Projekte sollen damit beschleunigt werden, weil es eben ein großes öffentliches Interesse daran gibt.
Rathke findet aber, dass dieser Rechtsbegriff zu inflationär eingesetzt wird: "Dann gewinnt man den Eindruck, dass irgendwann alles privilegiert ist. Also alles ist dann natürlich irgendwann gleich wichtig. Und das stellt natürlich die Wirkung des überragenden öffentlichen Interesses in Frage, wenn alles irgendwann gleich wichtig ist."
Bauindustrie: Infrastruktur muss als Teil der Daseinsvorsorge anerkannt werden
Die deutsche Bauindustrie sieht das anders. Verbands-Chef Tim-Oliver Müller sagt, dass der Nachholbedarf bei der Verkehrsinfrastruktur deshalb so groß ist, weil das überragende öffentliche Interesse dort bisher nicht rechtlich verankert ist: "Indem man jetzt die öffentliche Infrastruktur auch als Teil der Daseinsvorsorge anerkennt, gibt man den Maßnahmenträgern auch die Möglichkeit, im Sinne der Infrastrukturmodernisierung entscheiden zu können. Und das ist erstmal ein Fortschritt, auch für den Wirtschaftsstandort."
Gesetz noch nicht beschlossen: Naturschutzring will verfassungsrechtliche Prüfung
Deutlich kritischer ist der ökologische Verkehrsclub VCD. Er hält das Infrastruktur-Zukunftsgesetz für verfassungswidrig und sieht die staatliche Pflicht zum Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen verletzt. Auch Florian Schöne vom Deutschen Naturschutzring äußert verfassungsrechtliche Zweifel: "Über Klagen haben wir noch nicht geredet. Aber tatsächlich werden wir da nochmal Juristinnen und Juristen mit der Frage betrauen, ob das tatsächlich verfassungskompatibel ist."
Beschlossen ist das Infrastruktur-Zukunftsgesetz allerdings noch nicht. Denn bisher hat sich nur das Kabinett darauf geeinigt. Als Nächstes wird es im Bundestag beraten und in den Ausschüssen diskutiert.
Schöne hofft dort auf Änderungen – und beruft sich dabei auf den ehemaligen SPD-Politiker Peter Struck, der mal gesagt hat: „Kein Gesetz verlässt das Parlament so, wie es eingebracht worden ist.“
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