Die Beziehung zwischen dem Liedermacher Konstantin Wecker und einer minderjährigen Schülerin wird innerhalb der AfD kontrovers diskutiert. „Politico“ und WELT kennen den Inhalt einer AfD-internen Chatgruppe, in der sich 37 Abgeordnete und Funktionäre der Partei unter dem Titel „IG Meinung“ zusammengeschlossen haben. Auch Mitglieder des Bundesvorstands sind Teil der Gruppe.

Anlass der Diskussion am Freitag war eine Äußerung des Vize-Landeschefs der AfD Sachsen-Anhalt, Hans-Thomas Tillschneider. „Na und? Es war eindeutig einvernehmlich und sie war über 16“, hatte Tillschneider in einem Posting auf X geschrieben, das später gelöscht wurde. „Daraus überhaupt eine Nachricht zu machen, ist nichts anderes als männerfeindliche Propaganda.“

Die „Süddeutsche Zeitung“ hatte berichtet, dass Wecker vor 15 Jahren im Alter von 63 Jahren eine sexuelle Beziehung zu einer 16-Jährigen führte. Sowohl Wecker als auch die Frau gaben an, dass die Beziehung einvernehmlich gewesen sei. Allerdings habe die Frau später eigenen Angaben zufolge unter Depressionen und Schwierigkeiten gelitten, Intimität auszuhalten.

„Lieber Hans-Thomas, warum verteidigst einen linken Überzeugungstäter, um Dir dann solche Artikel einzufangen?“, fragte der ehemalige AfD-Bundestagsabgeordnete Frank Pasemann am Freitag in der internen WhatsApp-Chatgruppe und postete dazu Screenshots eines Artikels der „Mitteldeutschen Zeitung“.

Tillschneider antwortete kurz darauf, er habe „die Empörung unterschätzt, weil ich zum Zeitpunkt meines Tweets nicht die doch sehr schlüpfrigen Zitate gekannt habe“. Es bleibe aber der Einwand, „dass hier eine nicht-strafbare Privatsache zum Politikum aufgebauscht wird“. Tillschneider schrieb weiter: „Was interessiert dieser ganz private und unappetitliche Kram überhaupt die Öffentlichkeit? Letztlich ist es dann doch wieder die Absicht, im Sinne feministischer Ideologie die Bestie Mann öffentlich anzuprangern. Ich wollte zum Nachdenken darüber anregen. Ist mißglückt. Schwamm drüber.“

Der Vize-Landeschef verwies in seiner Nachricht darauf, dass er das Posting mittlerweile gelöscht habe. Landeschef Martin Reichardt, der auch familienpolitischer Sprecher der AfD-Bundestagsfraktion ist, habe ihn informiert „dass er die Sache anderweitig kommentiert hat“. Reichardt hatte Wecker mit den Themen „Inzest legalisieren“ und „Dragqueens in Kindergärten“ in Verbindung gebracht.

„Das moralische Urteil sollte hier doch bitte eindeutig sein“

Daraufhin erhielt Tillschneider Widerspruch vom ehemaligen stellvertretenden Bundesvorsitzender der Identitären Bewegung, Daniel Fiß. Als 63-jähriger Mann habe man „einfach überhaupt GAR NICHT auf intime Weise mit einer 16-Jährigen zu verkehren“, schrieb Fiß. „Das moralische Urteil sollte hier doch bitte eindeutig sein, oder?“ Der Bundestagsabgeordnete Jan Wenzel Schmidt likte den Kommentar.

Fiß ist als persönlicher Referent beim AfD-Fraktionschef im Landtag Mecklenburg-Vorpommern, Nikolaus Kramer, beschäftigt. Noch im Jahr 2013 war der 1992 geborene Fiß Bildungsbeauftragter der NPD-Jugendorganisation Junge Nationaldemokraten (JN, heute Junge Nationalisten) in Mecklenburg-Vorpommern.

„Sicherlich. Aber wollen wir jetzt die Moralkeule über private Geschichten schwingen?“, fragte Tillschneider daraufhin.

Dann schaltete sich auch Michael Scharfmüller ein, Chefredakteur der österreichischen rechtsextremen Zeitschrift „Info-Direkt“. „Alte Männer, die junge Schülerinnen verführen, will ich nicht in der Politik haben, ganz gleich was Linke dazu sagen“, schrieb er. „Wer als über 60-Jähriger Minderjährige fickt, hat aber mehrere rote Linien überschritten und gehört auf die Anklagebank. Das hat auch nichts mit Männlichkeit zu tun.“

Der AfD-Bundestagsabgeordnete Matthias Moosdorf berichtete daraufhin von einer früheren Partnerin, die in erster Beziehung als 16-Jährige mit dem DDR-Dichter Erich Arendt gelebt habe. „Er war damals in seinen 80gern. Und es war Liebe, das sagt sie heute noch. Man kann es nicht generalisieren.“ Tillschneider und Moosdorf’ Fraktionskollege Maximilian Krah liketen den Kommentar.

Tillschneider sprach von einem „Affentanz“, der in der Gruppe veranstaltet werde. In Richtung eines Parteikollegen fragte er zudem, ob der denn ganz genau wisse, „ob alle die Frauen, mit denen er was hatte, schon 16 waren?“.

Als „ziemlich verstörend“ bewertet der Bundestagsabgeordnete Jan Wenzel Schmidt die Diskussion, es gehe um „Kinder“. „Ein ‚Kind‘ ist eine Person, die das 14. Lebensjahr noch nicht vollendet hat“, schrieb Tillschneider daraufhin. „Aha so 14.5 ok?“, erwiderte daraufhin ein weiterer Partei-Funktionär. „Das habe ich nicht gesagt“, entgegnete Tillschneider. Die Chats enden mit einem GIF — von dem Gesicht des Sexualstraftäters Jeffrey Epstein.

Pauline von Pezold ist Reporterin beim Newsletter „Playbook“ von „Politico“ Deutschland.

Politikredakteur Frederik Schindler berichtet für WELT über die AfD, Islamismus, Antisemitismus und Justiz-Themen. Zweiwöchentlich erscheint seine Kolumne „Gegenrede“. Im September erschien im Herder-Verlag sein Buch über den AfD-Politiker Björn Höcke.

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