Der Präsident des Deutschen Landkreistages, Achim Brötel, warnt angesichts der dramatischen Finanznot vieler Kommunen vor gravierenden Folgen für Demokratie und gesellschaftlichen Zusammenhalt in Deutschland. „Ich habe inzwischen wirklich Angst. Ich sehe unseren demokratischen Rechtsstaat in Gefahr“, sagte der CDU-Politiker im SWR-Videopodcast „Zur Sache! intensiv“.

Brötel, der auch Präsident des Landtages Baden-Württemberg ist, befürchtet, dass sich das Leben in Deutschland „bald anders anfühlen“ werde, wenn Bund und Länder nicht rasch gegensteuern. Die schwarz-rote Bundesregierung müsse neue Prioritäten setzen, auf „Wünschenswertes“ verzichten und die riesigen Defizite der Kommunen ausgleichen. Dass die Mütterrente in dieser Situation erhöht werden soll, bezeichnete er als „krassen Fehler“.

Schon im September hatte er Brötel auf die desolate finanzielle Lage in Baden-Württemberg hingewiesen: „Die Kommunen stecken auch in Baden-Württemberg momentan in der größten Finanzkrise, die dieses Land jemals erlebt hat“.

Nach Angaben des Landkreis-Chefs fehlen Städten, Gemeinden und Kreisen derzeit rund 30 Milliarden Euro im Jahr. Allein in Baden-Württemberg schrieben 31 von 35 Kreisen rote Zahlen, in Ostdeutschland sei die Lage noch deutlich schlimmer, sagte er dem SWR. Das führe zu Einschnitten bei Leistungen vor Ort – mit spürbaren Folgen: „Die Menschen werden sich noch unzufriedener und abgehängter fühlen. Das wird Wasser auf die Mühlen extremistischer, demokratiefeindlicher Parteien sein.“

Brötel erwartet, dass spätestens 2027 die letzten Rücklagen aufgebraucht sind. „Wir kommen aus Jahren, in denen alles gut lief – jetzt räumen wir die letzten Rücklagen aus dem Regal.“ Dann werde das Geld „für Kitas, Schulen, Vereinsförderung, Kultur, Musikschulen und Theater“ fehlen. Besonders schmerzhaft seien Einschnitte bei den sogenannten Freiwilligkeitsleistungen: „Vielleicht gibt es das Theater auch nicht mehr, das im Moment gefördert wird.“ Dabei seien dies Leistungen, die für ihn auch mit Teilhabe verbunden sind.

Auch die Arbeit an Schulen werde vermutlich betroffen sein: Bereits jetzt müssten viele Kreise aus der Förderung der Schulsozialarbeit aussteigen, weil sie sich diese nicht mehr leisten könnten, sagte Brötel. Das sei eine kurzfristige Notmaßnahme, die jedoch langfristig höhere Folgekosten in der Jugendhilfe nach sich ziehe.

Auch im öffentlichen Nahverkehr drohten Abstriche. „Wir werden Buslinien streichen – das findet gerade flächendeckend statt. Manche träumen vom Ausbau des ÖPNV. Ich wäre schon froh, wenn wir ihn im ländlichen Raum halten könnten.“

Forderung nach Sozialstaatsreform

Um die finanzielle Lage der Kommunen zu stabilisieren, forderte Brötel die Lage endlich ernst zu nehmen. Die Politik in Bund und Ländern nehme die Warnsignale aber nicht ernst genug, so Brötel. „Wir brauchen nicht mehr Papiere, wir brauchen mehr Hörgeräte“, sagte er mit Blick auf die geringe Bereitschaft, strukturelle Probleme anzugehen.

Unter anderem schlug er vor, den kommunalen Umsatzsteueranteil zu erhöhen. „Wir wollen mindestens eine Verdreifachung unseres Umsatzsteueranteils, das wären zwölf Milliarden Euro.“ Zugleich müsse der Sozialstaat wieder stärker auf echte Bedürftigkeit ausgerichtet werden.

Grundlegende Reform forderte Brötel auch bei den Sozialausgaben. „Wir haben kein Einnahmeproblem, wir haben ein Ausgabenproblem – und zwar vor allem beim Sozialstaat“, sagte der CDU-Politiker weiter. „Inzwischen wird jeder fünfte Euro im Bundeshaushalt zur Stabilisierung der Rente eingesetzt.“ Deshalb müsse auch über ein höheres Renteneintrittsalter, über Kürzungen im Leistungskatalog der Krankenkassen und weniger Feiertage diskutiert werden.

Auch beim Elterngeld sieht er Reformbedarf. Die aktuelle Einkommensgrenze von 175.000 Euro für Paare sei „viel zu hoch“ – 100.000 Euro wären seiner Ansicht nach angemessen. Negative Auswirkungen auf die Geburtenrate erwartet er nicht. Zugleich forderte Brötel, stärker gegen steuerliche Schlupflöcher für Superreiche vorzugehen: „Auch die Vermögenden müssen ihren Teil zur Lösung der Krise beitragen.“

Haftungsausschluss: Das Urheberrecht dieses Artikels liegt bei seinem ursprünglichen Autor. Der Zweck dieses Artikels besteht in der erneuten Veröffentlichung zu ausschließlich Informationszwecken und stellt keine Anlageberatung dar. Sollten dennoch Verstöße vorliegen, nehmen Sie bitte umgehend Kontakt mit uns auf. Korrektur Oder wir werden Maßnahmen zur Löschung ergreifen. Danke