Die sicherheitspolitische Elite Europas trifft sich in Berlin zur Security Conference. Partnerland ist in diesem Jahr Schweden – mit Verteidigungsminister Pål Jonson an der Spitze der Delegation.

Frage: Minister Jonson, Sie sind zum zweiten Mal innerhalb eines Monats in Berlin. Schweden ist in diesem Jahr Partnerland der Berliner Sicherheitskonferenz. Was ist Ihr Hauptinteresse an der Verteidigungsallianz mit Deutschland?

Pål Jonson: Wir freuen uns sehr und fühlen uns geehrt, Partnerland der Berlin Security Conference zu sein. Wir sind mit einer großen Delegation angereist – Team Sweden – mit vier Ministern, meinem Premierminister und fast 60 Unternehmen. Das zeigt, wie eng die Zusammenarbeit zwischen Schweden und Deutschland inzwischen ist. Wir sind nicht länger nur Partner – wir sind Verbündete. Das eröffnet neue Möglichkeiten für die bilaterale Zusammenarbeit und stärkt sowohl die Nato als auch die sicherheits- und verteidigungspolitische Arbeit der EU. Ich sehe große Chancen, die industrielle Verteidigungskooperation auszubauen. Das ist eine wechselseitige Beziehung: Schweden importiert deutsche Waffen, Luftabwehrsysteme, Panzer und Komponenten für Schützenpanzer. Gleichzeitig haben schwedische Unternehmen guten Zugang zum deutschen Markt, insbesondere im Bereich der elektronischen Kriegsführung und verwandter Technologien. Ein weiterer wichtiger Bereich ist die Unterstützung der Ukraine. Beide Länder wissen, dass die Unterstützung der Ukraine nicht nur richtig, sondern auch eine Investition in unsere eigene Sicherheit ist. Schweden und Deutschland leiten gemeinsam die Arbeitsgruppe für elektronische Kriegsführung innerhalb der Ukraine Defense Contact Group – ein zentraler Teil unserer gemeinsamen Anstrengungen zur Unterstützung der Ukraine.

Frage: Die Ostsee ist angesichts der russischen Aktivitäten zu einem sicherheitspolitischen Brennpunkt geworden. In den vergangenen Wochen wurden Drohnen über Kopenhagen, Norddeutschland, Polen, Norwegen und Schweden gesichtet. Wie reagieren Sie auf diese Bedrohung?

Jonson: Die Ostsee hat sich grundlegend verändert. Sie ist für Russland als Handelsroute wichtiger geworden, weil andere Seewege eingeschränkt sind. Wir beobachten auch neue Phänomene wie die sogenannte Schattenflotte, die zu weiteren Spannungen führt. Die russische Ostseeflotte verhält sich zunehmend aggressiv, und wir haben Sabotageakte und Eingriffe in kritische Unterwasserinfrastruktur erlebt. All das zeigt, warum wir in der Region enger zusammenarbeiten müssen. Die Nato hat mit der Mission „Baltic Sentry“ ihre Überwachungsaktivitäten ausgeweitet, und seit Schweden Mitglied ist, sind unsere Marineeinheiten vollständig integriert. Die Zusammenarbeit zwischen Schweden und Deutschland in der Ostsee ist heute wichtiger denn je.

Frage: Wie wollen Sie mit den Drohnenüberflügen umgehen?

Jonson: Zwischen der deutschen Marine und der schwedischen Marine besteht bereits eine enge Kooperation. Das in Rostock stationierte CTF Baltic, das von Deutschland und Polen geführt wird, ist ein wichtiger Schritt nach vorn. Die schwedische und die deutsche Marine bilden das Rückgrat der Ostseesicherheit. Was die Drohnen betrifft, haben unsere Streitkräfte einen klaren rechtlichen Rahmen, der es ihnen erlaubt, eindringende Flugzeuge oder Drohnen bei Bedarf abzuschießen. Das wäre nicht die erste Maßnahme, aber klare Einsatzregeln sind entscheidend. Zudem haben wir stark in Abwehrsysteme und elektronische Gegenmaßnahmen investiert.

Frage: Sind Sie persönlich dafür, sie abzuschießen?

Jonson: Das hängt davon ab, wo sie operieren. Fliegt eine Drohne über eine militärische Einrichtung, ist der Handlungsdruck größer als über einem weniger sensiblen Gebiet. In Schweden treffen diese Entscheidungen die verantwortlichen Kommandanten – nicht die Politiker.

Frage: Zusammen mit Finnland ist Schweden eines der jüngsten Nato-Mitglieder, beigetreten im März 2024. Was hat sich seither verändert?

Jonson: Das ist der größte Wandel in der schwedischen Verteidigungspolitik seit mehr als 200 Jahren – wir haben unsere militärische Bündnisfreiheit aufgegeben, um der Nato beizutreten. Zwei Dinge sind besonders wichtig: Erstens unsere Bereitschaft, die Nordflanke der Allianz zu stärken. Schweden ist nun Rahmennation für die vorgeschobenen Landstreitkräfte der Nato in Finnland und trägt dort Mitverantwortung. Außerdem haben wir ein mechanisiertes Bataillon nach Lettland entsandt und Gripen-Kampfjets zur Luftraumüberwachung nach Polen verlegt. All das wäre ohne eine Nato-Mitgliedschaft nicht möglich gewesen. Die Nordflanke, früher ein Raum militärischer Unsicherheit, ist heute von Integration und Planbarkeit geprägt. Aufgrund seiner geografischen Lage ist Schweden zudem ein wichtiger Stützpunkt für die Verteidigung der Ostflanke – insbesondere für die baltischen Staaten und Finnland.

Frage: Kommen wir noch einmal auf die Ukraine zurück. Sie haben im März 2025 Taurus-Marschflugkörper aus Deutschland bestellt. Würden Sie eine Lieferung an die Ukraine unterstützen?

Jonson: Diese Entscheidung liegt bei Deutschland. Schweden hat viel in die weitreichenden Fähigkeiten der Ukraine investiert – in Drohnen und Raketen –, weil die Ukraine das Recht hat, sich innerhalb und außerhalb ihres Territoriums zu verteidigen. Da wir selbst keine weitreichenden Waffensysteme herstellen, unterstützen wir die Ukraine dabei, solche Fähigkeiten im eigenen Land zu entwickeln. Gegen eine Lieferung der Taurus hätten wir nichts einzuwenden – aber das ist eine deutsche Entscheidung.

Frage: Schweden gilt in Deutschland als Vorbild – vor allem, da die Bundeswehr ab 2026 wieder eine Dienstpflicht einführt. Wie sehr ähnelt das neue deutsche Modell dem schwedischen?

Jonson: Ich habe darüber mit meinem Freund Boris Pistorius in Stockholm gesprochen. Unser System ist nicht freiwillig – es ist verpflichtend, aber selektiv. Etwa zehn Prozent jedes Jahrgangs werden eingezogen, und es gibt mehr Bewerber als Plätze. Das System funktioniert gut: Es bringt motivierte Rekruten hervor und stellt sicher, dass unsere Streitkräfte ausreichend besetzt sind. Die Wehrpflicht ist das Rückgrat unserer Streitkräfte.

Frage: Ist ein freiwilliger Dienst in der heutigen Sicherheitslage überhaupt noch zeitgemäß?

Jonson: Wir leben in gefährlichen Zeiten, und jeder muss bereit sein, etwas beizutragen. In Schweden ist der Wille, das eigene Land zu verteidigen, stark ausgeprägt. Unsere Verteidigungspolitik wird parteiübergreifend getragen – sowohl die Unterstützung der Ukraine als auch die Erhöhung der Verteidigungsausgaben auf fünf Prozent des BIP. Diese Einigkeit und Entschlossenheit sind entscheidend in dieser schwierigen Zeit.

Frage: Was kann Deutschland von Schweden lernen?

Jonson: Ich sage das mit großer Bescheidenheit – Deutschland ist eine führende Macht in Europa, Schweden ist es nicht. Aber wir bringen Erfahrung mit dem Konzept der Gesamtverteidigung und gesellschaftlichen Resilienz mit – also der Idee, dass die gesamte Gesellschaft zur Sicherheit beiträgt. Schweden ist zudem stark in der Verteidigungsinnovation: Trotz unserer geringen Größe entwickeln und bauen wir eigene Kampfflugzeuge, U-Boote, Schützenpanzer, Artilleriesysteme und Sensoren. Das ist unser Beitrag als neues Nato-Mitglied.

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