Schon kurz vor dem Besuch von Saudi-Arabiens Kronprinz Mohammed Bin Salman bei US-Präsident Donald Trump war die Nervosität in Jerusalem zu spüren. Wenn Trump den Saudis Kampfflugzeuge vom Typ F-35 liefern würde, dann wäre das „ein gefährlicher Schritt“, warnte ein Vertreter des israelischen Verteidigungsministeriums am Vorabend des Besuchs gegenüber der Zeitung „Haaretz“.

Nur wenige Stunden, nachdem der Bericht mit der Warnung veröffentlicht wurde, kam die Nachricht, dass Trump den Saudis dennoch gibt, was sie wollen. „Ich werde sagen, dass wir das tun werden“, sagte Trump am Montag. „Wir werden F-35 verkaufen.“ Und anschließend lobte er das Königreich für seine langjährige Partnerschaft mit den USA.

Die F-35 sind womöglich die mächtigsten Kampfflugzeuge der Welt, ausgestattet mit Tarnkappentechnologie und umfassend vernetzt mit einem virtuellen Streitkräftesystem. Außerhalb der Nato erhalten nur sehr wenige Staaten diese Waffe, der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan bittet seit Jahren vergebens darum und im Nahen Osten besitzt bisher nur Israel solche Flugzeuge.

Darum ist dieser Deal Donald Trumps auch ein Bruch mit einem jahrzehntealten Prinzip der US-Sicherheitspolitik – nämlich dem, bei Waffenlieferungen an andere Partner im Nahen Osten niemals Israels strategischen Vorteil infrage zu stellen. Schließlich ist dieser Vorteil Teil der israelischen Sicherheitsdoktrin. Doch Israel könnte beim Zusammentreffen Trumps mit Mohammed bin Salman noch mehr verlieren als die Lufthoheit im Nahen Osten.

Strategisches Problem für Israel

Nach Informationen der „Financial Times“ dürfte es bei der Spitzenbegegnung neben wirtschaftlichen Themen und Kooperationen bei künstlicher Intelligenz auch um ein Verteidigungsbündnis gehen. Dazu gehörten unter anderem auch die F-35-Jets, aber auch grundlegende amerikanische Sicherheitsgarantien für die Saudis – die angeblich noch umfassender sind als jene, die Trump Katar vor Kurzem gewährt hat.

Nachdem Israel im September mit einem Luftangriff versucht hatte, Hamas-Kommandeure in der katarischen Hauptstadt Doha zu töten, hatte der US-Präsident dem Vermittlerstaat weitreichende Zusicherungen gemacht. Die USA würden Katar, wo sich auch die größte US-Basis der Region befindet, zukünftig gegen jeglichen Angriff verteidigen, und zwar mit allen „rechtmäßigen und angemessenen Maßnahmen – einschließlich diplomatischen, wirtschaftlichen und, falls nötig, militärischen“, so hielt es Trump in einem Dekret fest.

Schon die so formulierte Beistandspflicht für Katar kommt jener innerhalb der Nato sehr nahe. Doch die Saudis sollen laut „Financial Times“ um noch mehr verhandeln. Aus israelischer Sicht gibt es dabei ein strategisches Problem: Ein Frieden zwischen Israel und Saudi-Arabien – ein Hauptziel israelischer Außenpolitik der vergangenen Jahrzehnte – könnte dadurch in noch weitere Ferne rücken.

Das ist paradox: Denn tatsächlich haben Politiker, Strategen und Gelehrte in den vergangenen Jahren immer wieder das Bild einer Nahost-Nato beschworen. Der Hauptgrund: die gemeinsamen Sicherheitsinteressen von Israelis, Amerikanern und Golf-Arabern in ihrem Langzeitkonflikt mit dem Iran. Eine Grundbedingung für eine solche Allianz wäre die Anerkennung Israels durch die westlich orientierten arabischen Staaten, allen voran durch Saudi-Arabien, das als mächtigster Staat der Region und Heimat der Heiligen Stätten von Mekka und Medina eine Führungsrolle in der muslimischen Welt hat.

Die Abraham-Verträge zur Anerkennung Israels, die der jüdische Staat in den vergangenen Jahren mit den Vereinigten Arabischen Emiraten, Bahrain und Marokko geschlossen hat, galten auch als Vorläufer für den großen, alles krönenden Frieden mit den Saudis. Tatsächlich versuchten schon Ex-US-Präsident Joe Biden und vor ihm Trump in seiner ersten Amtszeit einen solchen israelisch-saudischen Frieden zu vermitteln. Doch im Zentrum der Verhandlungen gab es immer zwei Konstanten – einen Anreiz und ein Problem.

Das Problem bestand zum einen aus der Forderung der Saudis, Israel müsse eine Zweistaaten-Lösung mit den Palästinensern realisieren – und zum anderen aus der Weigerung des israelischen Premierministers Benjamin Netanjahu, genau das zuzusagen. Dieses Problem gibt es immer noch und nach den Verwüstungen im Gaza-Krieg können es sich die Saudis sogar noch weniger leisten, in diesem Punkt nachzugeben. Das würde ihre eigene Bevölkerung und weite Teile der muslimischen Welt gegen das Königreich aufbringen.

Und Netanjahu hat eine Zweistaaten-Lösung unter dem Druck seiner rechten Koalitionspartner von der jüdischen Siedlerbewegung gerade erst erneut ausgeschlossen. Vor dem Besuch des Kronprinzen warnte der mit dem Königshaus eng vernetzte saudische Journalist Ali Shehabi in der „New York Times“, ein Frieden in Israel werde bei der Visite sicher nicht verkündet werden. Der F-35-Deal wirft allerdings die Frage auf, ob ein israelisch-saudischer Frieden in absehbarer Zeit überhaupt noch zu erwarten ist.

Trumps Golf-Politik richtet sich nicht nach den Wünschen Jerusalems

Denn der Anreiz zu einem Abraham-Vertrag waren für die Saudis stets amerikanische Belohnungen, wie Trump sie gewähren könnte – nämlich umfassende Sicherheitsgarantien und Kooperation in der zivilen Nukleartechnologie. Der Flugzeug-Deal ist noch nicht das ganze Paket, aber mit der Entscheidung macht Trump deutlich, dass er sich bei seiner Golf-Politik nicht nach den Wünschen Israels richtet. Womöglich will er damit Druck auf Israel ausüben, damit Netanjahu Trumps-Friedensplan in Gaza umsetzt, der ebenfalls Schritte hin zu einer Zweistaaten-Lösung enthält. Doch wenn die Saudis Stück für Stück alles bekommen, was sie schon immer wollten, dann haben sie immer weniger Gründe für einen Vertrag mit Israel.

Wenn man sich mit Personen mit Zugang zum saudischen Hof und Sicherheitsberatern anderer Regierungen am Golf unterhält, dann scheint es, als rechne dort ohnehin kaum mehr jemand fest mit einem saudisch-israelischen Vertrag. Schließlich sei es offenbar ziemlich aussichtslos, einen Kompromiss mit Netanjahu und dessen Koalitionsregierung auszuhandeln – und die Trump-Administration sei schon jetzt sehr kooperativ. Immerhin hätten die USA doch ein Eigeninteresse, ihre Sicherheitskooperationen mit den Golf-Arabern zu stärken – nicht nur wegen der Gefahr einer iranischen Atombombe, sondern auch wegen ihrer Konkurrenz mit China, das mit Nachdruck Einfluss im Nahen Osten sucht.

Zudem ist Trump selbst am Golf sehr engagiert. Sowohl in seiner ersten Amtszeit als auch in der zweiten führte die erste Auslandsreise des Präsidenten nach Saudi-Arabien. Auch als Geschäftsmann ist Trump am Golf umtriebig. Gerade erst hat er einen weiteren Immobiliendeal in der saudischen Wirtschaftsmetropole Djidda ausgehandelt, dieses Mal nach Recherchen der „Financial Times“ im Volumen von einer Milliarde US-Dollar.

Die Perspektive eines Friedens zwischen dem Königreich und dem jüdischen Staat ist damit nicht endgültig vom Tisch. Aber angesichts solcher Beziehungen sind die Saudis immer weniger auf diesen Frieden angewiesen.

Daniel-Dylan Böhmer, Senior Editor im Ressort Außenpolitik, bereist die Länder des Nahen Ostens seit Jahrzehnten. Er befasst sich vor allem mit regionalen und globalen Sicherheitsthemen und wird regelmäßig als Experte in nahöstlichen TV- und Radiosendern befragt.

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