Shabana Mahmood ist auf dem besten Weg, die einflussreichste Politikerin Großbritanniens zu werden – mit Auswirkungen auf das europäische Festland. Die 45-Jährige wurde im September von Premierminister Keir Starmer zur Innenministerin ernannt, um für die Labour-Partei zwei der brisantesten Probleme zu lösen: die illegale Migration über den Ärmelkanal und die hitzig debattierten Standorte von Asylhotels für Migranten ohne Papiere.

Das Ergebnis kam überraschend schnell – und ist die radikalste Überarbeitung der Einwanderungs- und Asylpolitik seit einer Generation. In mehreren Interviews am vergangenen Wochenende verdeutlichte sie ihr Ziel, viel weniger Menschen auf illegalem Wege an die Küsten Großbritanniens gelangen zu lassen. Zudem sollen die Einwanderungsbestimmungen qualifiziertere Bewerber begünstigen.

Mahmood ist ein lebender Widerspruch. Die Labour-Politikerin ist die Tochter pakistanischer Einwanderer, die in der offeneren Einwanderungsära der 1960er-Jahre illegal nach Birmingham kamen. Sie vertritt einen ethnisch gemischten Wahlkreis in Birmingham, aber bei einer Preisverleihung des konservativen Magazins „Spectator“ scherzte sie, es sei „schön, in einem Raum mit Menschen zu sein, die noch rechtsgerichteter sind als ich“.

Sie befürchtet, dass die Überlastung des Asylsystems und die daraus resultierende Wut der Wähler „uns auseinanderbrechen“ werden. Den Erfolg der Partei Reform UK von Nigel Farage, die in Umfragen bei 33 Prozent und damit 15 Prozentpunkte vor der regierenden Labour-Partei liegt, will Mahmood dadurch bremsen, dass Labour das Gewirr von Gesetzen rund um Asyl und Einwanderung radikal durchforstet.

So will sie strenge Regeln einführen, die das Bleiberecht vom Erlernen der englischen Sprache und der Vermeidung von strafrechtlichen Verurteilungen abhängig machen. Das bisherige sogenannte „goldene Ticket“ für Asylsuchende, das ihnen freie Ortswahl und Familiennachzug erlaubte, will Mahmood abschaffen – stattdessen sollen illegal Eingereiste 20 Jahre warten müssen, bevor sie einen Antrag auf dauerhafte Niederlassung stellen können.

Das Thema postkoloniale Schuld scheint Mahmood nicht sonderlich zu beschäftigen – sie gibt offen zu, dass ihre eigene Herkunft sie vor Vorwürfen schützt, sie betreibe Politik mit rassistischen Untertönen. Prompt droht sie nun den drei afrikanischen Ländern Kongo, Namibia und Angola mit einem generellen Visaverbot, sollten sie die Rückführung von Kriminellen und illegalen Einwanderern nicht akzeptieren.

Mit diesem radikalen Ansatz will Starmers Mitte-Links-Regierung den Eindruck der Wähler widerlegen, dass das Asyl- und Einwanderungssystem versagt hat. Für viele Briten sind die unablässig den Ärmelkanal überquerenden Schlauchboote zu einem deutlichen Symbol für das Versagen der Grenzkontrollen geworden – allein in diesem Jahr gelang mehr als 39.000 Menschen auf diesem Weg die Ankunft in Großbritannien.

Mahmood verbindet eine solide sozialdemokratische Labour-Tradition mit einer tief sozial konservativen Ader. Das unterscheidet sie von der linksliberalen Intelligenz, die traditionell den Kern der Labour-Partei bildet und Einwanderungsprobleme eher als marginal betrachtet und herunterzuspielen pflegt.

Die Taktik „alles überall, alles auf einmal“ ist stark von Dänemark beeinflusst, aber auch eine Reaktion auf die verschärften Grenzkontrollen und Zurückweisungen durch die Bundesregierung von Kanzler Friedrich Merz, die die Lage für Großbritannien zusätzlich erschwert haben.

Proteste von Labour-Abgeordneten

Mahmood mag Starmers Forderung nach schnellen Lösungen der Migrationskrise nachgekommen sein. Aber Labour-Abgeordnete protestieren gegen die Härte der von Mahmood vorgeschlagenen Änderungen und verurteilen deren „Grausamkeit“. Der Vorsitzende des Flüchtlingsrats schrieb: „Das sind wir nicht.“

Die Maßnahmen würden jedenfalls eine Neuinterpretation der Artikel der Europäischen Menschenrechtskonvention erfordern. Die Labour-Regierung möchte nicht aus der Konvention austreten, aber eine neue Auslegung des „Rechts auf Familienleben“ und andere Klauseln, die die Abschiebung von Kriminellen oder Personen, deren Visum abgelaufen ist, verzögern können.

Dies könnte nach Ansicht von Lord Sumption, ehemaliger Richter am Obersten Gerichtshof, das Vereinigte Königreich dazu zwingen, sich dem Gericht zu widersetzen – oder sich darauf vorzubereiten, es zu verlassen. Das würde im Wesentlichen einen „zweiten Brexit“ aus den europäischen Institutionen bedeuten, den die Labour-Partei eigentlich unbedingt vermeiden möchte.

Die bevorstehende Parlamentsdebatte wird heftig werden. Diese Gesetzgebung wird fast ein Jahr brauchen, um das Parlament zu passieren, und stützt sich auf Labour-Abgeordnete, die durch den wirtschaftlichen Zickzackkurs erschüttert sind, und auf die Unterstützung von Premier Starmer, dessen Popularität gering ist.

Es ist auch unklar, ob die Botschaft der neuen Härte bei den Schleusern ankommt. Kurzfristig könnte sie sogar zu einem Anstieg der Migrationsströme über den Ärmelkanal und mehr Toten führen, da mehr Menschen verzweifelt versuchen, nach Großbritannien einzureisen, bevor die neuen Regelungen in Kraft treten.

Die „Pull-Faktoren“ zu verringern und Großbritannien für Migranten weniger attraktiv zu machen, wird ein schwieriger und langfristiger Kampf werden. Mahmood ist davon überzeugt, dass der Zusammenhalt und der soziale Frieden im ganzen Land davon abhängen – ebenso wie die Chancen auf eine Wiederwahl der Labour-Regierung. Im Mittelpunkt dieser politischen Debatte der kommenden Monate wird dann mit der neuen Innenministerin eine praktizierende Muslimin stehen, die sich in der Einwanderungsfrage gegen die Rechte stellt und gleichzeitig ihre eigene Mitte-Links-Partei herausfordert.

Anne McElvoy ist leitende Redakteurin bei „Politico“ und Co-Moderatorin des Podcasts „Politics at Sam and Anne’s“

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