„Sie werden ihre Einkäufe wieder aufnehmen“ – So effektiv sind Trumps Öl-Sanktionen wirklich
Die ersten Sanktionen, die US-Präsident Donald Trump in seiner neuen Amtszeit gegen Russland verhängt hat, haben es in sich. Mit den Beschränkungen gegen die staatliche Ölgesellschaft Rosneft und die private Lukoil unterliegen – vorangehende Sanktionsrunden eingeschlossen – 80 Prozent der russischen Ölproduktion nun amerikanischen Strafmaßnahmen.
Lukoil sieht sich jetzt gezwungen, ausländische Aktiva zu verkaufen, darunter drei Raffinerien und etwa 2500 Tankstellen. Die größten Käufer russischen Erdöls – China und Indien – schauen sich aus Angst vor Sekundärsanktionen nach Alternativen um.
Berichten zufolge wollen indische Raffinerien Importe aus Russland zurückfahren, während staatseigene chinesische Ölfirmen vorläufig kein russisches Erdöl mehr kaufen. Tanker mit russischem Erdöl wechseln den Kurs oder verharren auf hoher See.
Der Schlag gegen die russischen Ölfirmen kommt zu einer Zeit, zu der die Einnahmen des russischen Haushalts aus Öl- und Gasförderung rapide sinken. Zwischen Januar und September fielen sie um 25 Prozent – dafür verantwortlich waren niedrige Ölpreise und ein hoher Rubel-Kurs, der die Rubel-Umsätze der Exporteure verringerte, bei gleichbleibender Exportmenge.
Wenn nun auch die Exportmengen fallen sollten, wird es für Wladimir Putin eng. Das ist jedenfalls die Hoffnung der Trump-Regierung, die dem Kreml einen Waffenstillstand in der Ukraine aufzwingen will.
Doch das ist nicht die ganze Geschichte. Die letzten Jahre der Sanktionen gegen den russischen Energiesektor zeigen: Auf den anfänglichen Schock folgt bei den Importeuren rasch die Normalisierung. Die Einnahmen der russischen Energieexporteure sinken zwar genau wie das Steueraufkommen – aber am Ende nicht stark und schlagartig genug, um das russische Regime zu Zugeständnissen zu zwingen oder gar zu destabilisieren. An ein Weiter-so mit russischem Erdöl scheint auch der Markt zu glauben. Nach Trumps Ankündigungen stieg der Ölpreis um nur etwa fünf Dollar.
Das beste Beispiel für die Tendenz der Normalisierung sind die Sanktionen gegen Surgutneftegas und Gazprom Neft, zwei weitere Öl-Großproduzenten, die im Januar noch von der Regierung Joe Bidens verhängt worden waren. Wie der Energiemarkt-Experte der US-Denkfabrik Carnegie, Sergei Vakulenko, anmerkt, konnten die Sanktionen weder das Produktions- noch das Exportvolumen der beiden Firmen reduzieren.
Auf den Schock der Importeure folgte die Anpassung. Derzeit wird Öl der beiden sanktionierten Produzenten über Briefkastenfirmen importiert, teilweise aber auch offen. „Die Erfahrung legt daher nahe, dass Rosneft und Lukoil trotz der US-Beschränkungen weiterhin in ähnlicher Weise werden operieren können“, schreibt Vakulenko.
Neue Schlupflöcher finden sich immer
Ein Vorbote dieser Entwicklung ist im Osten Chinas zu sehen. In der Provinz Shandong wird die Großraffinerie Yulong Petrochemical im November 15 Tanker mit russischem Erdöl empfangen. Laut der Nachrichtenagentur Reuters hat die derzeit von Großbritannien und der EU wegen Verarbeitung russischen Erdöls sanktionierte Raffinerie einen Teil der Importe übernommen, die für Unipec bestimmt waren – den Handelsarm der staatlichen Ölgesellschaft Sinopec.
Sinopec, die über Langzeitverträge hauptsächlich Öl aus dem Nahen Osten, Lateinamerika und Afrika importiert, verzichtete nach Trumps Ankündigung vorerst auf Geschäfte mit Russland.
Den größten Teil des russischen Erdöls importieren nach China ohnehin nicht große Staatsfirmen, sondern sogenannte „teapots“, die etwa auch sanktioniertes Erdöl aus dem Iran kaufen.
Die Risikobereitschaft und Innovationskraft dieser unabhängigen Firmen bei der Umgehung von Sanktionen dürfte weiterhin Importe aus Russland ermöglichen. Die „teapots“ haben laut Reuters derzeit viele freie Kapazitäten, im vergangenen Jahr lag die Auslastung über die Branche gerechnet bei nur 54 Prozent.
Die offene Frage ist, was Indien tun wird. Präsident Trump hat mehrmals behauptet, das Land habe ihm einen Stopp der Ölimporte aus Russland zugesichert. Offiziell hat das die Regierung in Neu-Delhi weder bestätigt noch dementiert. Das indische Wirtschaftsblatt „Mint“ berichtete noch vor der neuen Sanktionsrunde mit Verweis auf anonyme Quellen, das Land könnte die Importe reduzieren.
Im Austausch bekäme es einen Handelsdeal mit der Trump-Regierung. Derzeit gelten für Indien Zölle in Höhe von 50 Prozent, die das Weiße Haus wegen der Öl-Importe aus Russland verhängt hatte.
Vakulenko hält ein anderes Szenario für wahrscheinlich. Wie China sei Indien auf seine Souveränität erpicht: „Es ist möglich, dass große chinesische und indische Raffinerien vorübergehend die Bereitschaft vortäuschen, auf russisches Öl zu verzichten – aber sie werden ihre Einkäufe wieder aufnehmen, sobald Trumps Aufmerksamkeit nachlässt.“ Am Ende könnten die neuen amerikanischen Sanktionen Russland einige Milliarden Dollar pro Jahr kosten, so der Experte. Nicht genug, um Putin zu beeindrucken.
Pavel Lokshin ist Russland-Korrespondent. Im Auftrag von WELT berichtet er seit 2017 über Russland, die Ukraine und den postsowjetischen Raum.
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