„Antimuslimisch“ – TU-Präsidentin Rauch beschwert sich über Vortrag über Islamismus
Die Präsidentin der Technischen Universität (TU) Berlin, Geraldine Rauch, hat sich bei der Studentenvertretung über eine geplante Veranstaltung zum Thema Islamismus beschwert. In der E-Mail an den Allgemeinen Studierendenausschuss (AStA) vom Dienstag, die WELT vorliegt, beklagte Rauch „islamfeindliche Tendenzen“ in einer Broschüre des organisierenden Vereins. Die Veranstaltung, die am Mittwoch im Rahmen der vom AStA organisierten „kritischen Orientierungswochen“ stattfand, trug den Titel „Speak Now: Stimmen gegen Islamismus“.
Man sehe eine Gefahr, „dass antimuslimische Ressentiments propagiert werden“, schrieb Rauch in ihrer Mail an die Studentenvertretung. Neben ihr unterschrieb auch Mohammad Sarhangi, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Zentrum für Antisemitismusforschung, die Nachricht. Weiter heißt es: „Wir möchten ausdrücklich dafür werben, die Veranstaltung, wenn sie denn wirklich stattfindet, eng zu monitoren und bei islamfeindlichen Äußerungen einzuschreiten. Gleichzeitig möchten wir uns klar von der Veranstaltung distanzieren.“
Bei dem Verein, der die Veranstaltung gestaltete, handelt es sich um den kurdisch-jüdischen Frauenverein Pek Koach. Die besagte Broschüre enthält vor allem Stimmen von Vertretern von Gruppen, die selbst Betroffene von Islamismus sind – darunter Jüdinnen, Kurdinnen, Pontosgriechinnen und Assyrerinnen. In dem Dokument werden Antisemitismus, Frauenfeindlichkeit, „Queerfeindlichkeit“ und Hass auf Minderheiten als die Säulen des Islamismus beschrieben.
Für die TU-Führung offenbar Grund zum Anstoß. Es würden „diverse Konflikte zusammengeführt und als unterschiedliche Erscheinungen von demselben ‚Islamismus‘ dargestellt“, kritisierte Rauch. Welche Aussagen sie konkret für „islamfeindlich“ hält, ließ die Universitäts-Präsidentin auf Anfrage von WELT offen. Eine Sprecherin teilte mit: „Die Technische Universität Berlin bekennt sich unmissverständlich zu ihrer Verantwortung: Auf unserem Campus gibt es keinen Platz für Antisemitismus, Rassismus oder andere Formen von Hass und Diskriminierung.“ Angesichts über 50 eingegangener Beschwerden mit Bedenken zur Veranstaltung ‚Speak Now: Stimmen gegen den Islamismus‘ habe man „mehrere Antidiskriminierungsakteur* innen der TU Berlin um ihre Einschätzung der Broschüre und Veranstaltung gebeten“.
Die Universität spricht von einer „einstimmigen Entscheidung“, die „allein die inhaltliche Prüfung der Broschüre“ betroffen habe. „Der AStA wurde auf diese Einschätzung hingewiesen, um sicherzustellen, dass Diskriminierung keinen Raum findet. Zu keinem Zeitpunkt wurde der AStA dazu aufgefordert, die Veranstaltung abzusagen.“
„Es geht um die Stimmen der Betroffenen“
Fatma Keser vom Verein Pek Koach weist die von Rauch erhobenen Vorwürfe zurück. „Die Broschüre versammelt Beiträge von Menschen, die selbst von islamistischer Gewalt betroffen sind. Es geht also um die Stimmen der Betroffenen, nicht um eine pauschale Kritik am Islam.“ Dass die Präsidentin die Vorwürfe einiger Gruppen ungeprüft übernommen habe, ohne mit Pek Koach in Kontakt zu treten, sei bedauerlich.
Keser kritisiert: „Wer den Unterschied zwischen Islam und Islamismus nicht erkennt oder ihn verwischt, trägt dazu bei, Vorurteile gegenüber Muslim:innen zu verstärken, statt ihnen entgegenzuwirken.“ Den Stimmen jüdischer und kurdischer Betroffener von Islamismus auf diese Weise die Legitimität abzusprechen, werde weder der Realität der Betroffenen noch dem Anspruch einer deutschen Universität gerecht.
„TU-Präsidentin findet ihren moralischen Kompass nicht“
Auch die Berliner CDU-Generalsekretärin Ottilie Klein übt scharfe Kritik an Rauch. „Der Islamismus ist eine der größten Gefahren für unsere Demokratie und das friedliche gesellschaftliche Miteinander. Nicht eine Veranstaltung zu Perspektiven von jüdischen und kurdischen Frauen hinsichtlich der Gefahren des Islamismus ist problematisch, sondern Frau Rauchs wiederholte Verharmlosung einer menschenverachtenden Ideologie“, sagte Klein WELT. „Die TU-Präsidentin scheint ihren moralischen Kompass immer noch nicht gefunden zu haben.“
Rauch hatte im vergangenen Jahr für einen Eklat gesorgt, nachdem bekannt wurde, dass sie mehrere antisemitische Online-Beiträge mit „Gefällt mir“ markiert hatte. Sie räumte den Fehler ein, personelle Konsequenzen blieben aus.
Die fordern Vertreter der Berliner Zivilgesellschaft jetzt. Kamil Majchrzak, Organisator der „Mahnwachen gegen Antisemitismus“, legt Rauch einen Rücktritt nahe. „Die TU muss wieder ein Ort der Debatte sein und nicht Verklärung islamistischer Propaganda. Die islamistische Ideologie der Muslimbrüder hat nichts an einer Uni zu suchen“, sagte Majchrzak. Die TU sei unter Präsidentin Rauch zu einem „gefährlichen Ort für Juden geworden“.
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