Schon früh am Morgen versammelte sich eine Handvoll Demonstranten vor dem Gerichtsgebäude in Alexandria im Bundesstaat Virginia vor den Toren Washingtons, um zu protestieren. „Schauprozess“ stand auf ihren Schildern. Zwei Stunden später schritt ein 1,90 Meter großer Mann in schwarzem Anzug und akkuratem Seitenscheitel in das Gebäude: James Comey.

Der ehemalige FBI-Direktor ist an diesem regnerischen Herbsttag hier, weil Donald Trump es so wollte. Der US-Präsident hatte von seiner Justizministerin eine Anklage seiner Erzfeinde gefordert. Eilig schusterte die extra dafür frisch zur Staatsanwältin ernannte ehemalige persönliche Anwältin von Trump, Lindsey Halligan, eine Anklageschrift zusammen – kurz vor der Verjährungsfrist kommende Woche.

Comey ist der erste prominente Gegner Trumps, der sich nun tatsächlich vor Gericht wiederfindet. Damit erreicht die Politisierung der Justiz einen neuen Höhepunkt. Selbst wenn Experten die Anklage aufgrund mangelhafter Beweislage für so konstruiert halten, dass sie noch vor dem anvisierten Prozessbeginn im Januar abgewiesen werden könnte, geht eine erhebliche Signalwirkung von diesem Morgen aus.

Noch vor neun Jahren gehörte Comey zu denjenigen, die Trump mochte. Der damalige FBI-Direktor spielte im Wahlkampf 2016 eine große Rolle und hatte – wie Demokraten sagen – entscheidend zum Sieg von Trump beigetragen. Großes Thema war damals Hillary Clintons Benutzung eines privaten E-Mail-Servers, auf dem sie vertrauliche Kommunikation aufbewahrte, die dann teilweise verloren ging.

Zwei Wochen vor der Wahl machte Comey mit der Ankündigung Schlagzeilen, dass das FBI die Ermittlungen gegen Clinton wieder aufnehmen werde, da neues Material aufgetaucht sei. Eine Nachricht, die einschlug wie eine Bombe. Clintons Vorsprung in den nationalen Umfragen schwand von sechs auf nur noch drei Prozentpunkte.

Trump wusste um den Effekt, als er Comey nach seiner Amtseinführung im Januar 2017 im Weißen Haus begrüßte. „Oh, da ist ja James Comey“, sagte er in einem Raum voller Menschen und bat ihn, vom anderen Ende zu ihm zu kommen. „Er ist berühmter als ich“, sagte er in Anspielung auf die Clinton-Ermittlung. Comey beschrieb die Szene später als „kaum auszuhalten“, schließlich galt der FBI-Direktor bisher immer als unabhängig von der Exekutive.

Doch diese Zuneigung Trumps für Comey hielt nicht lange. Denn schon bald begann das FBI zu ermitteln, inwieweit sich Russland in die Wahl eingemischt hatte. Bei einem Abendessen unter vier Augen soll Trump von Comey Loyalität gefordert haben, was dieser ablehnte. „Sie werden Ehrlichkeit bekommen“, sagte dieser laut einem Memo, das er über den Abend verfasste. Wenig später bat Trump ihn darum, seinen damaligen Sicherheitsberater Mike Flynn vor Ermittlungen im Zusammenhang mit der russischen Wahlkampfeinmischung zu verschonen. Auch das lehnte Comey ab.

Im Mai feuerte Trump den FBI-Chef, was die Einsetzung des Sonderermittlers Robert Mueller nach sich zog, dessen Untersuchung seine gesamte Amtszeit überschattete. Seitdem gehört Comey zur Liste von Trumps Erzfeinden, die all jene umfasst, die sich gegen ihn gestellt hatten. Dazu gehören der demokratische Senator aus Kalifornien, Adam Schiff, der eine führende Rolle beim ersten Amtsenthebungsverfahren spielte und Letitia James. Sie ist Staatsanwältin in New York und hat gegen die Trump Organisation ein Betrugsverfahren gewonnen, wobei eine Strafe von 450 Millionen US-Dollar fällig wurde.

Mitte September forderte der Präsident seine Justizministerin Pam Bondi via Truth Social auf, alle drei anzuklagen. „Sie sind alle schuldig wie sonst was, aber nichts passiert.“ Zuvor war der Staatsanwalt, der James anklagen sollte, zurückgetreten. Die Beweise reichten seiner Meinung nach nicht aus. Trump ernannte darauf seine persönliche Anwältin, Lindsey Halligan.

Sie nahm sich zunächst Comey vor, schließlich drängte hier die Zeit. Das Justizministerium wirft ihm nun vor, bei einer Befragung unter Eid vor dem Justizausschuss des Senats 2020 gelogen und die Justiz behindert zu haben. Das wäre kommende Woche verjährt. Unter Rechtsexperten gelten die Vorwürfe als konstruiert, da sie auf die Äußerungen von Comeys damaligen Stellvertreter Andrew McCabe zurückgehen, der jedoch in der Vergangenheit mit zahlreichen irreführenden Statements aufgefallen ist.

Comey meldete sich vergangene Woche per Instagram-Video zu Wort. „Wir werden nicht auf unseren Knien leben. Und ihr solltet das auch nicht“, sagte er. „Angst ist das Werkzeug eines Tyrannen“, so Comey und bekundete sein Vertrauen in die Fairness der Gerichte. Der Ex-FBI-Chef ist zwar ein prominentes Opfer von Trumps Rachefeldzug und kann sich dagegen wehren. Andere möglicherweise nicht.

Die Feindesliste des Präsidenten umfasst nicht nur Politiker wie Schiff, sondern etwa auch den ehemaligen Mitarbeiter im Heimatschutzministerium, Miles Taylor, der im September 2018 den viel beachteten anonymen Gastbeitrag in der „New York Times“ mit dem Titel „Ich bin Teil des Widerstands innerhalb der Trump-Regierung“ schrieb. Anders als Comey hat so jemand weniger Ressourcen für eine juristische Schlammschlacht. Entsprechend einschüchternd dürfte die Anklage auf all jene wirken, die sich Trump in der Vergangenheit entgegengestellt haben, oder dies etwa zurzeit in Erwägung ziehen.

Die Demokraten werfen Trump eine Instrumentalisierung der Justiz vor. Trump und Bondi betrieben einen „systematischen Missbrauch der Justizbehörden“, um ihre Gegner zu verfolgen, sagte der Senator Dick Durbin bei einer Anhörung der Justizministerin am Dienstag. Damit täten sie genau das, was sie Joe Biden immer vorwarfen.

Ein Argument, das im Weißen Haus ins Gegenteil verkehrt wird. „Warte mal, warte mal“, sagte ein aufgebrachter Peter Navarro am Dienstagabend darauf angesprochen. Der Trump-Berater steht vor dem West Wing und wedelt mit seinem neuen Buch. Es trägt den Titel „Ich bin ins Gefängnis gegangen, damit ihr es nicht müsst“. Das sei Ausweis genug, dass es vielmehr die Demokraten sind, die die Justiz instrumentalisiert hätten. Navarro wurde 2021 zu vier Monaten Haft verurteilt, weil er die Vorladung des Kongresses zur Anhörung über den Sturm auf das Kapitol am 6. Januar desselben Jahres ignorierte.

Auch Trump sieht das so. „Sie wollten mich zweimal des Amtes entheben und haben mich fünfmal wegen nichts angeklagt“, schrieb er auf Truth Social und schob hinterher: „Gerechtigkeit muss hergestellt werden.“ Weitere Anklagen würden folgen, kündigte er wenig später an.

Gregor Schwung berichtet seit 2025 als außenpolitischer Korrespondent über transatlantische Beziehungen, internationale Entwicklungen und geopolitische Umbrüche mit einem besonderen Schwerpunkt auf die Ukraine und die USA.

Haftungsausschluss: Das Urheberrecht dieses Artikels liegt bei seinem ursprünglichen Autor. Der Zweck dieses Artikels besteht in der erneuten Veröffentlichung zu ausschließlich Informationszwecken und stellt keine Anlageberatung dar. Sollten dennoch Verstöße vorliegen, nehmen Sie bitte umgehend Kontakt mit uns auf. Korrektur Oder wir werden Maßnahmen zur Löschung ergreifen. Danke