In diesen Fällen kann der Staat Einbürgerungen zurücknehmen
Wer falsche Angaben im Einbürgerungsprozess macht, kann den deutschen Pass im Nachhinein wieder verlieren – eine Entwicklung, die zunehmend mehr Menschen betrifft. Das geht aus einer Antwort des Bundesinnenministeriums auf eine Anfrage aus der AfD-Fraktion hervor. Die Antwort liegt WELT vor.
Demnach wurden im laufenden Jahr bis einschließlich 11. September 293 Einbürgerungen wirksam zurückgenommen. Im Vorjahr waren insgesamt 232 Menschen betroffen. 2023 hatte die Zahl noch bei 174 gelegen. Möglich ist, dass sich die Zahlen durch Nachmeldungen noch erhöhen.
Das Grundgesetz sieht den Entzug der Staatsangehörigkeit aus historischen Gründen nicht vor – während der Zeit des Nationalsozialismus waren jüdische Staatsangehörige massenhaft ausgebürgert worden. Allerdings gibt es Situationen, in denen man eine Einbürgerung verlieren kann, etwa wenn man im Ausland für eine terroristische Vereinigung kämpft. Unabhängig davon kann die Einbürgerung „zurückgenommen“ werden, wenn sie „durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung oder durch vorsätzlich unrichtige oder unvollständige Angaben“, erschlichen wurde.
In der Vergangenheit verloren zum Beispiel Menschen die deutsche Staatsbürgerschaft, wenn sie falsche Angaben zur Lebensunterhaltssicherung machten, die Voraussetzung für den Erwerb ist. Die Einbürgerung kann auch zurückgenommen werden, wenn Sprachtests gefälscht wurden oder wenn das Bekenntnis zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung nicht aufrichtig war.
Wenn die Behörden zum Beispiel feststellen, dass jemand kurz vor seiner Einbürgerung antisemitische Hasspostings absetzte, droht der Verlust des deutschen Passes. Das Vorgehen betrifft nicht nur Doppelstaatler, die dann ihren Herkunftspass noch haben, sondern auch diejenigen, die nach dem Entzug der deutschen Staatsbürgerschaft staatenlos werden.
Insgesamt stieg die Zahl der Einbürgerungen in den vergangenen Jahren deutlich an, was ein Grund dafür sein könnte, dass auch die Zahl der Rücknahmen steigt. 2022 wurden 168.775 Menschen eingebürgert, 2024 waren es schon 292.020. Die AfD-Fraktion sieht die gestiegene Zahl der Rücknahmen auch als Beleg dafür, dass es zunehmend leichter sei, im Einbürgerungsprozess zu betrügen.
„Die steigenden Zahlen an entzogenen deutschen Staatsbürgerschaften zeigen, dass das von der Ampel geänderte Einbürgerungsrecht Betrügern und Pass-Erschleichern klar in die Karten spielt“, sagt der stellvertretende AfD-Fraktionsvorsitzende Sebastian Münzenmaier WELT. „Deswegen reicht es auch nicht aus, nur die Turboeinbürgerung nach drei Jahren wieder abzuschaffen, wie das die Merz-Regierung plant, sondern wir müssen dafür sorgen, dass Ausländer überhaupt wieder frühestens nach acht Jahren, besser noch nach zehn wie in Großbritannien, den deutschen Pass bekommen können.“
Außerdem müssten die Kontrollen und Auflagen während des Einbürgerungsverfahrens „sehr viel strenger und die Anforderungen an die Bewerber angehoben werden“, so Münzenmaier. „Nach den jüngsten Berichten über massenhafte Betrugsfälle bei den Sprachprüfungen und möglichen Verbindungen zur Organisierten Kriminalität müssen zudem sämtliche Einbürgerungsverfahren überprüft werden, bei denen es nur den Hauch eines Zweifels gibt. Solange das alles nicht passiert ist, braucht es ganz klar einen sofortigen Einbürgerungsstopp.“
„Gesinnung zu prüfen, ist höchst delikate Angelegenheit“
In Deutschland haben Ausländer einen Rechtsanspruch auf Einbürgerung, wenn sie die erforderlichen Kriterien erfüllen. Dazu gehören grundsätzlich ein mindestens fünfjähriger rechtmäßiger Aufenthalt, die Sicherung des Lebensunterhalts, Kenntnisse der Rechts- und Gesellschaftsordnung sowie Deutsch-Kenntnisse. Zudem muss unter anderem das Bekenntnis zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung abgegeben werden. Wer wegen einer schweren Straftat verurteilt wurde, bleibt ausgeschlossen.
Die Behörden können prüfen, ob der Inhalte der Bekenntnisse verstanden wurden, Gesinnungsprüfungen sind indes nicht vorgesehen. „Die Gesinnung zu prüfen, ist in einem liberalen Staat eine höchst delikate Angelegenheit“, sagt Christian Joppke, emeritierter Soziologie-Professor an der Universität Bern, WELT. „Der Staat kann Gesetzestreue und ein Bekenntnis zu den grundlegenden Werten einfordern. Er kann auch Einbürgerungstests durchführen, wenn es dort um die Beantwortung von Wissensfragen geht. Aber was die Person tatsächlich denkt, das hat den liberalen Staat nicht zu interessieren.“
Auch Staatsrechtler sehen ein Spannungsfeld. „Eine wichtige Funktion des Einbürgerungsrechts in einer demokratischen Republik ist es, ein Auseinanderfallen der Gesellschaft zu verhindern. Diejenigen, die dauerhaft den Gesetzen eines Staates unterworfen sind, sollen diese Gesetze auch gestalten können“, sagt der Staatsrechtler Tarik Tabbara von der Hochschule für Wirtschaft und Recht in Berlin. „Die Einbürgerung stellt in dieser Vorstellung den Normalfall einer Migrationsbiografie dar. Demgegenüber steht ein in Deutschland verbreitetes kulturelles Verständnis von Staatsangehörigkeit, nach dem die Einbürgerung die seltene Ausnahme sollte.“
Wenn die Einbürgerung den Normalfall darstellen soll, dann dürften die Anforderungen jedenfalls nicht „zu hoch“ sein, so Tabbara. „Teile der Gesellschaft haben bei der Einbürgerung den idealen deutschen Staatsbürger vor Augen, der immer fleißig ist, keine Straftaten begeht, sich bestens mit den Inhalten der freiheitlich-demokratischen Grundordnung auskennt.“ Dies entspreche aber überhaupt nicht dem Durchschnitts-Deutschen.
Politikredakteurin Ricarda Breyton schreibt seit vielen Jahren über Migrationspolitik.
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