Bundestag entscheidet über Verfassungsrichter
- Bundestag stimmt heute über drei neue Richter am Bundesverfassungsgericht ab – zweiter Anlauf nach gescheiterter Wahl im Juli.
- Zur Wahl stehen Kaufhold (SPD), Emmenegger (SPD) und Spinner (CDU, auf Vorschlag des Gerichts).
- Erforderlich ist eine Zwei-Drittel-Mehrheit sowie die Zustimmung von mehr als der Hälfte der Bundestagsmitglieder.
- Union und SPD sind auf Stimmen von Grünen und Linken angewiesen – AfD ist nicht eingebunden.
- 474 abgegebene Stimmen gelten als rechnerisches Minimum, damit Wahl erfolgreich ist.
Am heutigen Donnerstag steht im Bundestag die Wahl von drei neuen Richterinnen und Richtern für das Bundesverfassungsgericht auf der Tagesordnung. Nachdem ein erster Versuch im Juli gescheitert war, versucht die schwarz-rote Koalition nun im zweiten Anlauf, eine Zwei-Drittel-Mehrheit zu erreichen. Diese ist laut Grundgesetz für die Wahl der Verfassungsrichter erforderlich – und zwingt Union und SPD dazu, Stimmen aus der Opposition zu gewinnen.
Drei Kandidierende stehen zur Wahl
Zur Abstimmung stehen die Rechtswissenschaftlerin Ann-Kathrin Kaufhold (SPD), die Richterin am Bundesverwaltungsgericht, Sigrid Emmenegger (SPD), sowie der Vorsitzende Richter am Bundesarbeitsgericht, Günter Spinner, der vom Bundesverfassungsgericht selbst vorgeschlagen und anschließend von der Union nominiert wurde.
Personalstreit in der Union verzögerte Wahl
Ursprünglich sollte im Juli bereits über die Besetzung entschieden werden, doch der Wahlgang wurde damals kurzfristig abgesagt. Hintergrund war ein interner Konflikt in der Unionsfraktion um die SPD-Kandidatin Frauke Brosius-Gersdorf, die daraufhin ihre Kandidatur zurückzog. Emmenegger wurde anschließend von der SPD nachnominiert.
Geheim und einstufig: Der Ablauf der Wahl
Die Wahl im Bundestag ist geheim – im Gegensatz zu vielen anderen Abstimmungen, die namentlich erfolgen. Das erschwert die Planung für die Koalition, denn Fraktionsführungen können ihre Mitglieder nicht zur Geschlossenheit zwingen.
Die Abstimmung beginnt laut Bundestagsplan um 16:15 Uhr, die Urnen bleiben 120 Minuten geöffnet. Das Ergebnis wird gegen 18:30 Uhr erwartet. Anders als beim letzten Versuch ist diesmal nur ein Wahlgang vorgesehen: Die Abgeordneten erhalten einen einzigen Stimmzettel mit allen drei Kandidatennamen. Für jede Person kann individuell mit "Ja", "Nein" oder "Enthaltung" abgestimmt werden. Unterschiedliche Ergebnisse für die drei Kandidierenden sind somit möglich.
Zwei Hürden für eine erfolgreiche Wahl
Die Wahl zum Verfassungsrichter ist besonders anspruchsvoll: Gewählt ist nur, wer eine doppelte Mehrheit erreicht. Konkret heißt das:
- Zwei Drittel der abgegebenen Stimmen (ohne Enthaltungen),
- und zugleich mindestens die Mehrheit der Mitglieder des Bundestages.
Bei voller Anwesenheit von 630 Abgeordneten wären also mindestens 420 Ja-Stimmen nötig. CDU/CSU, SPD und Grüne bringen zusammen 413 Stimmen ein – es fehlen also mindestens sieben weitere Stimmen, die voraussichtlich von der Linken kommen müssten. Die Linke hat ihren Abgeordneten freigestellt, wie sie abstimmen. Die AfD ist in die parteiübergreifenden Gespräche nicht eingebunden.
Rechnerischer Kipppunkt bei 474 Stimmen
Für die Koalition gilt zudem die Zahl 474 als entscheidende Untergrenze für eine erfolgreiche Wahl: Nur wenn mindestens so viele Stimmen abgegeben werden (ohne Enthaltungen), kann eine Kandidatin oder ein Kandidat überhaupt beide nötigen Quoren erreichen. Zwei Drittel davon – 316 Ja-Stimmen – würden dann zugleich die absolute Mehrheit der Bundestagsmitglieder abdecken. Die Koalition kalkuliert deshalb mit hoher Beteiligung und möglichst wenigen Enthaltungen.
Spahn signalisiert Zustimmung
Nach dem Eklat im Juli hatte sich die Koalition auf einen Neustart verständigt. Der Vorsitzende der Unionsfraktion, Jens Spahn (CDU), stellte nun eine Zustimmung seiner Fraktion für beide SPD-Kandidatinnen in Aussicht. Damit wäre ein Scheitern wie im Sommer unwahrscheinlich – auch wenn bei einer geheimen Abstimmung immer ein Restrisiko bleibt.
MDR (dkn), Reuters, AFP, dpa
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