Elf Jahre: So alt sind Jugendliche im Durchschnitt, wenn sie ihr erstes Smartphone bekommen. Und die Zeit, die sie damit verbringen, ist beträchtlich.

Vor allem Social-Media-Apps erweisen sich für die meisten als regelrechter Zeitfresser. Nur zwei Prozent aller jungen Menschen im Alter von 14 bis 20 Jahren sind selten oder nie in den sozialen Netzwerken unterwegs. Die Mehrheit gibt eine „moderate Nutzungszeit“ von bis zu zwei Stunden (29 Prozent) oder drei bis vier Stunden (42 Prozent) pro Tag an. Und dann sind da noch die Intensivnutzer: 19 Prozent der Jugendlichen sind täglich fünf bis sieben Stunden in sozialen Medien unterwegs, acht Prozent sogar mehr als sieben Stunden – an einem normalen Wochentag.

Das sind Daten, die das Meinungsforschungsinstitut Infratest Dimap für die Vodafone-Stiftung erhoben hat. 1046 deutschsprachige junge Menschen aus besagter Altersgruppe wurden dafür im April und Mai dieses Jahres befragt, die Ergebnisse sind repräsentativ. Wie die Studie „Zwischen Bildschirmzeit und Selbstregulation“ zeigt, schwant diesen Vertretern der Generationen Z und Alpha offenbar selbst, dass die Zeit, die sie auf Instagram, WhatsApp, TikTok, YouTube und Co. verbringen, zumindest zum Teil verschwendet sei.

73 Prozent sagen, dass sie oft oder zumindest gelegentlich das Gefühl hätten, mehr Zeit in den sozialen Medien zu verbringen, als ihnen selbst lieb sei. 56 Prozent würden die digitalen Plattformen eigentlich gern weniger nutzen, schaffen es aber laut eigener Aussage nicht. Gut die Hälfte gibt an, Jugendliche „cool“ zu finden, die soziale Medien nicht nutzen. 50 Prozent haben die Apps nach eigenen Angaben nur, um nichts zu verpassen. Das sind Ergebnisse, die auf eine höchst ambivalente Haltung hinweisen.

Das zeigt sich auch bei der Frage danach, welche Gefühle die Jugendlichen nach der Nutzung von Social Media haben. Die große Mehrheit von 84 Prozent gibt zwar an, häufig oder zumindest gelegentlich Freude zu empfinden, 81 Prozent nennen Neugier, 67 Prozent Entspannung. Aber auch negative oder belastende Gefühle werden thematisiert. Rund ein Drittel der Jugendlichen empfindet der Studie zufolge nach der Social-Media-Nutzung Einsamkeit, Neid und Stress – und jeder Fünfte sogar regelrechte Schuldgefühle.

Auffällig ist, dass die befragten Mädchen und jungen Frauen deutlich häufiger von solchen negativen Emotionen berichten als die männlichen Teilnehmer der Befragung. 44 Prozent der Teilnehmerinnen empfinden demnach Einsamkeit, 40 Prozent Neid, 38 Prozent Stress und 24 Prozent Schuld. Und geschlechterübergreifend haben 61 Prozent das Gefühl, „zu viel Zeit auf Social Media zu verbringen und andere Aufgaben zu vernachlässigen“.

Der Augsburger Jugendforscher Rüdiger Maas fordert daher ein Social-Media-Verbot für Jugendliche unter 16 Jahren. „Je länger wir den Social-Media-Konsum hinauszögern, desto geringer ist auch das Risiko, süchtig zu werden, und umso effizienter gehe ich mit den Medien um. Mit zunehmendem Alter habe ich eine vollkommen andere Fähigkeit zur Selbstkontrolle“, so Maas. Ein 18-Jähriger könne mit Druck aus der eigenen Altersgruppe ganz anders umgehen als etwa ein 14-Jähriger.

In von ihm herausgegebenen Jugendstudien habe sich gezeigt, dass rund die Hälfte der Jugendlichen auch selbst eine Altersbeschränkung von 16 Jahren befürworte, sagt Maas. Das Argument: „Wenn niemand auf Plattformen aktiv ist, habe ich auch nicht das Gefühl, etwas zu verpassen.“

„Jugendliche hinterfragen Social-Media-Nutzung“

Wofür nutzen junge Menschen Social Media? Mit 95 Prozent ist die meistgenannte Antwort: „Zur Unterhaltung.“ 85 Prozent nutzen die Plattformen demnach zum Austausch mit Freunden, 81 Prozent finden dort Inspiration, 66 Prozent nutzen die Plattformen, um selbst kreativ zu sein. Allerdings haben 46 Prozent dort auch schon Ausgrenzung und Ablehnung erlebt. 36 Prozent klagen über belastende Inhalte. 45 Prozent wünschen sich, weniger erreichbar zu sein.

„Für einen relevanten Teil der Jugendlichen bedeutet die Nutzung sozialer Medien digitalen Stress“, heißt es dazu in der Studie. „Faktoren von digitalem Stress sind zum Beispiel Omnipräsenz, Überflutung, Komplexität und Verunsicherung.“

Laut der Erhebung versuchen viele Jugendliche bereits, ihr Verhalten zu steuern: 69 Prozent geben an, Push-Mitteilungen für bestimmte Apps zu deaktivieren; 58 Prozent sagen, sie vermieden soziale Medien während des Lernens. 51 Prozent nutzen den Angaben zufolge den „Nicht stören“-Modus. Fast die Hälfte reflektiert laut der Studie regelmäßig die eigene Nutzung, jeder Zweite hält handyfreie Zeiten am Tag ein. Tools zur Bildschirmzeitüberwachung (34 Prozent) und die temporäre Deinstallation von Apps (30 Prozent) werden seltener genutzt.

Für einige Befragte ist auch das Löschen von Apps eine Option. „Ich habe TikTok schon vor drei Jahren gelöscht“, erzählt etwa die 18-jährige Studentin Paula im Gespräch mit den Studienmachern. „Ich hatte wirklich das Gefühl, die Algorithmen sind darauf ausgelegt, einen süchtig zu machen. Für mich war TikTok deshalb nicht mehr gut.“

Thema der Umfrage waren auch Regelungen zur Handynutzung in der Schule, die derzeit je nach Bundesland unterschiedlich sind. Demnach besucht ein Drittel der Jugendlichen weiterführende Schulen mit generellen Handyverboten. 41 Prozent berichten von klaren Regeln zur Handynutzung, acht Prozent erleben uneinheitliche, lehrerabhängige Regelungen. Nur sieben Prozent berichten von Schulen ohne solche Regeln. Insgesamt werde ein „wachsendes Problembewusstsein“ deutlich, heißt es in der Studie.

So wünschen sich jeweils mehr als 80 Prozent der Jugendlichen Unterrichtseinheiten und Schulprojekte zum Umgang mit sozialen Medien sowie konkrete Tipps zur gesunden Nutzung. Die Frage „Lernst du an deiner Schule, wie man Social Media sinnvoll und verantwortungsvoll nutzt?“ beantwortet lediglich die Hälfte der befragten Jugendlichen positiv. 60 Prozent geben an, ein Handyverbot im Unterricht oder Klassenzimmer sinnvoll zu finden.

„Die Ergebnisse der Jugendstudie verdeutlichen eindrücklich, wie sehr Jugendliche ihre Social-Media-Nutzung hinterfragen und wie stark sie sich dabei nach Orientierung und Unterstützung sehnen“, kommentiert der hessische Bildungs-Staatssekretär Manuel Lösel die Ergebnisse. Hessen habe daher einen Schulversuch mit dem Unterrichtsfach „Digitale Welt“ gestartet, in dem medienbezogene, informatische und gesellschaftliche Inhalte systematisch miteinander verknüpft würden.

Zudem gelten in ganz Hessen „Handy-Schutzzonen“ an Schulen. „Ziel ist es, Ablenkung im Unterricht zu minimieren, das soziale Miteinander im Schulalltag zu stärken und Schülerinnen und Schülern emotionale Entlastung zu ermöglichen“, so Lösel. „Die Studie zeigt, dass viele Jugendliche den ständigen Druck zur Erreichbarkeit als belastend empfinden – ein klarer Hinweis darauf, dass Schule ein geschützter Raum bleiben muss.“

Sabine Menkens berichtet über gesellschafts-, bildungs- und familienpolitische Themen.

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