Politologin Major: "Können uns keinen deutschen Sonderweg erlauben"
Die Sicherheitsexpertin Claudia Major sieht in der Debatte zur Entsendung deutscher Truppen in die Ukraine ein Ausweichmanöver. "Wir verbringen gerade ganz viel Zeit damit, den deutschen Beitrag zu diskutieren – ob zum Beispiel deutsche Soldaten in Polen stationiert werden sollten oder in der Westukraine", sagte die Politologin dem stern. "Ich würde mir wünschen, dass wir mit der gleichen Intensität darüber nachdenken, wie wir diesen Krieg beenden können."
Ultimatum ist abgelaufen
Die aktuelle Debatte wirke "wie eine Übersprungshandlung, von denen wir seit 2022 viele gesehen haben", sagte Major: "Weil wir nicht die Frage beantworten wollen oder können, was wir konkret tun können, damit es überhaupt zu einem Waffenstillstand kommt."
An diesem Donnerstag trifft sich auf Einladung von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron die "Koalition der Willingen" unter den Europäern, um darüber zu beraten, wie man der Ukraine Sicherheitsgarantien geben könnte. Am Treffen sollen unter anderem Nato-Generalsekretär Mark Rutte, der britische Premier Keir Starmer und Friedrich Merz teilnehmen.
Am Dienstag war das zweiwöchige Ultimatum für ein Treffen zwischen dem russischen Präsidenten Wladimir Putin und dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj verstrichen, das Donald Trump nach seinem Treffen mit Selenskyj und einer Delegation von Europäern im Weißen Haus gestellt hatte. Bislang hat sich Trump nicht dazu geäußert.
Major sieht kein Anzeichen für Verhandlungsbereitschaft
"Momentan sehe ich keine Anzeichen, dass sich Putin auf einen Waffenstillstand einlässt oder seine Ziele mit Blick auf die Ukraine und Europa verändert hätte", sagte Major, die als Senior Vice President die Abteilung für Sicherheits- und Verteidigungspolitik beim unabhängigen US-Thinktank German Marshall Fund leitet. Dies "wäre aber die Voraussetzung", um europäische Truppen zur Absicherung eines solchen Waffenstillstands überhaupt zu entsenden.

Auffällig ist, dass in den meisten deutschen Szenarien zu Sicherheitsgarantien, die derzeit in Militärkreisen kursieren, eine Entsendung von deutschen Truppen in die Ukraine nicht vorgesehen ist. Major warnte vor der Vorstellung, Deutschland könne sich in einem solchen Fall heraushalten. "Wenn Friedrich Merz es ernst meint, mit seiner Führungsrolle in Europa, können wir uns keinen deutschen Sonderweg erlauben", sagte sie. Zudem sei es auch im deutschen Interesse, nach einem Waffenstillstand einen weiteren russischen Angriff zu verhindern.

Sicherheitsgarantie EU-Soldaten für die Ukraine? Diese Szenarien sind in Umlauf
Selbst wenn die Bevölkerung einem Bundeswehreinsatz in der Ukraine mehrheitlich skeptisch gegenüber stünde, sei das kein Ausschlusskriterium: "In der Vergangenheit hat sich gezeigt: Wenn die politische Führung hinter den Entscheidungen stand, hat die Bevölkerung diese mitgetragen. Aber es braucht erst mal eine Führung, die diese Entscheidungen trifft", sagte Major. "Das Auftreten vom Bundeskanzler in Washington zu dem Thema in Washington war stark, aber die Kommunikation der Regierung seitdem schlecht."
Umfrage: Das denkt die Mehrheit der Deutschen
Laut einer repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Civey im Auftrag von "web.de" sprechen sich derzeit 51 Prozent der Deutschen gegen die deutsche Beteiligung an einer Friedensmission in der Ukraine aus. Lediglich 36 Prozent der Befragten wären dafür, 13 Prozent sind unentschlossen.

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Bei der Frage der Absicherung eines Waffenstillstands schieben sich die USA und Europa nach Ansicht der Politologin Major gegenseitig die Verantwortung zu: "Die Amerikaner wollen europäische Beiträge sehen, die Europäer eine Zusicherung der Amerikaner, die Schlüsselfähigkeiten bereitzustellen, die den Europäern fehlen, wie Aufklärung, Zielerfassung, Flug- und Raketenabwehr. Und sie wünschen sich eine Zusage, dass im Ernstfall die USA eine europäische Coalition of the willing verteidigen."
Von amerikanischer Seite habe es dafür aber bislang keine Zusage gegeben, sagte Major. Für die Ukraine sei dies ein fatales Signal: "Wie wollen wir den Ukrainern glaubhaft vermitteln, dass wir Verletzungen des Waffenstillstands ahnden und glaubhaft ihre Sicherheit garantieren würden?"
Europa wiederum rede zwar über sogenannte Sicherheitsgarantien, kritisierte Major, meine aber damit nur Ausbildung, Ausrüstung oder kleinere Stationierungen. "Das sind keine Sicherheitsgarantien, wie sie z.B. in der Nato existieren, sondern lediglich Sicherheitsunterstützung", so die Politologin.
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