Mit 200 Einsatzkräften, Ramme und weiteren technischen Geräten ist die Berliner Polizei angerückt, um in das seit langem umkämpfte und verbarrikadierte Haus „Rigaer 94“ der linksextremen Szene zu kommen. Bei dem Großeinsatz in Friedrichshain wurde das teilweise besetzte Haus durchsucht, um die aktuellen Bewohner zu identifizieren, wie die Polizei mitteilte.

Dafür lägen Durchsuchungsbeschlüsse eines Gerichts vor, die der Hausbesitzer beantragt hatte. Die Polizei durchsuchte nach Angaben ihres Sprechers Florian Nath 13 Wohnungen und stellte die Personalien von 26 Menschen fest.

Insgesamt 700 Polizisten im Einsatz - verbarrikadierte Eingänge

Insgesamt waren im ganzen Berliner Stadtgebiet seit Donnerstagmorgen 700 Polizisten im Einsatz, um spontane Sachbeschädigungen oder Brandanschläge von linksextremen Sympathisanten zu verhindern. Um den Gebäudekomplex „Rigaer 94“, der als eine der letzten Hochburgen der linksextremen Szene in Berlin gilt, gibt es seit vielen Jahren Prozesse vor Gerichten und zahlreiche Polizeieinsätze.

Der Altbau, der von außen seit Jahrzehnten bunt bemalt ist, sei doppelt verbarrikadiert gewesen, sagte Sprecher Nath. Hinter dem verschlossenen und verstärkten Eingangstor sei vor dem Hinterhof nachträglich eine zweite massive Tür eingebaut worden, die aufwendig aufgebrochen werden musste. „Es gab weder vorgeschriebene Fluchtwege noch Rettungswege, alles war zu oder verstellt.“

Polizei öffnet Wohnungen und entdeckt Durchbrüche

Auch die Wohnungen im Vorderhaus und im Seitenflügel mussten zum großen Teil gewaltsam geöffnet werden, weil offenbar niemand freiwillig nachgab, so der Sprecher. Technische Spezialkräfte seien dafür im Einsatz gewesen. „Wir mussten aufbrechen, aufflexen und aufspreizen.“

Wände zwischen manchen Wohnungen seien von Bewohnern durchbrochen worden. Im Hof habe die Polizei einen Zaun an einer Mauer wegen Einsturzgefahr zum Teil abgebaut. Auf dem Dach war ein Spezialteam der Polizei mit Höhenkletter-Experten unterwegs. „Das haben wir vorher gecheckt, um nicht von oben angegriffen zu werden.“

13 Menschen in einer Wohnung

Bei früheren Einsätzen hatte die Polizei auch mal Depots mit Pflastersteinen und Feuerlöschern gefunden, so etwas habe es jetzt nicht mehr gegeben, sagte der Sprecher. Auch das vor Jahren entdeckte illegal gegrabene Tunnelstück zu einem Nachbarhaus sei weiterhin zugeschüttet.

Nach dem ersten Eindruck seien die Bewohner von dem Polizeieinsatz überrascht worden. Allein in einer der Wohnungen habe man 13 Menschen angetroffen. Alles sei aber gewaltfrei abgelaufen, sagte der Sprecher. Die Bewohner dürften erst einmal im Haus bleiben.

Der Eigentümer des Hauses habe die Durchsuchungsbeschlüsse für bestimmte Wohnungen erwirkt. Die Polizei sei im Einsatz gewesen, weil die Bewohner den Eigentümer nicht in das Haus ließen und er nicht riskieren könne, persönlich ohne Schutz aufzutauchen.

Die im Haus angetroffenen Menschen, überwiegend aus der linksradikalen Szene, hatten nach Angaben der Polizei verschiedene Nationalitäten. Außer aus Deutschland kamen sie demnach auch aus Polen, Litauen, Italien und Griechenland.

Parallel bewachte die Polizei unter anderem auch das Landgericht und die Büros der Eigentümerfirma des Hauses. Spontane Proteste oder Gewaltausbrüche seien nicht auszuschließen, hieß es. Zunächst sei aber alles ruhig geblieben. Vor einigen Tagen waren Büroräume eines Rechtsanwalts des Hausbesitzers zerstört worden.

Am Abend kam es im Umfeld zu Zwischenfällen: Laut Polizei wurden Einsatzkräfte im Bereich Rigaer Straße/Zellestraße wiederholt vom Dach aus mit Feuerwerk beschossen. Eine unbeteiligte Person sei dabei von einem pyrotechnischen Gegenstand getroffen worden. Sie blieb den Angaben zufolge unverletzt, ihre Kleidung wurde jedoch beschädigt. Ein Aufzug wurde daraufhin angehalten, die Route in Absprache mit der Versammlungsleiterin geändert und die Versammlung gegen 20.40 Uhr im Bereich Bänschstraße/Liebigstraße beendet.

Hausbewohner rufen zum Widerstand auf

Die Bewohner des Hauses riefen vor wenigen Tagen auf ihrer Internetseite zum Protest auf. Es gebe im September mehrere Gerichtstermine, bei denen entschieden werden solle, ob die Räumung von Wohnungen rechtlich möglich sei. Dabei gehe es auch um die offizielle britische Eigentümerfirma. Betont wurde: „Unser Ziel ist es nicht, einen Deal zu machen oder das Haus zu kaufen, sondern die besten Bedingungen für unseren Kampf (...) gegen den Staat, den Kapitalismus und die Unterdrückung zu erreichen.“

Der Eigentümer versucht seit langem, die Bewohner mit Räumungsklagen aus dem Haus zu bekommen, weil sie nach seinen Angaben keine Mietverträge haben. Die Eigentümerfirma kündigte nach Angaben eines Anwalts von 2022 allen Altmietern sowie Bewohnern der 31 Wohnungen.

Darunter waren auch alle Menschen, die bei einer großen Durchsuchung der Polizei im Oktober 2021 angetroffen worden seien. Damals waren eine bis dahin unbekannte Wohnung und das Tunnelstück entdeckt worden.

Frühere Durchsuchungen und Gewaltausbrüche

Zuvor hatten am 16. Juni 2021 vor einer lange angekündigten Brandschutzprüfung im Haus 200 vermummte Gewalttäter in der Rigaer Straße Barrikaden errichtet, angezündet und die Polizei mit einem Steinhagel angegriffen. Die Polizei setzte Wasserwerfer und Räumpanzer ein. Mehr als 60 Polizisten wurden überwiegend leicht verletzt.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier reagierte damals und erklärte: „Die äußerst gewalttätigen Ausschreitungen dagegen sind nicht hinnehmbar und erfordern eine unmissverständliche Antwort des Rechtsstaates.“

Das Haus Nr. 94 ist eines der allerletzten Überbleibsel der vielen von linken und linksradikalen Gruppen besetzten Häusern im Ostteil Berlins in der Wendezeit nach 1989. 1990 und in den Folgejahren wurden zahlreiche Häuser geräumt. Andere wurden legalisiert und die Besetzer erhielten Mietverträge.

Einige Besetzungen überdauerten aber weitere Jahre und endeten erst später. 2011 wurde mit einem Großaufgebot von 2.500 Polizisten ein besetztes Haus in der Rigaer Straße Ecke Liebigstraße geräumt. Ein weiteres besetztes Eckhaus in der Liebigstraße wurde 2020 nach jahrelangem Streit und mehreren Prozessen durch die Polizei geräumt.

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