Auf den Menschenrechts-Report der USA reagiert Berlin heute anders als zu Bidens Zeiten
Als das US-Außenministerium im April 2024 seinen jährlichen Bericht über die globale Lage der Menschenrechte veröffentlichte, kam aus Berlin keine Reaktion. Dabei hatten die Autoren des in der Regierungszeit von Joe Biden verfassten Reports deutliche Kritik an der Situation in Deutschland zusammengetragen.
Es gebe Gewalt gegen Angehörige ethnischer oder religiöser Minderheiten, darunter Muslime. Eine wachsende Zahl antisemitischer Gewalttaten hielt die Studie fest, und auch Gewalt oder Gewaltandrohung gegen lesbische, schwule, bisexuelle, transgender, queere oder intersexuelle Personen.
Der erste Report der neuen Regierung von Donald Trump beklagt ebenfalls den Zuwachs an antisemitischen Vorfällen in Deutschland. Hatte die Ampelkoalition seinerzeit eine Stellungnahme für entbehrlich gehalten, äußert sich die Bundesregierung in diesem Jahr umgehend. „Die Bundesregierung bekämpft Antisemitismus in all seinen Formen“, verteidigte Berlin am Mittwoch die Arbeit der schwarz-roten Koalition.
Noch deutlicher wurde Steffen Meyer, stellvertretender Regierungssprecher, in Hinsicht auf den lautesten Vorwurf aus Washington, die Einschränkung der Meinungsfreiheit in Deutschland sei ein „bedeutendes Menschenrechtsproblem“. Dem entgegnete er, „es findet hier in Deutschland keine Zensur statt“. Vielmehr gelte „ein sehr hohes Maß an Meinungsfreiheit, und das werden wir auch in jeder Form weiter verteidigen.“
Eine so klare Zurückweisung hatte die Bundesregierung bei den Biden-Reports nie geäußert. Dabei hatte der Jahresbericht für 2023 ausführlich Beispiele für Einschränkungen der Presse- und Meinungsfreiheit in Deutschland aufgeführt sowie Beschränkungen an der Ausübung des Versammlungsrechts. Insbesondere die Überwachungsbefugnisse der Polizei wurden kritisch eingestuft. In seinem Bericht für das Jahr 2022 hatte Bidens US-Außenministerium festgestellt, dass neue Maßnahmen in den Augen der Kritiker „die Überwachungsbefugnisse der Polizei effektiv ausweiteten – Befugnisse, die traditionell den Nachrichtendiensten vorbehalten waren“.
Die Rolle von J.D. Vance und Marco Rubio
Die aktuelle Reaktion der Bundesregierung ist zu sehen vor dem Hintergrund fortgesetzter Vorwürfe durch Trumps Vertreter, Berlin schränke die freie Meinungsäußerung ein. Vizepräsident J.D. Vance und Außenminister Marco Rubio übten mehrfach öffentlich harsche Kritik. Rubio, der die Menschenrechtsberichte aktuell verantwortet, bezeichnete die „erwiesen rechtsextremistische“ Einstufung der Alternative für Deutschland durch das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) als eine „verkleidete Tyrannei“. Vance geißelte mehrfach die in seinen Augen bedrohte Meinungsfreiheit in Deutschland und die Zensur konservativer Stimmen. Diese Bedrohung sei größer als die durch Russland, behauptet der konservative Politiker.
Diese Überzeugung spiegelt sich auch in dem neuen Menschenrechtsbericht wider. „Die Menschenrechtslage in Deutschland hat sich im vergangenen Jahr verschlechtert“, lautet gleich der erste Satz. „Zu den bedeutenden Menschenrechtsproblemen gehörten Einschränkungen der Meinungsfreiheit und glaubwürdige Berichte über Straftaten, Gewalt oder Gewaltandrohungen, die durch Antisemitismus motiviert waren.“
Der Begriff LGBTQI+ kommt hingegen, anders als in den Vorjahren, nicht mehr vor. Nach übereinstimmenden Berichten von US-Medien wurden die ersten Entwürfe der Länderberichte, die noch während der Biden-Regierung verfasst wurden, nach Anweisung von Rubios Ministerium umfassend gekürzt und teilweise umgeschrieben.
Deutschland ist nicht das einzige europäische Land, das im Trump-Bericht wegen angeblich eingeschränkter Meinungsfreiheit genannt wird. In Großbritannien etwa gehörten Einschränkungen politischer Äußerungen zu den „besonderen Problembereichen“, wenn diese als „hasserfüllt“ oder „beleidigend“ eingestuft würden. Die Reaktion auf die Anschläge von Southport im vergangenen Jahr sei ein „besonders schwerwiegendes Beispiel für staatliche Zensur“ gewesen, hieß es weiter. „Die Zensur gewöhnlicher Briten werde zunehmend zur Routine und richte sich oft gegen politische Äußerungen.“ Ähnliche Kritik wirft auch der Länderbericht zu Frankreich auf.
El Salvador plötzlich ohne Beanstandung
Länder wie El Salvador, für welches das US-Außenministerium in den Vorjahren schwere Menschenrechtsverstöße feststellte, kommen in diesem Jahr hingegen gut weg. „Es gab keine glaubwürdigen Berichte über schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen“, heißt es im Bericht zu 2024. El Salvador ist ein enger Partner der Trump-Regierung bei der Rücknahme von illegalen Migranten, die in den USA wegen schwerer Verbrechen verhaftet und in das mittelamerikanische Land abgeschoben werden. Trump lud Präsident Nayib Bukele neben wenigen anderen Staatenlenkern zu seiner Amtseinführung im US-Kapitol ein.
Die Reports wurden viele Jahre gemeinsam von den jeweiligen US-Botschaften und dem Bureau of Democracy, Human Rights, and Labor (DRL) erarbeitet. Das DRL wurde gleich nach Trumps Amtsantritt im Januar radikal zusammengekürzt und umstrukturiert. Viele Mitarbeiter wurden entlassen. Dass der diesjährige Bericht zu Deutschland nur 17 statt wie bisher bis zu 50 Seiten hat, gibt davon Zeugnis.
„Die Trump-Regierung hat sich definitiv von der bisherigen Sprache in Bezug auf Menschenrechte und eine wertebasierte Außenpolitik entfernt. Das war bisher eine Art Leitmotiv vieler Regierungen in Washington. Präsident Trump und seine Regierung legen mehr Wert auf Realpolitik und den Schutz amerikanischer Interessen“, sagt Sudha David-Wilp, Expertin des German Marshall Fund für deutsch-amerikanische Beziehungen.
Nicht alle Vertreter der Bundesregierung wehrten die jüngste Kritik aus Washington kategorisch ab. Unionsfraktionschef Jens Spahn warnte im WELT-Interview vor der Tabuisierung bestimmter Themen: „Wir müssen es auch wieder üben, die Debattenräume weit zu machen, dass wir bestimmte Debatten gar nicht anfangen zu tabuisieren.“ Dies habe man beim Thema irreguläre Migration lange erlebt.
Der CDU-Politiker betonte: „Wenn wir solche Debatten, gerade bei Migration und Integration, aber auch bei anderen Themen tabuisieren, dann entsteht der Eindruck, man könne nicht mehr sagen, was man denke. Das ist nicht gut in einer pluralen Gesellschaft.“
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