• Mittelstand beklagt Wettbewerbsnachteile und hohe Zahl der Insolvenzen.
  • Chemiebranche kritisiert Bürokratie und Lieferkettengesetz.
  • Handwerk und Dienstleister pochen auf Stromsteuersenkung.
  • Handel: Energiekosten und Sozialabgaben zu hoch.

Bundeskanzler Friedrich Merz hat versprochen, der lahmenden deutschen Wirtschaft wieder auf die Beine zu helfen. Langfristig versprach der Kanzler ein Wirtschaftswachstum von jährlich zwei Prozent.

Verhaltenes Lob von der Industrie

Die ersten Monate klangen dann auch vollmundig: Investitionsbooster, Bürokratieabbau, Strompreissenkung. Die Deutsche Industrie betrachte die bisherige Arbeit des Kanzlers mit Wohlwollen. Ein Sprecher vom Industrieverband BDI sagte MDR AKTUELL, mehr wolle man aber vorerst nicht bilanzieren.

Mittelstand: Wettbewerbsfähigkeit schwindet

Doch aus Sicht der kleinen und mittelständischen Betriebe gibt es für die ersten 100 Tage nur die Gelbe Karte, sagt Hans-Jürgen Völz, Chefvolkswirt beim Mittelstandsverband BVMW. Demnach schwindet "Deutschlands Wettbewerbsfähigkeit auch 100 Tage nach der Regierungsübernahme weiter". Die Zahl der Unternehmensinsolvenzen steige.

Als dringendste Handlungsfelder sieht Völz Bürokratieabbau sowie die anhaltende  Belastung durch hohe Energie- und Arbeitskosten. Der Mittelstandsverband BVMW warnt: "Wenn sich Kanzler Merz nicht an die Versprechen im Koalitionsvertrag hält, dann entsteht Unsicherheit und das trägt nicht dazu bei, dass Unternehmen investieren."

Chemieindustrie: Noch kein großer Wurf

Gemischt fällt die Bilanz aus Sicht der Betriebe der Chemischen Industrie aus. Ein Merz alleine mache noch keinen Sommer, sagt Wolfgang Große Entrup, der Hauptgeschäftsführer vom Bundesverband der Chemischen Industrie: "Maßnahmen wie die ersten Senkungen bei den Energiekosten, das Steuerpaket und das CO2-Management, ja, das sind gute, das sind wichtige Lichtblicke, aber es liegen noch gewaltige Steine im Weg." Entrup sieht beim "Bürokratieabbau leider im Moment noch keine Spur und das Lieferkettengesetz existiert weiter."

Handwerk und Dienstleister: Wo bleibt die Stromsteuersenkung?

Versprochene Maßnahmen gegen Bürokratie vermissen auch die Handwerker. Der Zentralverband verweist zum Beispiel auf die anhaltende Bonpflicht, obwohl sie laut Koalitionsvertrag abgeschafft werden soll. Das würde kein Geld kosten, kritisiert Verbandspräsident Jörg Dittrich, der im Hauptjob selbst eine Dachdeckerfirma betreibt. Da erlebe er jeden Tag Frust und Unsicherheit in den Handwerksbetrieben.

Dittrich spricht von "massiver Enttäuschungen bei der Stromsteuersenkung". Es sei  unverständlich, wieso das im Koalitionsvertrag stehe, im Sofortprogramm, "und dann stellt man fest, dass es nicht finanzierbar ist". Dort müsse nachgesteuert werden.

Das betreffe ganz konkret etwa das Textilreinigerhandwerk – "die die ganze Wäsche für die Krankenhäuser reinigen, die nicht davon profitieren und die massiv unter Druck stehen, was den Strompreis angeht".

Handel: Energiekosten und Sozialabgaben zu hoch

Auch im Handel hält sich die Begeisterung über die ersten 100 Tage Amtszeit von Kanzler Merz in Grenzen. Durch Merz werde Deutschland zwar wieder in der Weltpolitik wahrgenommen. Im Binnenmarkt aber sei der Funken noch nicht übergesprungen.

Stefan Genth, der Hauptgeschäftsführer vom Handelsverband Deutschland sagte MDR AKTUELL: "Wir rechnen dieses Jahr nur mit einem Umsatzwachstum von 0,5 Prozent. Das heißt der Binnenmarkt, der private Konsum, ist leider noch nicht angesprungen."

Zwar habe die neue Bundesregierung die drängenden Probleme richtig erkannt, aber in diesen ersten 100 Tagen diese Maßnahmen noch nicht konkret umgesetzt. Genth mahnt: "Deswegen setzen wir darauf, dass die Bundesregierung diese strukturellen Themen jetzt angeht und lösen wird." Dazu gehörten unter anderem eine Stromsteuersenkung auch für die Handelsbetriebe oder die Senkung der viel zu hohen Sozialabgaben sowie Schritte gegen den unfairen Wettbewerb mit Online-Plattformen aus Drittstaaten.

MDR(ans)

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