Der stern zeigt auf seinem aktuellen Cover ein krankes Kind aus Gaza. Dafür bekommt er viel Kritik. Hier erklären wir, warum die Vorwürfe unseres Erachtens unberechtigt sind.

Wenige Themen polarisieren so wie der Nahostkonflikt. Das war schon immer so. Aber selten war die Debatte so hitzig wie in den vergangenen knapp zwei Jahren. Die Terrorattacke der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 hat die Welt – und auch uns – erschüttert. Und dafür gibt es auch keine Rechtfertigung und keine Relativierung.  

Dass Israel das Recht hat sich zu verteidigen – auch das ist für uns unstrittig. Was allerdings zusehends strittig ist, ist das, was Israel unter seinem Recht auf Selbstverteidigung versteht. Große Teile des Gazastreifens sind zerstört, unzähligen Menschen fehlt es am Nötigsten. Auf die Terrorkatastrophe in Israel folgte die humanitäre Katastrophe im Gazastreifen. 

Das ist die Lage.  

Und das ist der Hintergrund, vor dem sich der stern zu seiner aktuellen Titelgeschichte entschieden hat. "Schauen wir hin!" steht in großen Buchstaben auf dem Cover. Zu sehen ist eine Mutter, die ein erkennbar unterernährtes Kind in den Armen hält.  

Kaum ein Krieg kommt ohne Propaganda aus, auch nicht der Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern. Weil die Lage im Gazastreifen so prekär ist, gibt es auch viele Fotos, die das Leid der Menschen zeigen. Eine Aufnahme erlangte in den vergangenen Tagen besondere Berühmtheit. 

Muhammad in den Armen seiner Mutter. Gemeinsam leben sie in einem Zelt in Gaza-Stadt. Im Begleittext zu dem Bild wird darauf hingewiesen, dass das stark mangelernährte Kind an einer Entwicklungsstörung leidet  © Anadolu / Getty Images

Das Kind darauf ähnelt dem Kind auf dem stern-Titelfoto. Aber – und das ist wichtig: Es ist nicht dasselbe.  

Warum das entscheidend ist? Das Bild, das in den vergangenen Tagen weltweit für Schlagzeilen sorgte, zeigt Muhammad Zakariya Ayyoub al-Matuk. Muhammad sieht ausgemergelt aus. 
 
Streng genommen ist aber unklar, ob das an beziehungsweise allein an der Hungerkrise in Gaza liegt. Denn Recherchen diverser Medien haben in den vergangenen Tagen ergeben, dass Muhammad seit seiner Geburt an einer Behinderung leidet, die vermutlich genetisch bedingt ist. Viele Medien, darunter auch die "New York Times", verbreiteten das Bild zunächst allerdings im Zusammenhang mit der humanitären Katastrophe weiter. Denn als das Foto verbreitet wurde, fehlten die Informationen über die Behinderung Muhammads.

Vorwürfe der "Bild-Zeitung" zur Gaza-Berichterstattung des stern

Die "Bild-Zeitung" berichtete am Donnerstag darüber und warf den Medien vor, Opfer von Propaganda geworden zu sein. Ausdrücklich nannte die "Bild-Zeitung" dabei auch den stern und sein aktuelles Titelbild. Viel Kritik gibt es auch von Usern in den sozialen Medien. 

Das Cover des aktuellen stern © stern

Der Junge auf dem stern-Cover ist laut der türkischen Nachrichtenagentur Anadolu, die das Bild des Fotografen Ali Jadallah über die Fotoagentur Getty Images verbreitete, allerdings der zweijährige Palästinenser Yezen (manchmal auch Yazan geschrieben) Abu Ful. Anadolu beschreibt das Bild wie folgt: "Das Bild zeigt den zweijährigen Palästinenser Yezen, dessen Gesundheitszustand sich aufgrund des fehlenden Zugangs zu Nahrungsmitteln und Nahrungsergänzungsmitteln verschlechtert hat, am 24. Juli 2025 mit seiner Mutter im Al-Shati-Flüchtlingslager im Gazastreifen. Die durch israelische Angriffe verursachte Nahrungsmittelknappheit und die sich verschärfende humanitäre Krise bedrohen das Leben des zweijährigen Yezen Abu Ful. Die Familie Abu Ful lebt unter harten Bedingungen im Al-Shati-Flüchtlingslager im Westen von Gaza-Stadt und hat einen Hilferuf für ihr Kind veröffentlicht, das in Not ist."

Wenn einem vorgeworfen wird, man habe ein Bild auf dem Cover benutzt, aber man dieses nicht benutzt hat, dann ist der Vorwurf unzutreffend. Auf Hinweis von uns hat die "Bild-Zeitung" einen Transparenzhinweis unter ihrem Text veröffentlicht: "In einer früheren Version des Artikels schrieben wir, dass der 'Stern' das Foto des erkrankten Muhammad auf seiner Titelseite gedruckt hat. Richtig ist aber, dass der 'Stern' ein Foto des behinderten Jungen im Heft gedruckt hat – als wichtigstes Foto der Titelgeschichte über den Hunger in Gaza. Wir haben den Fehler korrigiert und bitten, diesen zu entschuldigen.“ 

Man könnte auch sagen: Die "Bild-Zeitung" nimmt einen großen Vorwurf zurück, erhebt aber sofort einen weiteren, wenn auch kleineren. Doch auch gegen diesen Vorwurf wehren wir uns. Richtig ist, dass wir das Foto für die Titelgeschichte selbst verwendet haben (bei Print und im Digitalen).  

In seiner aktuellen Ausgabe zeigt der stern ein Foto des kleinen Muhammad in den Armen seiner Mutter. Gemeinsam leben sie in einem Zelt in Gaza-Stadt. Im Begleittext zu dem Bild wird darauf hingewiesen, dass das stark mangelernährte Kind an einer Entwicklungsstörung leidet  © Ahmed Jihad Ibrahim Al-arini/Anadolu/ddp images/stern

Entscheidend ist der Kontext der Geschichte in der "Bild-Zeitung". Sie zitiert darin den Investigativ-Journalisten David Collier, "der die wahre Geschichte Muhammads zuerst aufdeckte", und seinen Vorwurf, dass kein einziges der Medien, die das Foto von Mohammend reproduziert hätten, die Krankheit des Kindes erwähnt habe. Sie hätten sogar wichtige Hinweise oder Kontext ignoriert – etwa, warum Muhammads Mutter Hedaya oder sein älterer Bruder Joud (3) nicht so unterernährt aussehen. 

Essay Es muss aufhören! JETZT!

Dieser Vorwurf ist im Falle des stern allerdings falsch. Wir haben zu diesem Bild den Kontext hergestellt, dass Muhammad an einer Vorerkrankung leidet. Die Bildunterschrift zu dem Foto im stern und auf stern.de lautet: "Muhammad ist 18 Monate alt, nur noch Haut und Knochen, sechs Kilogramm leicht. Statt einer Windel trägt er eine Plastiktüte. Die Physiotherapie, die der Kleine gegen seine Entwicklungsstörung erhielt, kann nicht mehr stattfinden. Mutter Hedaya, 31, hat keine Babynahrung, lebt mit ihrem schwer unterernährten Sohn in einem Zelt in Gaza-Stadt, das Fotograf Ahmed al-Arini an ein Grab erinnerte. Muhammad ist nur eines von Tausenden palästinensischen Kindern, die dieses Schicksal teilen – ein Gesicht dieses Krieges, dessen Ende er vielleicht nicht mehr miterleben wird"

Das in der "Bild-Zeitung" kritisierte Foto hat der stern in der vergangenen Woche für einen Artikel auf stern.de verwendet. Dort beschreibt eine stern-Kollegin, was die Bilder aus Gaza bei ihr als Mutter auslösen. Veröffentlicht wurde der Artikel am 24. Juli. Die türkische Nachrichtenagentur Anadolu hatte das Foto am 21. Juli verbreitet. 

Humanitäre Katastrophe Es ändert nichts, wenn eine deutsche Mutter um ein Kind in Gaza weint

Erst nach dem 24. Juli haben mehrere Medien, unter anderem die "New York Times", über die Vorerkrankungen von Muhammad berichtet. Deshalb haben wir die Informationen über eine Entwicklungsstörung inzwischen in der Bildunterschrift ergänzt. Um unseren Leserinnen und Lesern mehr Kontext zu dem Foto zu geben, steht dort ein Transparenzhinweis: Seit Veröffentlichung dieses Bildes durch die türkische Nachrichtenagentur Anadolu am 21. Juli haben mehrere Medien, unter anderem die New York Times, über Vorerkrankungen des Kindes auf dem Foto berichtet. Wir haben die Informationen über eine Entwicklungsstörung, die zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des Textes am 24. Juli noch nicht bekannt waren, in der Bildunterschrift ergänzt, um unseren Leserinnen und Lesern mehr Kontext zu dem Foto zu geben.  

Heißt das, dass wir immer alles richtig machen? Nein, selbstverständlich nicht. Beim stern arbeiten Menschen. Und denen passieren trotz aller Sorgfaltspflichten auch Fehler. Wenn uns diese passieren, stehen wir dazu und machen sie transparent. In dem hier beschriebenen Fall sind wir uns aber keiner Fehler bewusst und wehren uns gegen Vorwürfe, die nicht zutreffen.  

  • Gaza
  • Flüchtlingslager

Haftungsausschluss: Das Urheberrecht dieses Artikels liegt bei seinem ursprünglichen Autor. Der Zweck dieses Artikels besteht in der erneuten Veröffentlichung zu ausschließlich Informationszwecken und stellt keine Anlageberatung dar. Sollten dennoch Verstöße vorliegen, nehmen Sie bitte umgehend Kontakt mit uns auf. Korrektur Oder wir werden Maßnahmen zur Löschung ergreifen. Danke