Streit um Kirchenasyl – Hamburgs Bürgermeister schreibt Brandbrief an Berliner Amtskollegen
Zwischen den Landesregierungen von Hamburg und Berlin ist ein Streit über Asylvollzug und Kirchenasyl entbrannt. In einem scharf formulierten Schreiben erhebt Hamburgs Erster Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) Vorwürfe gegen seinen Berliner Amtskollegen Kai Wegner (CDU). Darüber berichtet die „Berliner Zeitung“, der ein Brief von Tschentscher vom 15. Juli vorliegt.
Die Echtheit und der Versand wurden der Zeitung von der Hamburger Senatskanzlei bestätigt. In dem Brief fordert Tschentscher die Überstellung von vier Personen aus dem Berliner Kirchenasyl nach Hamburg, da die Hansestadt für deren Rückführung nach Schweden zuständig sei. Hintergrund ist die sogenannte Dublin-Verordnung, nach der Asylsuchende in dem EU-Land ihr Verfahren durchlaufen sollen, in dem sie erstmals registriert wurden.
Nach Informationen der „Berliner Zeitung“ handelt es sich bei den betroffenen Personen um afghanische Staatsbürger, die derzeit in einer evangelischen Gemeinde in Berlin-Steglitz untergebracht seien. Der dortige Pfarrer spricht von drei Personen, für die Hamburg zuständig sei. Es handle sich um überzeugte konvertierte Christen, denen bei einer Rückkehr nach Afghanistan „unmittelbare Gefahr an Leib und Leben“ drohe.
Tschentscher: „Nicht hinnehmbar“
Tschentscher kritisiert in seinem Schreiben einen „systematischen Missbrauch des Kirchenasyls“. Das Kirchenasyl sei für Härtefälle gedacht, werde aber zunehmend genutzt, um vollziehbare Rückführungen zu verhindern.
„Die Missachtung gerichtlicher Beschlüsse durch staatliche Stellen ist ein schwerer Schlag gegen den Rechtsstaat“, heißt es in dem Schreiben. „Das Zusammenwirken von Kirchengemeinden und Berliner Polizei verhindert in diesem Fall den Vollzug von Recht und Gesetz.“ Für die betroffenen Personen habe das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) die eingereichten Härtefalldossiers geprüft und abgelehnt. Zudem lägen Durchsuchungsbeschlüsse des Amtsgerichts Tiergarten für die Überstellung vor.
Für das Kirchenasyl haben Vertreter der katholischen und evangelischen Kirchen und das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge 2015 eine Vereinbarung getroffen. Sie sieht vor, dass in besonderen Härtefällen der Asylantrag erneut geprüft wird. Die Kirchen legen dem Bundesamt dazu ein Dossier vor, das den Härtefall ausführlich begründet.
Hamburg hatte bei der Berliner Polizei Amtshilfe für eine geplante Überstellung am 3. Juli beantragt. Laut Tschentscher wurde diese abgelehnt – mit Verweis auf eine „politische Weisungslage“. Was genau damit gemeint ist, wollte die Berliner Senatskanzlei nicht erklären.
Tschentscher verweist in seinem Brief darauf, dass in zwei Fällen die Überstellungsfrist abgelaufen sei. In diesen Fällen sei nun Deutschland für das Asylverfahren zuständig. Für die übrigen Fälle fordert der Hamburger Regierungschef eine Änderung der „Praxis der Berliner Polizei bzw. der zugrundeliegenden politischen Weisungslage“ und Unterstützung für die Hamburger Behörden.
Innenverwaltung: „Wir brechen kein Kirchenasyl“
Die Sprecherin der Berliner Innenverwaltung, Sabine Beikler, bestätigte den Fall auf Anfrage der „Berliner Zeitung“. Zwar sei bislang kein offizielles Schreiben aus Hamburg eingegangen, das Thema sei jedoch bekannt. „Wir brechen kein Kirchenasyl“, sagte Beikler. Das habe man den Hamburger Behörden sehr deutlich kommuniziert.
Bislang gilt die Regel, dass Deutschland für ein Asylverfahren eines Flüchtlings zuständig wird, wenn dieser sechs Monate lang nicht in das für ihn zuständige EU-Land, in dem er zuerst den Boden der Europäischen Union betreten hat, abgeschoben werden kann.
Zuletzt sind die Fälle von Kirchenasyl stark gestiegen. Laut Bamf meldeten die evangelischen, katholischen und freien Gemeinden im ersten Quartal 2025 insgesamt 617 Fälle. Im selben Zeitraum 2024 waren es demnach 604 Fälle. 2024 seien es insgesamt 2386 Fälle gewesen.
Politisch gibt es um das Kirchenasyl schon lange einen Streit. Zuletzt war Ex-Staatssekretär Christian Lange (SPD) aus Protest aus der Kirche ausgetreten.
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