„Wie wir die Intifada globalisieren“ – Israelhass und Klassenkampf an der FU Berlin
Ein Dienstagnachmittag im Juli. Im Raum „GalileA“ über der Mensa der Freien Universität Berlin hängen Palästina-Flaggen und marxistische Parolen. Der Titel der Veranstaltung: „Wie wir die Intifada globalisieren“. Was sich hier abspielt, ist keine akademische Debatte. Es ist ein Tribunal gegen Israel, flankiert von Applaus für Holocaust-Vergleiche, Antisemitismus im Klassenkampf-Gewand und dem Versuch, jüdische Solidarität lächerlich zu machen. Veranstalter: die marxistische Hochschulgruppe „Waffen der Kritik“. Unterstützt vom AStA der Freien Universität Berlin.
Wer an diesem Nachmittag das studentische Zentrum betritt, merkt schnell: Andersdenkende oder Medienvertreter sind hier nicht erwünscht. Bild- und Tonaufnahmen sind strikt untersagt; Reporter werden angewiesen, die Handys stecken zu lassen. Caro Vargas, Moderatorin des Abends, Mitglied der Hochschulgruppe „Waffen der Kritik“ und AStA-Referentin, wünscht sich einen „respektvollen Raum“ – und kündigt rechtliche Schritte gegen jegliche Aufzeichnung an.
Ordner in orangen Warnwesten patrouillieren durch die Stuhlreihen. Immer wieder werden Gäste ermahnt, weil sie angeblich gefilmt haben. Zwei Frauen, sichtbar israelsolidarisch, geraten ins Visier. Sie tragen Broschen mit der israelischen Flagge und blau-weiße Handyhüllen. Die Stimmung kippt, es wird laut, einige fordern ihren Abgang. Später berichten die beiden, sie hätten ein Foto löschen müssen, das vor dem Veranstaltungsbeginn entstanden war.
Während der Veranstaltung rückt kurzzeitig sogar die Polizei an. Um im Falle von Störungen eingreifen zu können, so die Erklärung. So weit kommt es aber nicht, herrscht im Raum doch eindeutig das Gefühl vor, dass hier niemand diskutieren will. Vielmehr wird sich abgeschottet: gegen Kritik, gegen Presse, gegen jegliche Form von Widerspruch.
Auf dem Podium sitzen eine Frau und ein Mann. Elaine Toszka, Studentin der FU und Aktivistin der Gruppe „Waffen der Kritik“, hat auf dem abgewetzten Sofa Platz genommen. Neben ihr der palästinensische Aktivist und Hafenarbeiter Mohammed Allatar, angereist aus Hamburg. Zugeschaltet aus Argentinien ist Luca Bonfante, Aktivist der „Partei der sozialistischen Arbeiter“ (PTS), einer trotzkistischen Organisation, die weltweit für Klassenkampf und Palästina-Solidarität mobilisiert. Bonfante war nach eigener Aussage Teilnehmer des „Global March to Gaza“, einem internationalen Protestmarsch, der sich gegen die israelische Blockade des Gazastreifens richtete und der auf dem Weg von Ägypten zur Grenze von Gaza Mitte Juni gewaltsam gestoppt wurde.
Den Auftakt übernimmt Moderatorin Caro Vargas. Ihr erster Satz: „In Gaza findet ein Genozid statt.“ Es ist keine Einladung zur Debatte. Es ist der ideologische Ton des Abends.
Dann spricht Bonfante. Er redet von der „zionistischen imperialistischen Übermacht Israel“, von der Notwendigkeit einer „klassenunabhängigen Palästina-Solidarität“ und einem globalen Kampf gegen Besatzung und Kapital. Sein Vorbild: der Enkel von Nelson Mandela, den er beim Marsch nach Gaza getroffen habe. Auch der sei Antikolonialist, Antiimperialist – und, wie Bonfante, Gegner Israels.
Mohammed Allatar, der Hafenarbeiter, ist Palästinenser mit Wurzeln im Gazastreifen. Er spricht laut, kämpferisch, aufgeladen. Der Schmerz über das Leid seiner Familie ist spürbar – sein Bruder sei bei einem Angriff getötet worden, erzählt er. Insgesamt 80 Angehörige habe er verloren, 130 Freunde. In seiner Stimme schwingt Wut mit. „An die Zionisten, ob sie anwesend sind oder nicht: Ihr seid ekelhaft!“, ruft er mit Blick auf die israelsolidarischen Frauen. Applaus brandet auf.
Immer wieder zieht Allatar Parallelen zwischen der Shoah und dem Gaza-Krieg: „Was ist der Unterschied zwischen den Juden vor 80 Jahren und den Palästinensern heute? Beide erleben Gewalt, beide müssen ihr Leben rechtfertigen.“ Dass er damit den Holocaust relativiert, bei dem Millionen von Menschen systematisch ermordet wurden, scheint ihm nicht bewusst zu sein. Oder es ist ihm gleichgültig. „Diese Psychopathen!“, ruft er immer wieder, wenn er von IDF-Soldaten und den „Zionisten“ spricht.
Irgendwann setzt sich Allatar dann demonstrativ zwischen die beiden israelsolidarischen Frauen. Verschränkte Arme, Victory-Zeichen. Die Organisatoren der Veranstaltung machen ein Foto, Allatar lächelt. Die Frauen bleiben trotz der feindseligen Stimmung ruhig.
Universität vor Gericht
Die letzte Rednerin des Abends ist Elaine Toszka. Sie wirkt neben dem aufgeladenen Allatar beinahe nüchtern. In schwarzem Top, Apple Watch am Handgelenk, referiert sie über die Notwendigkeit, Universitäten politisch zu begreifen. „Versammlungen sind ein wichtiges Instrument“, sagt sie, „wir müssen Räume zurückerobern.“ In ihrer Argumentation verschwimmen Universität, Klassenkampf und Palästina-Solidarität zu einem großen Ganzen.
Toszka fordert die Politisierung der Hochschule, eine Entkoppelung von Wissenschaft und staatlicher Loyalität. Die Unterstützung Israels sei Teil ebenjener „bürgerlichen Ordnung“, gegen die es sich zu stellen gelte. Wer widerspricht, gehöre nicht mehr zum „respektvollen Raum“.
Wie steht die Universität selbst zu der Veranstaltung? Erst am Dienstagmorgen – demselben Tag also – musste sich die Freie Universität Berlin vor Gericht noch gegen Vorwürfe wehren, jüdische Studenten nicht ausreichend gegen Antisemitismus zu schützen. Auf Anfrage verweist sie nun auf die studentische Selbstverwaltung. Eingriffe in die Nutzung dieser Räume seien „nur in eng begrenzten Ausnahmefällen rechtlich möglich – etwa wenn konkrete und belastbare Hinweise auf Rechtsverstöße oder eine akute Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung vorliegen“, heißt es aus der FU-Pressestelle.
Der Begriff, unter dem die Veranstaltung an der FU firmiert, ist historisch aufgeladen. „Intifada“ bedeutet wörtlich „Erhebung“. In der Geschichte des Nahostkonflikts steht er für zwei Aufstände gegen Israel. Die erste Intifada begann 1987, begleitet von Boykottaufrufen, Steinwürfen und Generalstreiks. Die Zweite, ab dem Jahr 2000, war geprägt von palästinensischen Selbstmordanschlägen und israelischen Militäreinsätzen. Damals starben laut Schätzungen rund 1000 Israelis und mehr als 3000 Palästinenser.
Was heute in diesem studentischen Veranstaltungsraum als „Intifada“ verhandelt wird, ist weit mehr als ein historischer Begriff. Es ist ein Symbol, das die Gewalt der Vergangenheit mit der Rhetorik der Gegenwart verknüpft – und das in einem Raum, in dem Widerspruch nicht vorgesehen ist. Für jüdische Studenten bedeutet das mehr als eine Zumutung. Es ist ein Klima, das einschüchtert – und viele zum Rückzug zwingt.
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