Drei Tipps für den Frauen-Nicht-Versteher Merz
Eigentlich hatte Friedrich Merz nur Gutes im Sinne. Zumindest kann man das mit viel Wohlwollen glauben. Denn bei einer Veranstaltung der "Initiative Chef:innensache", bei der Merz in Berlin auftrat, bemängelte er einen sehr wichtigen Punkt: An der Spitze vieler Unternehmen sind fast nur Männer – und zu wenige Frauen. Doch dann tritt der Bundeskanzler in ein Fettnäpfchen, in das er auch in der Vergangenheit oft getreten ist: Er drückt sich so ungeschickt aus, dass seine eigentliche Botschaft untergeht und stattdessen zu bestätigen scheint, was seit Jahren an Merz' Image haftet – sein vermeintliches Problem mit Frauen.
Die Situation war folgende: Merz hielt eine Rede vor Dutzenden Unternehmerinnen bei einem Netzwerk, das sich für Chancengerechtigkeit einsetzt. Der Kanzler rief Unternehmensführungen dazu auf, für mehr Chancengleichheit zu sorgen. Dann sagte er: "Ich kenne das natürlich aus meiner Welt. Wir Männer haben eine bessere Begabung und Befähigung, Netzwerke zu bilden und uns gegenseitig auch zu unterstützen." Auch Frauen müssten sich untereinander helfen und gegenseitig stützen. "Sie müssen solche Netzwerke wie dieses hier auch bilden und sie müssen personelle Angebote machen, wenn es dann konkret um die Besetzung von Stellen geht."

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Friedrich Merz und das Problem mit den Frauen
Da ist es wieder – das Merz-Fettnäpfchen. Der Satz "Männer haben eine bessere Begabung, Netzwerke zu bilden" bedient das Bild, das Merz oft skizziert: Wenn sie sich bloß mehr anstrengen und trauen würden und sich ein Beispiel an Männern nehmen, dann klappt es auch mit der Karriere. Merz dürfte selbst klar sein, dass das nicht stimmt – trotzdem scheint er kein Gefühl dafür zu haben, wie unpassend seine Wortwahl ist und wie übergriffig es wirkt, ungefragt Ratschläge an Frauen zu verteilen. Deshalb hier drei Ratschläge an Merz:
1. Aus alten Fehlern lernen

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Kaum ein Buch wurde in den letzten Jahren über den CDU-Politiker geschrieben, in dem nicht ein Kapitel "Merz und das Problem mit den Frauen" oder so ähnlich heißt. Darin geht es immer um dasselbe Thema: Merz bemüht sich, das Thema Gleichberechtigung zu thematisieren, scheitert aber oft an seiner Wortwahl. Beispiele: Im Interview mit RTL/ntv sorgte Merz im Oktober vergangenen Jahres mit der Bemerkung für Ärger, mit einer Verteidigungsministerin wie Christine Lambrecht "tun wir auch den Frauen keinen Gefallen". Im Frühjahr 2020 machte Merz in einer Runde vornehmlich männlicher Zuhörer den Scherz, es sei wohl kein Zufall, dass aktuelle Sturmtiefs weibliche Namen trügen. Zum Zeitpunkt der Aussage tobte gerade das Tief "Sabine", während Annegret Kramp-Karrenbauer ihren Rücktritt erklärte.
Die Liste der Fauxpas ließe sich fortsetzen, festzuhalten ist aber, dass Merz vor Macho-Sprüchen nicht zurückschreckt, wo er auch mit inhaltlicher Kritik ausreichend punkten könnte. Das kann ein- oder zweimal passieren, aber spätestens als Kanzler sollte man aus alten Fehlern lernen – oder sich besser beraten lassen.
2. Neues Amt – neue Aufgaben
Knapp zwei Monate ist Merz im Amt des Bundeskanzlers – und damit Regierungschef aller Deutschen: männlich, weiblich, divers. Äußerungen wie: "Der Bundestag ist kein Zirkuszelt", wenn es um das Hissen der Regenbogenflagge auf dem Reichstagsgebäude geht, sind genauso fehl am Platz wie "wir Männer haben eine bessere Begabung und Befähigung, Netzwerke zu bilden". Mag sein, dass er nach nicht mal 60 Tagen im Amt noch immer in unbedachten Momenten mehr Oppositionschef ist als Kanzler. Doch die Hälfte der Bürger sind: Frauen. Auch wenn sich diese Parität nicht in seiner Partei und Fraktion widerspiegelt.
3. Erst zuhören, dann reden
Aus Merz muss kein Feminist mehr werden, das wäre auch wenig glaubwürdig. Er kann aber einer Bundeswehr-Devise aus Afghanistan folgen: Erst fragen – dann schießen. Übersetzt bedeutet das: Die Situation zunächst friedlich klären, bevor man feuert. Oder einfach Frauen zuhören. Dann kann Merz, der in der von Männern dominierten Welt der Wirtschaftsunternehmen sein Vermögen gemacht hat, vielleicht besser verstehen, warum ihm dort so wenige Frauen in den Führungsetagen begegnet sind. Denn dafür sind strukturelle Defizite bei der Kinderbetreuung und traditionelle Familienmuster verantwortlich und nicht die schlechte Begabung von Frauen zu netzwerken. Denn genau dort hat sich Merz bei seiner Rede ja aufgehalten: Bei einem Frauennetzwerk von Unternehmerinnen, die dort sind, um zu netzwerken.

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Diese Frauennetzwerke haben sich als eine Art Gegenpol zu der männerdominierten Unternehmerwelt zusammengetan, bei der neue Personalien und Karrierechancen oft auf dem Golfplatz oder bei einem Bier besprochen werden. Orte also, zu denen Frauen meist keinen Zugang haben. Sie deshalb auf einem Frauennetzwerk-Event zu kritisieren, dass sie nicht so begabt wären, zu netzwerken, ist fast dreist.
Frauen brauchen keine Tipps von Männern wie Merz. Aber sie brauchen das Ohr und den scharfen Verstand des Kanzlers – mehr als dessen manchmal loses Mundwerk.
Dieser Text erschien zuerst bei ntv.de, das wie der stern Teil von RTL Deutschland ist.
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