Mit seinen Alligatoren-Witzen macht sich Trump treue Wähler zu Gegnern
Der Auftritt in den Sümpfen Südfloridas war ganz nach Donald Trumps Geschmack. Gut gelaunt eröffnete er das Abschiebegefängnis mit dem Spitznamen „Alligator Alcatraz“. Beim Rundgang über das Gelände zeigte sich der US-Präsident angetan. Hier gebe es „viele Polizisten in Gestalt von Alligatoren“, das sei praktisch, den Reptilien müsse man „nicht so viel bezahlen“.
Wer doch versuchen sollte, auszubrechen, sollte auf der Flucht vor den Alligatoren am besten im Zickzack laufen – das, so witzelte Trump, erhöhe die Überlebenschance um ein Prozent. Das Weiße Haus veröffentlichte einen passenden Post auf X: Alligatoren mit Basecaps und dem Aufdruck ICE, der Abkürzung für die US-Einwanderungsbehörde.
Das Camp aus Containern, Käfigen und Zelten, das in kürzester Zeit aus dem Boden gestampft wurde und 3000 Menschen aufnehmen soll, liegt eine gute Autostunde von Miami entfernt. Floridas Gouverneur Ron DeSantis, der zur Eröffnung angereist war, sieht darin die Zukunft. Der Bau eines weiteren Camps dieser Art soll schon kommende Woche beginnen, insgesamt plant Florida eine Kapazität von 10.000 Plätzen.
Nicht alle sind so begeistert wie Trump und DeSantis. Am Tag der Eröffnung stehen neben unzähligen Kamerateams auch Demonstranten vor der einzigen Zufahrt zum Gelände und protestieren gegen Trumps Migrationspolitik.
Kaum eine andere US-Metropole ist derzeit ein so großer Schauplatz politischer Spannungen wie Miami. Zwar gab es auch in Los Angeles jüngst Proteste gegen Trumps Migrationspolitik, die sich an ICE-Razzien gegen Menschen ohne Aufenthaltserlaubnis entzündet hatten. Nach wie vor ist die Filmmetropole jedoch eine Hochburg der oppositionellen Demokraten.
Nicht so Miami. Die Stadt gilt als Festung der Republikaner, auch weil die vielen vor dem Sozialismus geflüchteten Menschen aus Kuba, Venezuela und Nicaragua hier eine neue Heimat gefunden haben. Viele von ihnen verdanken der amerikanischen Marktwirtschaft ihren Aufstieg, sei es als Unternehmer oder als Angestellte auf dem Bau oder als Ernte- oder Reinigungskraft.
Miami wiederum verdankt den Einwanderern seinen Boom. Der überwiegende Teil der Migranten hat sich ohne staatliche Unterstützung ein Leben in der Stadt aufgebaut, zahlt Steuern, schickt seine Kinder in amerikanische Schulen, nimmt am Alltag teil. Aber auch bei diesen unbescholtenen Migranten herrscht derzeit große Angst.
Etwa in der Venezolaner-Hochburg Doral, einem Vorort von Miami, in dem die meisten Bewohner für Trump gestimmt haben. „Was Trump macht, ist Wahnsinn. Wir wissen nicht, was uns am nächsten Tag erwartet“, sagt der Venezolaner Fernando, der weder seinen Nachnamen noch ein Foto von sich veröffentlicht wissen will. „Jeden Tag gibt es neue Nachrichten, neue Änderungen. Das belastet uns sehr.“
Fernando ist ein scharfer Kritiker der sozialistischen Regierung in Venezuela und vor dem linksextremen Regime geflohen. Nun jedoch droht die Trump-Administration auch den Venezolanern den temporären Schutzstatus zu entziehen. Für viele bricht deswegen eine Welt zusammen.
Wenn sie das Lokalfernsehen in Miami einschalten, sehen sie kurze Spots von Heimatschutzministerin Kristi Noem, die ihnen in aller Deutlichkeit aufzeigt, welche Optionen sie haben: Wer illegal im Land ist, wird entweder verhaftet und abgeschoben. „Oder sie gehen selbst, dann haben Sie das Recht wiederzukommen“, sagt Noem. Im Hintergrund laufen Bilder des gefürchteten Hochsicherheitsgefängnisses Cecot in El Salvador, in das hunderte Venezolaner abgeschoben wurden.
Unter den Verhafteten befinden sich auch viele der Legalen, der Integrierten. Wie ein kubanischer Gärtner, der seit Jahrzehnten im Land lebt und drei Söhne bei der US Army hat. In dieser Woche starb ein 75-jähriger Kubaner, der seit 60 Jahren in den USA lebte, in ICE-Gewahrsam.
Ein anderer Kubaner, nach Berichten seines amerikanischen Arbeitergebers legal im Land, wurde festgenommen und in ICE-Obhut übergeben. Der Mann, der auf einer Erdbeerfarm arbeitete, hatte eine Bierdose am Strand geöffnet. Das ist in Florida verboten. Nun hängt sein weiteres Schicksal am seidenen Faden.
Die Kritik an Trumps Abschiebepolitik wird nicht nur bei Demos sichtbar, sondern zunehmend auch unter konservativen Latinos und Latinas. So auf der Veranstaltung CPAC Latino – in Anlehnung an das konservative Netzwerk Conservative Political Action Conference (CPAC), ein Herzstück im Unterstützernetzwerk des US-Präsidenten und seiner Republikanischen Partei.
Trumps Politik steht an diesem Junitag im Fokus, bei der ersten eigenen CPAC-Konferenz, die konservative Latinos in ihrer Hochburg Miami ausrichten. Doch auf den US-Präsidenten sind hier viele nicht gut zu sprechen. Redner wie der Mexikaner Eduardo Verástegui nutzen die Bühne, um ihrer Verzweiflung über die restriktive Migrationspolitik des US-Präsidenten Ausdruck zu verleihen.
Als Verástegui auf das Thema zu sprechen kommt, werden die Handys an den runden Tischen des Ballrooms im „Hardrock Hotel“ beiseitegelegt und die Blicke auf die Bühne gerichtet: „Für die Menschen, die schon seit mehr als fünf Jahren hier arbeiten, müssen wir einen klaren Weg finden, einen sicheren, gerechten und großzügigen Weg. Um eine befristete Aufenthaltsgenehmigung für diejenigen zu erreichen, die arbeiten, die guten Menschen“, verlangt Verástegui.
Lauter Beifall und Bravo-Rufe branden im Saal auf. Verástegui, Schauspieler und Filmproduzent in Mexiko, ist Leiter des dortigen CPAC-Ablegers und macht sich auch Hoffnungen auf das Präsidentenamt in Mexiko. Von Trump verlangt er vor allem, die Ursachen der Migration zu bekämpfen: den korrupten Sozialismus in Lateinamerika.
Angst vor Niederlage bei der nächsten Wahl
Dieser Stimmungswandel unter konservativen Latinos kann Politikern der Republikanischen Partei gefährlich werden, viele blicken unruhig auf die Midterms, die Parlamentswahlen im kommenden Jahr. Wie die republikanische Kongressabgeordnete Maria Elvira Salazar, selbst Tochter kubanischer Flüchtlinge und in Miami geboren. Ihr Wahlbezirk Miami-Dade umfasst mehr als 535.000 Menschen, die sich als Latino identifizieren.
Salazar versucht den politischen Drahtseilakt, Trump nicht zu verärgern, gleichzeitig aber ihre Wählerbasis nicht zu verprellen. „Trump wird für die Einwanderung das sein, was Lincoln für die Sklaverei und Reagan für den Kommunismus war“, schickt sie ein überdimensioniertes Lob voraus, um dann doch auf das eigentliche Thema zu kommen: „Lasst uns die Grenze dichtmachen“, sagt Salazar. „Aber sobald das erledigt ist, müssen wir eine nationale Debatte beginnen, um dann den Menschen ohne Vorstrafen, die Teil unserer Gemeinschaften sind und anständige Menschen sind, ein gewisses Maß an Würde geben.“
Verástegui geht noch einen Schritt weiter: „Wir sollten Amerika, Mexiko und ganz Lateinamerika groß machen. Aber als Brüder“, ruft er den Zuhörern zu. Und erntet lauten Beifall.
Tobias Käufer ist Lateinamerika-Korrespondent. Im Auftrag von WELT berichtet er seit 2009 über die Entwicklungen in der Region.
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