Warum saß der Messerangreifer im Frauengefängnis? Die Behörden verweigern die Antwort
Der wegen Totschlags verurteilte Hilton Henrico G. aus Südafrika saß monatelang mit Frauen zusammen in der Justizvollzugsanstalt Luckau-Dubben in Brandenburg. Doch warum er als Mann dort untergebracht war, obwohl der Trennungsgrundsatz in Gefängnissen gilt, darüber schweigt sich die Landesregierung hartnäckig aus. Trotz des großen öffentlichen Interesses weigert sich das brandenburgische Justizministerium, die Presseanfrage von WELT nach den Gründen für die Entscheidung zu beantworten.
Der Hintergrund: Der Südafrikaner war wegen einer tödlichen Messerattacke auf einen syrischen Wachmann in einer Flüchtlingsunterkunft in Potsdam zu zwölf Jahren und acht Monaten Haft verurteilt worden; die Verteidigung hatte einen Freispruch gefordert. Der Fall sorgte für Aufsehen, da G. beim Prozess behauptet hatte, eine Frau zu sein. Er nannte sich „Cleopatra“ und bekam öffentlichen Zuspruch, da er angab, in seiner Heimat wegen seiner Transidentität verfolgt worden zu sein.
Der Berliner Landtagsabgeordnete Ferat Koçak (Linke) organisierte Proteste und forderte eine „sofortige Freilassung und sichere Unterbringung“ von „Cleo“, sammelte gemeinsam mit verschiedenen Gruppierungen Spendengelder und startete eine Online-Petition. „Cleo“ sei „frühzeitig“ aus dem Frauengefängnis verlegt worden.
Koçak prangerte den Behördenleiter der JVA Nord Oliver Allolio namentlich an. Die Entscheidung sei „transfeindlich und diskriminierend“ Mitzeichner sind der Lesbenberatungsverband „Les Migras“, der Geld vom Berliner Senat bekommt, sowie die vom Bund geförderte Gruppe „Each One Teach One“. Auch die Organisation „Alliance of International Feminists“ warf den Behörden Transfeindlichkeit vor. „Cleo“ erfahre wegen „ihrer“ Identität permanent Diskriminierung, stehe als schwarze Transfrau unter Generalverdacht. Die Gruppe verbreitet diese Thesen online, kam aber auch vor dem Gericht zur Mahnwache zusammen.
Weibliche Häftlinge schikaniert
Während des Prozesses ergaben Aussagen von Zeuginnen, dass G. nach der Tat im Jahr 2024 monatelang in der Frauen-JVA einsaß. Dort soll er weibliche Häftlinge schikaniert und Morddrohungen gegen Frauen ausgesprochen haben, wie drei Mitinsassinnen in der Verhandlung im März schilderten. Sie berichteten vom täglichen Lärm durch G. am Tag und in der Nacht über die Heizungsrohre und durch Schlagen gegen die Zellenwände, beschrieben dies als „Terror“. G. soll sowohl Insassinnen als auch Justizbeamte regelmäßig abwertend, vulgär und rassistisch beleidigt haben. Zwei Mitinsassinnen hatten G. wegen Morddrohungen angezeigt. Im August 2024 sei G. in die JVA Neuruppin-Wulkow für Männer verlegt worden.
G. ist laut Pass 38 Jahre alt, männlich und nahm keine Personenstandsänderung vor. G. behauptete bei Prozessauftakt, sich als Frau zu fühlen, bestand vor Gericht darauf, als „Cleopatra“ angesprochen zu werden. Die Mehrzahl der Medien kam diesem Wunsch unhinterfragt nach und berichtete kontinuierlich über „Cleopatra“, auch „Cleo“ oder „die Angeklagte“. Auch vor Gericht wurde G. zunächst als Frau angesprochen, im Urteil dann aber als Mann bezeichnet.
Der forensische Sachverständige befand während des Prozesses, es spreche einiges dagegen, es mit einer genuin transidenten Person zu tun zu haben. Die Transidentität scheine eher einer „Lebensphilosophie“ zu entsprechen, aus der der Angeklagte Selbstvertrauen und Selbstwirksamkeit generiere.
Die Behörden wollen nicht detailliert antworten
Schon im April wollte WELT aufgrund dieses Widerspruchs wissen: Warum saß G. mit Frauen in der JVA, obwohl er laut Pass ein Mann ist? Welche Entscheidung lag hier zugrunde, die den Trennungsgrundsatz nach Geschlechtern in der Haft aufgehoben hatte? Ein Sprecher des Ministeriums traf lediglich allgemeine Aussagen und verwies auf das Landesrecht. Die Unterbringung in der JVA richte sich „grundsätzlich nach dem Personenstand“, und weiter: „Eine davon abweichende Unterbringung in besonders begründeten Einzelfällen war auch vor Inkrafttreten des Gesetzes über die Selbstbestimmung möglich.“
WELT wollte Antworten zum konkreten Fall, verwies auf das große öffentliche Interesse, zumal bundesweit mehrere Fälle von Übergriffen von Männern in Frauen-JVA bekannt wurden und G.s Transidentität infrage gestellt wurde. Das Justizministerium lehnte weiterhin mit Verweis auf den Schutz der Persönlichkeitsrechte von G. eine Auskunft ab. WELT versucht, den presserechtlichen Auskunftsanspruch gerichtlich durchzusetzen – und rief das Verwaltungsgericht Potsdam an. Am 12. Juni 2025 entschied das Gericht, dass die Persönlichkeitsrechte von G. überwiegen würden. Zwar erkannten die Richter das „breite öffentliche Interesse“ an, insbesondere an der Verlegung mit Bezug auf die Geschlechtszugehörigkeit. In der Abwägung komme den Rechten von G. aber mehr Gewicht zu.
Die geschlechtliche Identität sei durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht via Grundgesetz geschützt. Das Verwaltungsgericht bezieht sich auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichtes aus dem Jahr 2005, wonach Geschlechtszugehörigkeit „nicht allein nach den physischen Geschlechtsmerkmalen“ bestimmt werden könne, sondern „auch von der psychischen Konstitution eines Menschen und seiner nachhaltig selbst empfundenen Geschlechtlichkeit“ abhänge. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht schütze auch vor der Weitergabe von Befunden über den Gesundheitszustand oder sexuelle Orientierung.
WELT hat nun beim Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg Beschwerde gegen diese Entscheidung eingelegt. Die Richter dort werden noch einmal darüber befinden müssen, ob die Rechte eines gegenüber Mitinsassinnen übergriffigen Inhaftierten, der keine Anstalten unternommen hat, eine Transition durchzuführen oder auch nur seinen Personenstandseintrag zu ändern, hier wirklich schwerer wiegen können als das öffentliche Interesse an dem Vorgang.
Neben der Frage der Unterbringung bleibt offen, warum sich G. zur Tatzeit überhaupt noch in Deutschland aufhielt. In der Vergangenheit nannte G. immer wieder Transidentität als einen der Gründe für die Flucht aus Südafrika. Sein Antrag auf Asyl wurde aber abgelehnt, zuletzt 2021 auch sein Einspruch gegen die Entscheidung. Abgeschoben wurde er nicht.
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