Die „Islamwoche“ an der Kieler Christian-Albrechts-Universität sorgt für Schlagzeilen. Die Islamische Hochschulgruppe Kiel (IHG) hatte vom 5. bis 9. Mai eine Aktionswoche veranstaltet. Laut „Kieler Nachrichten“ gab es danach hochschulintern Beschwerden über eine geschlechtergetrennte Sitzordnung. Einen Vortrag hatte Sertac Obadas gehalten, dessen Organisation „IMAN“ vom Verfassungsschutz dem Salafismus zugeordnet wird. Die IHG teilte mit, es habe keinen Zwang zur Geschlechtertrennung gegeben, es seien freiwillige Angebote gewesen.

Die Universitätsleitung geht auf Distanz zu der Veranstaltung, Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) fordert Aufklärung. Der frühere CDU-Bundestagsabgeordnete Wolfgang Bosbach spricht bei WELT TV über den Skandal.

WELT: Die Uni Kiel steht nach der „Islamwoche“ in der Kritik. Wie bewerten Sie die Vorgänge?

Wolfgang Bosbach: Mich wundert, dass die Universität sechs Wochen braucht, um die Vorgänge restlos aufzuklären. Und sollte sie sich am Ende auf den Standpunkt zurückziehen: Wir haben nur die Bühne geboten, welche Veranstaltungen auf dieser Bühne stattfinden, das interessiert uns nicht – das wäre unter keinem Gesichtspunkt akzeptabel. Man stelle sich nur einmal kurz vor, irgendeine obskure rechte Hochschulgruppe hätte eine Veranstaltung mit einem rechtsextremen Redner organisiert und dann zwei Eingänge gemacht, einen für Deutsche, einen für Nichtdeutsche. Die Hölle wäre in Deutschland los. Da gäbe es einen ARD-„Brennpunkt“, da gäbe es Titelseiten. Die Aufregung wäre zu Recht groß. Wenn jetzt die Hochschulgruppe sagt, das war ja nur ein freiwilliges Angebot, aber einen salafistischen Redner einlädt, dann hat das mit Freiwilligkeit nicht mehr viel zu tun. Wir haben uns mittlerweile in Deutschland leider abgewöhnt, in diesen Dingen Klartext zu reden, weil wir alle Angst haben, dass der Vorwurf Islamophobie oder der fehlenden Toleranz gegenüber anderen religiösen Überzeugungen als den christlichen kommt.

WELT: Wo liegen Ihrer Meinung nach die Schwierigkeiten im Umgang mit unterschiedlichen Religionen?

Bosbach: Die richtige Überschrift wäre: Keine Toleranz denen gegenüber, die gar nicht daran denken, uns gegenüber tolerant zu sein. Es geht nicht um die Muslime in Deutschland. Der allergrößte Teil ist friedlich und rechtstreu. Die individuelle religiöse Überzeugung des Einzelnen hat der Staat nicht zu kommentieren und nicht zu kritisieren. Der eine geht in die Kirche, der zweite in die Moschee, der dritte in die Synagoge. Das ist Privatangelegenheit. Es sei denn, die religiöse Überzeugung richtet sich gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung. Dem salafistischen Spektrum in Deutschland werden etwa 10.000 Personen zugeordnet. Damit wir uns richtig verstehen: Nicht alle Salafisten sind potenzielle Terroristen. Es gibt doch den legalistischen Bereich. Aber von den allermeisten Terrorverdächtigen oder Terroristen, die wir in den letzten Jahren als solche überführt haben, hatten Kontakt zu dieser salafistischen Szene. Und wenn die Hochschulgruppe bewusst Herrn Obadas einlädt, der Gründer und CEO der Gruppe „IMAN“ ist, die sich vom Verfassungsschutz beobachten lassen muss, dann hat sie das doch ganz bewusst getan. Und dass sich dann auch nach sechs Wochen noch eine Hochschule hinstellt und sagt, wir müssen jetzt den Sachverhalt aufklären – da bin ich der festen Überzeugung, dass das nur Folge der Berichterstattung ist, und nicht der Überzeugung der Uni Kiel, dass so etwas unter keinen Umständen einer öffentlichen Hochschule geduldet werden kann.

WELT: Kommen wir zu einem weiteren Thema. Heute findet die Wahl der Mitglieder für das Parlamentarische Kontrollgremium (PKGr) im Bundestag statt. Das Gremium überwacht die Geheimdienste. Da ist die Frage, ob AfD-Kandidaten eine Mehrheit bekommen – und ob Links-Fraktionschefin Heidi Reichinnek Stimmen der Union erhält. Die CSU ist gegen Reichinneks Wahl. Ist es richtig, einzelne Personen hier auszuschließen?

Bosbach: Ja, das ist richtig. Denn nicht nur, aber gerade das Parlamentarische Kontrollgremium ist regelmäßig mit sehr geheimhaltungsbedürftigen, sensiblen Themen und Fakten befasst. Jeder kann für jedes Amt kandidieren, aber keiner hat einen Anspruch darauf, gewählt zu werden. Wenn die Linken jetzt den Eindruck erwecken: Die Union braucht uns für die anderen politischen Themen und deshalb muss sie uns entgegenkommen – nein, es gibt diese Unvereinbarkeitsbeschlüsse richtigerweise sowohl gegenüber der AfD als auch gegenüber der Linkspartei. Wir machen mit denen keine gemeinsame Sache. Es ist richtig, dass wir uns die Kandidatinnen und Kandidaten der AfD sehr genau ansehen. Ich würde auch für keinen meine Hand heben, egal für welches Gremium. Dasselbe gilt dann aber auch für die Linkspartei. Und wenn man sich ansieht und anhört, was Frau Reichinnek in den letzten Monaten von sich gegeben hat, kann ich sie mir nicht in diesem Parlamentarischen Kontrollgremium vorstellen. Das muss die Union souverän entscheiden, und sie darf sich unter keinen Umständen von der Linkspartei politisch unter Druck setzen lassen.

Das Interview wurde für WELT TV geführt. In dieser Fassung wurde es zur besseren Lesbarkeit leicht gekürzt und redaktionell bearbeitet.

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