Hamza Howidy klingt angeschlagen. „Ich könnte in jedem Moment abgeschoben werden und habe große Angst davor“, sagt er WELT am Telefon auf Englisch. Der Palästinenser lebt seit Februar 2024 in Deutschland, in einer Asylunterkunft in einer mittelgroßen deutschen Stadt, deren Namen er nicht veröffentlicht sehen will. Der 28-Jährige ist ein Gegner der Hamas und setzt sich hierzulande seit seiner Ankunft gegen Antisemitismus und Islamismus sowie für die Freilassung der israelischen Geiseln und ein Ende des Kriegs im Gaza-Streifen ein, von dem auch seine Freunde und Verwandten betroffen sind.

In Gaza war Howidy in den Jahren 2019 und 2023 gegen die Hamas auf die Straße gegangen. Er berichtet über Inhaftierungen und Folter durch die Terrororganisation, die keine Opposition duldet. Auch in Deutschland ist er bereits auf Unterstützer der Hamas gestoßen, sogar in seiner Asylunterkunft. Nun hat er Ende Mai einen Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) erhalten, mit dem sein Asylantrag in Deutschland abgelehnt wird.

Die Behörde will ihn gemäß dem geltenden Dublin-Abkommen nach Griechenland abschieben, weil er dort bereits einen Antrag gestellt und internationalen Schutz erhalten hatte. Howidy sagt, er sei in Griechenland mehrfach von Islamisten mit dem Tod bedroht worden. „Es wäre dort extrem gefährlich für mich.“

Nach dem genozidalen Massaker der Hamas am 7. Oktober 2023 hatte Howidy auf Facebook ein Video gepostet, in dem er die Hamas und deren Sprecher Abu Obaida kritisierte. Mehrere israelische Botschaften teilten das Video, es ging viral. Howidy lebte damals auf Samos in einem Asylcamp, in dem Hunderte weitere Menschen aus Gaza untergebracht waren. „Ein Mann kam zu mir und drohte mir, er würde mir den Kopf abschneiden, wenn ich noch einmal den Namen von Abu Obaida in den Mund nehmen würde“, sagt er. Der Mann sei dann in ein anderes Camp umquartiert worden, habe aber weiter in derselben Stadt gewohnt.

Später habe ihn in Thessaloniki ein Mann mit einem Akzent aus Gaza auf der Straße angesprochen. „Wahrscheinlich kannte er meine Videos“, sagt er. „Er hat mich als zionistischen Kollaborateur bezeichnet und versucht, mich körperlich anzugreifen. Ich bin weggerannt.“ Ein israelischer Freund, den er über Instagram kennenlernte, habe ihm dann empfohlen, nach Deutschland zu kommen, da dies das sicherste Land in Europa sei.

In dem WELT vorliegenden Bescheid des BAMF vom 26. Mai heißt es, Howidys Asylantrag werde „als unzulässig abgelehnt“. Howidy wird darin aufgefordert, Deutschland innerhalb einer Woche zu verlassen. „Sollte der Antragsteller die Ausreisefrist nicht einhalten, wird er nach Griechenland abgeschoben.“ Nach dem Asylgesetz ist ein Antrag unzulässig, wenn ein anderer Mitgliedstaat der Europäischen Union dem Antragsteller bereits internationalen Schutz gewährt hat. Howidy verfügt in Griechenland über eine bis November 2026 gültige Aufenthaltsgenehmigung. „Da der Asylantrag als unzulässig abgelehnt wird, wird er nicht materiell geprüft“, heißt es in dem 23-seitigen Bescheid weiter.

Laut einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs aus dem Jahr 2019 ist diese Begründung der Ablehnung nur dann möglich, wenn der Antragsteller aufgrund der Lebensumstände im Mitgliedstaat keiner ernsthaften Gefahr ausgesetzt wäre, eine „unmenschliche oder erniedrigende Behandlung“ zu erfahren. Dies sei hier aber nicht der Fall, behauptet das BAMF weiter. Es sei nicht zu erwarten, dass arbeitsfähige und gesunde junge männliche Schutzberechtigte in Griechenland in eine „extreme materielle Notlage geraten werden“. Dass Howidy sich „bessere Lebensbedingungen und Zukunftsperspektiven in Deutschland erhofft als in Griechenland, ist menschlich nachvollziehbar, asylrechtlich jedoch unbeachtlich“, heißt es in dem Bescheid.

Die Angaben, in Griechenland „aufgrund seiner politischen Meinungsäußerung mehrfach bedroht worden“ zu sein, seien „weder konkret und anschaulich noch detailreich“. Howidys Vortrag bleibe daher „gänzlich unsubstantiiert“. Ihm sei außerdem zuzumuten, „sich bezüglich etwaiger Übergriffe als auch anderen Bedrohungen an die griechische Polizei zu wenden, um strafrechtlich relevantes Verhalten polizeilich verfolgen zu lassen“. Der griechische Staat könne ihn „in seiner Unversehrtheit bewahren und ihm Schutz bieten“. Es sei nicht von einer lebensbedrohlichen Situation auszugehen.

Howidy zeigt sich über diese Argumentation empört. „Während Deutschland und Europa zum sicheren Hafen für Islamisten werden, soll ich abgeschoben werden“, sagt er. Sein Einsatz gegen Judenhass und Islamismus sei im Asylverfahren nicht beachtet worden. In Gaza habe er sein Leben riskiert, um gegen Extremismus zu kämpfen. In Deutschland hält er regelmäßig Vorträge und schreibt Texte für zahlreiche internationale Medien. Einen Deutschkurs hat er bislang für das Sprachniveau A2 abgeschlossen. Damit kann er sich in einfachen Situationen verständigen. „Ich will in Freiheit für ein demokratisches Palästina kämpfen, das frei von der Hamas und dem Iran ist“, sagt er.

Gegen den Bescheid des BAMF erhob Howidy vor dem Verwaltungsgericht Köln Klage. In einem Eilverfahren hat die 18. Kammer des Gerichts den Antrag, eine aufschiebende Wirkung der Abschiebungsanordnung nach Griechenland anzuordnen, am 16. Juni abgelehnt. Der Beschluss liegt WELT vor. „Nach dem Stand des Verfahrens bestehen keine ernstlichen Zweifel daran, dass die Abschiebungsandrohung einer rechtlichen Prüfung im Hauptsacheverfahren standhält“, heißt es darin. „Der Beschluss ist unanfechtbar.“

„Herausragender Einsatz für Toleranz und Koexistenz“

Nun setzt sich der Antisemitismus-Beauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, gegen die Abschiebung ein. Howidy habe sich durch seinen Einsatz gegen die Hamas einer „hohen persönlichen Gefährdung ausgesetzt“, sagt Klein WELT. „Nach meinem Dafürhalten sollte er eine dauerhafte Bleibeperspektive in Deutschland erhalten. Ich rufe daher die für die Prüfung zuständige Härtefallkommission auf, Herrn Howidy dies zu ermöglichen. Sein Mut ist beispielhaft, seine Äußerungen haben Gewicht und sind eine Inspiration für viele.“

Zahlreiche Organisationen setzen sich ebenfalls für eine dauerhafte Bleibeperspektive in Deutschland ein. Howidy ist gut vernetzt in Organisationen, die sich gegen Antisemitismus einsetzen. Im Januar dieses Jahres hatte der Aktivist auf Einladung des CDU-Bundestagsabgeordneten Armin Laschet am Holocaust-Gedenktag im Bundestag teilgenommen. Der frühere nordrhein-westfälische Ministerpräsident ist Vorsitzender des Abraham Accord Institute.

Dessen Berliner Büroleiter Nathanael Willi schreibt in einem WELT vorliegenden Brief an das BAMF: „Durch sein offenes Engagement und seinen direkten Kontakt mit Israelis und der jüdischen Gemeinschaft ist Hamza Howidy mehrfach bedroht.“ Für Howidy sei es „von existenzieller Bedeutung, in Deutschland einen sicheren Aufenthaltsort und einen rechtlichen Status zu erhalten, um weiterhin in Sicherheit leben zu und seinen herausragenden Einsatz für Toleranz und Koexistenz fortführen zu können“.

Die Vorsitzende der Amadeu-Antonio-Stiftung, Tahera Ameer, schreibt in einem Brief an Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU): „Hamza Howidys Engagement ist von unschätzbarem Wert, denn Stimmen wie seine sind zunehmend gefährdet – durch Islamisten wie durch sogenannte Menschenrechtsaktivisten, die im Namen der Gerechtigkeit vernichtenden Antisemitismus propagieren. Wir brauchen Hamza Howidy als Vorbild und Impulsgeber, als palästinensische Stimme im Kampf gegen islamistischen Antisemitismus hier in Deutschland.“ Howidy erreichten zudem zahlreiche Arbeitsangebote für Festanstellungen, heißt es in dem Brief weiter.

Der Präsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft, Volker Beck, sagt WELT: „Deutschland darf die Stimme eines oppositionellen Palästinensers nicht verstummen lassen, der sich klar für ein friedliches Miteinander ausspricht.“ Gerade Menschen, die sich so klar gegen Antisemitismus und islamistischen Terror positionierten, verdienten „besonderen Schutz“.

Das Bundesinnenministerium und das BAMF äußern sich grundsätzlich nicht zu Einzelfällen.

Politikredakteur Frederik Schindler berichtet für WELT über die AfD, Islamismus, Antisemitismus und Justiz-Themen. Im September erscheint im Herder-Verlag sein Buch über den AfD-Politiker Björn Höcke. Zweiwöchentlich erscheint seine Kolumne „Gegenrede“.

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