„Ein landesweiter Aufstand, um diesem Albtraum ein für alle Mal ein Ende zu setzen“
„Die Zeit für Aufstand und Regimesturz ist gekommen“, schrieb der kurdische Rebellenführer Hussein Yazdanpanah an jenem Freitag auf der Plattform X, als israelische Kampfflugzeuge Angriffe auf Schlüsselakteure und -positionen der Islamischen Republik flogen. „Die Unterdrückungsmaschinerie des Regimes ist zerschlagen worden.“
Yazdanpanah führt seit 1991 die Kurdistan Freedom Party an. Unter seiner Flagge kämpfen einige hundert Männer und Frauen, die in den Nachbarländern Irak und Syrien ihre Stützpunkte haben und sich seit Jahrzehnten gelegentliche Gefechte mit dem Mullah-Regime in den Randgebieten des Iran liefern.
Die kurdische Rebellengruppe ist nur eine von zahlreichen organisierten Oppositionskräften im Iran und im Ausland, die auf einen Machtwechsel in Teheran hinarbeiten und in der aktuellen Militärkampagne Israels eine historische Chance für Veränderung im Land sehen. „Die Geschichte wird uns solch ein Versagen niemals verzeihen“, erklärte die separatistische Exil-Organisation Free Balochistan Movement am Montag.
Dass Israel der iranischen Opposition – einschließlich der militanten Kräfte der ethnischen und religiösen Minderheiten – zumindest ein gewisses Aufstandspotenzial zurechnet, zeigt sich in der Kriegskommunikation offenkundig. Alle paar Jahre bringt die Politik der Mullahs linke, liberale und nationalistische Teile der iranischen Bevölkerung auf die Straße.
Eine solche Protestwelle, die einen Staatsstreich in der Islamischen Republik herbeiführen könnte, würde die atomare Bedrohung für den jüdischen Staat beseitigen. Darum hat sich der israelische Premierminister Benjamin Netanjahu bereits am ersten Angriffstag direkt an das iranische Volk gewandt und es in einer Videoansprache zum Widerstand aufgerufen: „Während wir unser Ziel erreichen, ebnen wir auch euch den Weg, eure Freiheit zu erringen.“
Die Angst der Mullahs vor einer friedlichen oder bewaffneten Revolution im Inneren ist einer der entscheidenden strategischen Hebel Israels im Krieg gegen die Islamische Republik. Nach Einschätzung des ehemaligen Kommandeurs des US-Regionalkommandos Centcom, Kenneth McKenzie, könnten die Drohungen mit einem Aufstand im Iran entweder als Druckmittel dienen, um die iranische Führung an den Verhandlungstisch mit den Amerikanern zu zwingen, oder sie könnten einen Selbstzweck verfolgen und für Aufstände sorgen.
Kasra Arabi, der Revolutionsgarde-Experte bei der in den USA ansässigen Lobbyorganisation United Against Nuclear Iran, meint, im Falle eines Aufstands im Iran könnte Israel zumindest mittelfristig auf den Sturz der Führung in Teheran hoffen. Arabi zufolge hat der jüdische Staat die Voraussetzungen für einen solchen Aufstand im Iran bereits geschaffen, nämlich durch die Durchsetzung der israelischen Luftüberlegenheit über das Land.
Laut Arabi würde die israelische Luftüberlegenheit im Iran zu einer „Syrienisierung des iranischen Regimes“ führen. Ein Prozess, der Jahre dauerte und mit einem Regimewechsel in Syrien endete. Mitte der 2010er-Jahre habe das Regime des ehemaligen Präsidenten Baschar al-Assad die Luftüberlegenheit gegenüber Israel verloren, argumentierte Arabi auf X.
In der Folge konnten die israelischen Streitkräfte die militärischen Strukturen und Befehlshaber in Syrien zunehmend ins Visier nehmen, bis das mit dem Iran verbündete Regime im vergangenen Dezember durch eine Rebellenoffensive im Inland zusammenbrach.
Laut dem US-General McKenzie wäre ein solches Szenario, das zwangsläufig eine Destabilisierung des Iran voraussetzt, „bestimmt keine gute Sache für die 92 Millionen Menschen, die im Iran leben“. Aus israelischer Perspektive könnte dies jedoch, so McKenzie, „die Alternative zu einem Iran sein, der weiterhin darauf besteht, eine regionale Hegemonialmacht zu sein, die den Staat Israel vernichten will“.
Ob es im Iran bereits Rebellengruppen sind, die wie im Falle Syriens einen Sturz des Regimes in Teheran vollziehen können, bezweifelt der iranisch-schwedische Politologe Arvin Khoshnood. „Meiner Ansicht nach gibt es derzeit keine bewaffneten Gruppen innerhalb des Iran, die eine glaubwürdige Bedrohung für das islamische Regime darstellen“, sagte Khoshnood WELT.
Khoshnood zufolge sind die seit Jahrzehnten bestehenden, lokal agierenden Milizen im Iran durchaus in der Lage, Sabotageakte durchzuführen, die die Zentralregierung in Teheran schwächen könnten, „doch sie bleiben klein und verfügen über keine nennenswerte Unterstützung in der Bevölkerung der Regionen, in denen sie operieren“.
Der Machtunterschied zwischen dem Regime in Teheran und seinen bewaffneten Gegnern zeichnet sich bereits in den Zahlen deutlich ab. Während die Islamische Republik laut aktuellen Schätzungen über knapp eine Million Männer unter Waffen – in Form von aktiven Soldaten, Reservisten und Revolutionsgarden – verfügt, hat keine Miliz im Iran mehr als einige hundert Kämpfer.
Unterstützung aus dem Ausland
Laut Khoshnood ist die Unterstützung aus dem Ausland ein entscheidender Faktor, der einen bewaffneten Aufstand zu einer größeren Bedrohung für das iranische Regime machen könnte – „und die hat im Iran eine lange Tradition“. So hatte die Sowjetunion den kurdischen Separatismus im Nordwesten des Irans unterstützt, während Saudi-Arabien arabische und sunnitische Aufständische im Westen und Südosten des Landes gefördert hatte.
In diesen peripheren Landesteilen des Iran leben ethnische und religiöse Minderheiten, die sich teilweise bereits vor der Islamischen Republik gegen den iranischen Zentralstaat gestellt hatten. In dem 92 Millionen Einwohner zählenden Land leben etwa fünf Millionen Kurden, 1,7 Millionen Araber und 1,2 Millionen Belutschen. Teile dieser Gruppen hegen seit Jahrzehnten separatistische, religiös-fundamentalistische oder linksaufständische Traditionen gegen die Zentralmacht in Teheran.
Auch aus diesen Provinzen brach Ende 2022 die letzte landesweite Protestwelle hervor. Zündfunke war damals der Tod der 22-jährigen Jina Mahsa Amini in Gewahrsam der Sittenpolizei. Zunächst entfachte der Vorfall Proteste in den kurdischen Gebieten im Nordwesten des Iran, bevor sie sich auf Großstädte wie Teheran und Isfahan ausweiteten.
Der Politologe Khoshnood sieht gerade in solchen Studenten- und Graswurzelbewegungen ein vielfältiges Mobilisierungspotenzial für einen Aufstand gegen die Mullahs.
In diesem breiten, dezentral organisierten Spektrum der iranischen Opposition genießt eine Figur „eine einzigartige, breite Unterstützung“, so Khoshnood: der Exilprinz Reza Pahlewi. Eine repräsentative Umfrage der auf den Iran spezialisierten Meinungsforschungsorganisation Gamaan zeigte 2022: Mit 39 Prozent Zustimmung ist der Sohn des letzten Schahs die populärste politische Figur unter Iranerinnen und Iranern. Auf den zweiten Platz kam der damalige Präsident Ebrahim Raisi mit 17 Prozent.
Für einen Aufstand gegen die Mullahs appellierte Pahlewi am Dienstagabend an die iranische Nation. „Die Islamische Republik befindet sich im Zusammenbruch“, sagte der 53-Jährige. „Was begonnen hat, ist unumkehrbar.“ Pahlewi meinte, die Grundfesten des Regimes zerfielen. „Jetzt braucht es nur noch einen landesweiten Aufstand, um diesem Albtraum ein für alle Mal ein Ende zu setzen.“ Was die Iraner und Iranerinnen von diesem und anderen Appellen halten, könnte sich erst auf den Straßen Teherans zeigen.
Amin Al Magrebi ist Volontär an der Axel Springer Academy. Für WELT schreibt er unter anderem über Syrien und den Nahost-Konflikt.
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