Die Bombardierung kam am frühen Morgen. Teheran, Isfahan, Natanz – Städte, die für Millionen Iraner Heimat bedeuten, wurden zum Ziel einer beispiellosen israelischen Militäraktion. Am Freitag startete Israel unter dem Codenamen Operation Rising Lion zahlreiche Angriffe auf iranische Atom- und Militäreinrichtungen. Es war kein symbolischer Schlag – es war ein Angriff auf das Herz der Islamischen Republik.

Während der Iran mit Raketen antwortete, stellen sich viele in der iranischstämmigen Gemeinschaft

Während der Iran mit Raketen antwortete, stellen sich viele in der iranischstämmigen Gemeinschaft im Ausland, die lange undenkbar war: Könnte dies der Anfang vom Ende des Regimes sein?

„Ich habe so viel geweint“

Mariam Claren lebt in Köln. Sie ist Menschenrechtlerin bei der NGO HÁWAR.help – und Tochter von Nahid Taghavi, einer deutsch-iranischen Aktivistin, die 2020 in Teheran von den Revolutionsgarden verschleppt und später zu zehn Jahren Haft verurteilt wurde. Mehr als 1500 Tage war sie in Gefangenschaft. Erst im Januar 2025 kam sie frei.

Als Claren von den israelischen Luftangriffen erfuhr, überkam sie ein Schock. „Mein erster Gedanke war: Gab es zivile Opfer? Mein zweiter: Wen hat es von den Generälen erwischt?“

Sie hat Verwandte in Teheran, Freunde ihrer Mutter, die weiterhin inhaftiert sind. „Ich habe so viel geweint wie seit den Tagen nicht mehr, als meine Mutter gefangen war“, sagt sie. Die Wucht der Emotionen sei kaum zu ertragen – auch wegen der Wehrlosigkeit der Bevölkerung: keine Bunker, kein Schutz, kein Vertrauen in die Regierung. Und niemand, der ihnen sagt, was sie unternehmen sollen.

„Dieses Regime hat nie iranische Interessen vertreten“

Auch Farid Ashrafian, Oberstudienrat und Sportjournalist, ist Deutscher mit iranischen Wurzeln und beschäftigt sich intensiv mit der gegenwärtigen Situation. Als Kleinkind erlebte Ashrafian die Bombardierung im Iran-Irak-Krieg 1980 bis 1988.

Heute sehe er mit Entsetzen, aber auch mit klarem Blick, was nun geschehe: „Dieses Regime hat nie iranische Interessen vertreten, sondern einzig seine schiitisch-islamistische Herrschaftsideologie expandiert. Der Mullah-Staat ist ein großer Sponsor des Terrorismus – nicht nur in der Region, sondern weltweit.“ Die Drohungen gegen Israel seien seit Jahrzehnten offen ausgesprochen. „Wenn ein UN-Mitglied wie der Iran über 40 Jahre lang die Auslöschung eines anderen UN-Mitglieds fordert, ist es das gute Recht Israels, sich dagegen zu verteidigen.“

Claren sieht das kritischer: „Wie viel Leid kann ein Volk ertragen? Nach 46 Jahren Mullah-Herrschaft ist es nun auch mit Bomben und Raketen konfrontiert. In einem Krieg wird es immer zivile Opfer geben. Den Preis dafür zahlen jetzt das iranische und das israelische Volk.“

Der Westen hat weggesehen

Was beide vereint, ist die tiefe Enttäuschung über die westliche Politik. „2022 standen Millionen Iranerinnen und Iraner auf den Straßen“, erinnert sich Claren. „Sie baten um Unterstützung. Sie flehten darum, die Revolutionsgarde als Terrororganisation einzustufen.“ Doch stattdessen verhandelte der Westen weiter mit dem Regime – trotz massiver Menschenrechtsverletzungen und internationaler Kritik.

Die Proteste im Rahmen der Bewegung „Frau, Leben, Freiheit“, auf die Claren verweist, begannen nach dem Tod der 22-jährigen Jina Mahsa Amini im September 2022. Was folgte, war ein landesweiter Aufstand gegen das Regime.

Für Claren ist es ein moralisches Versagen. Für Ashrafian ein sicherheitspolitisches Problem: „Diese Eskalation ist das Ergebnis jahrzehntelanger Beschwichtigungspolitik“, sagt er. Und doch sieht Ashrafian einen möglichen Wendepunkt. Israel habe das System mit gezielten Schlägen dort getroffen, wo es dem Regime-Apparat nachhaltig wehtut – nämlich im Kern seiner Machtstruktur: darunter die Urananreicherungsanlage in Natanz, Kommandozentralen der Revolutionsgarde und das staatliche Fernsehen als Propaganda-Arm des Mullah-Regimes.

Ashrafian spricht von einem Moment der Zerrissenheit – und von einem Gefühl, das viele im Westen kaum nachvollziehen können: dass Menschen im Iran die israelischen Angriffe teilweise mit Erleichterung beobachten. Bekannte aus Teheran hätten ihm berichtet, sie seien auf die Dächer gestiegen, hätten die Einschläge der Raketen gefilmt – und seien davon überzeugt, dass diese endlich die richtigen Schaltstellen des Mullah-Regimes getroffen hätten.

Regimewechsel: Wunschdenken oder reale Option?

Nun sprechen viele offen über das, was lange tabu war: den möglichen Sturz des Mullah-Regimes. Ashrafian sagt drastisch: „Der Kopf des Oktopusses ist jetzt dran. Diese Diktatur versteht nur die Sprache der Gewalt – und diesmal spricht jemand sie fließend.“

Er ist überzeugt: „2022 war die Bewegung stark, aber allein. Jetzt ist das Regime auch außenpolitisch isoliert und befindet sich in einer aussichtslosen Sackgasse.“ Die Bevölkerung wisse: So eine Gelegenheit kommt nicht wieder.

Auch Claren erkennt ein Momentum – doch sie warnt davor, von außen Forderungen an die Menschen im Iran zu stellen: „Im Moment geht es ums nackte Überleben“, sagt sie. Es sei arrogant, sich in Sicherheit zu befinden und zu erwarten, dass sich die Menschen erheben

Noch ist nichts gewonnen. Noch steht das Regime. Doch etwas hat sich verändert. „Es ist spürbar, dass jetzt ist der Moment gekommen, in dem die Morgenröte der Freiheit für Iran sichtbar wird“, sagt Ashrafian.

Celine Babachan ist Volontärin im Ressort Nachrichten & Gesellschaft.

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