Schwuler Lehrer von Schülern gemobbt – Berliner Senatorin las Brief zunächst nicht
Berlins Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch hat zugegeben, ein ausführliches Beschwerdeschreiben eines mutmaßlich gemobbten Lehrers zunächst nicht gelesen zu haben. Der Anwalt des Lehrers der Carl-Bolle-Grundschule hatte es im Dezember 2024 per Einschreiben mit Rückschein an die CDU-Politikerin gesendet, vorab auch an die allgemeine Mailadresse der Bildungsverwaltung.
Das Schreiben sei an sie persönlich adressiert gewesen und im Dezember in ihrem Büro eingegangen, schilderte Günther-Wünsch auf Fragen von Abgeordneten im Landesparlament. Gelesen habe sie es indes erst nach der öffentlichen Berichterstattung über den Fall im Mai dieses Jahres.
Bei dem Schreiben habe es sich um eine Beschwerde der Lehrkraft, die sich diskriminiert fühlte, mit Berufung auf das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) gehandelt. Nach Eingang in ihrem Büro sei es daher an die zuständige Stelle in der Bildungsverwaltung weitergeleitet worden.
„Klare Zuständigkeiten“
„Es gibt ganz klare Zuständigkeiten, die auch genau in diesem Gesetz hinterlegt sind. Der Beschwerdebrief ist genau an diese Zuständigkeit gegangen“, so Günther-Wünsch. „Innerhalb von vier Wochen hat der Beschwerdeführer auch eine Antwort erhalten, sodass von einem Systemversagen (...) zu keinem Zeitpunkt die Rede sein kann.“
Als „Person des öffentlichen Lebens“ könne sie nicht jeden an sie adressierten Brief lesen, erläuterte Günther-Wünsch. „Das Land Berlin hat knapp 50.000 pädagogische Beschäftigte. Es kommen nahezu wöchentlich Briefe in die Bildungsverwaltung, die persönlich adressiert sind. Das Ziel ist es, alle Briefe angemessen, das heißt, sowohl zeitlich wie inhaltlich und fachlich zu beantworten. Dieses wird zu jeder Zeit gewährleistet.“
Der fragliche Lehrer wurde an der Carl-Bolle-Grundschule in Moabit nach eigenen Angaben von Schülern aus muslimischen Familien monatelang beschimpft, beleidigt und gemobbt worden sein – weil er schwul ist. Er beklagt außerdem Mobbing und falsche Vorwürfe durch eine Kollegin.
Lehrer spricht von einem „kompletten Systemversagen“
Seit rund drei Monaten ist er krankgeschrieben und hatte seinen Fall in Medien publik gemacht. Er kritisierte Schulleitung, Schulaufsicht und Bildungsverwaltung, die ihm nicht geholfen hätten, und sprach in dem Zusammenhang von einem „kompletten Systemversagen“.
Günther-Wünsch hatte das in der Vorwoche zurückgewiesen und erklärt, der Fall sei komplexer und vielschichtiger, als es auf den ersten Blick erscheine. Die zuständige Beschwerdestelle sei zu dem Schluss gekommen, dass bei dem Lehrer weder eine Benachteiligung wegen des Geschlechts noch wegen der sexuellen Identität vorgelegen habe.
In dem nun in Rede stehenden neunseitigen Schreiben an die Senatorin vom Dezember, dass der Nachrichtenagentur dpa vorliegt, schilderte sein Anwalt Vorkommnisse an der Schule. Er listet auf, was der Lehrer dagegen unternommen hat – und wie Schulleitung oder Schulaufsicht reagiert haben. Der Brief hat die Betreffzeile „Beschwerde nach § 13 AGG“. Allerdings hatte der Lehrer seine AGG-Beschwerde wegen Diskriminierung bereits im September 2024 eingereicht. Das wird auch im Text des neunseitigen Schreibens deutlich.
Der Grünen-Abgeordnete Daniel Wesener, der selbst Finanzsenator war, sagte, Günther-Wünsch habe in dem persönlich an sie adressierten Brief „anscheinend maximal die Überschrift gelesen“. Dann habe sie den Brief „fälschlicherweise“ ausschließlich als AGG-Beschwerde eingestuft und ausgerechnet zur Bearbeitung an jenen Mitarbeiter weitergeleitet, dem in dem Brief Befangenheit im Fall des Lehrers vorgeworfen worden sei. „Sieht so Ihre Verantwortung und Fürsorgepflicht als Dienstherrin aus?“, fragte Wesener.
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