Haben polnische Aktivisten fünf Somalier über die Grenze geschleust?
Nach Informationen von WELT haben Bundespolizisten am 7. Juni 2025 am ehemaligen Grenzübergang Stadtbrücke in Guben fünf somalische Staatsangehörige gestoppt, die offenbar unerlaubt nach Deutschland einreisen wollten. Die jungen Männer im Alter von 19 bis 20 Jahren verfügten über keine gültigen Identitätsdokumente.
Nach Informationen von WELT hatten die Beamten zwei unbekannte Männer in Warnwesten beobachtet, die den Somaliern durch gezielte Handzeichen offenbar Anweisungen zur Grenzüberquerung gaben. Die beiden mutmaßlichen Schleuser blieben auf polnischem Hoheitsgebiet und filmten die polizeilichen Maßnahmen gegen die Somalier.
Die Migranten gaben später an, bereits am 5. Juni 2025 versucht zu haben, die Grenze zu überqueren. Da sie aus einem sicheren Drittstaat eingereist waren und keiner vulnerablen Gruppe zugeordnet werden konnten, wurden sie zurückgewiesen. Gegen 23:15 Uhr brachten die Beamten sie nach Polen zurück.
Gegen die beiden unbekannten Männer mit Warnwesten leitete die Bundespolizei nach Informationen dieser Redaktion ein Strafverfahren wegen des Verdachts auf versuchte Schleusung ein. Eine Identitätsfeststellung über das deutsch-polnische Kooperationszentrum in Świecko blieb ohne Ergebnis. Die Somalier machten widersprüchliche Angaben zu den Männern und erklärten, sie seien lediglich zur Grenze gebracht und dort zur Weiterreise animiert worden.
Bereits am Vortag hatten Bundespolizisten an gleicher Stelle zwei weitere Männer in Warnwesten beobachtet, die sich bei Erscheinen deutscher Einsatzkräfte zurückzogen.
War eine polnische Bürgerwehr beteiligt?
Nach Informationen von WELT gibt es in beiden Fällen Hinweise, dass es sich bei den Unbekannten um Unterstützer der polnischen Aktivistengruppe „RuchObronyGranic“ („Bewegung zum Schutz der Grenzen“) handeln könnte. Diese Gruppierung bezeichnet sich auf „X“ als „Bürgerinitiative“, deren Ziel es sei, „Polen vor Massenmigration und den damit verbundenen Bedrohungen zu schützen“. In den sozialen Medien verbreitet sie Bilder und Videos von „Patrouillen“ an der polnisch-deutschen Grenze. „Der polnische Staat wehrt sich nicht gegen die Masseneinwanderung und die Deutschen machen hier, was sie wollen – das sind die Schlussfolgerungen nach einer Woche Bürgerpatrouillen an der Grenze, die von der Grenzschutzbewegung durchgeführt wurden“, schrieb der Leiter der Initiative, Robert Bąkiewicz, am 10. Juni auf „X“. Auf einem Video waren er und ein Mann in gelber Warnweste auf der Stadtbrücke von Słubice nach Frankfurt (Oder) zu sehen.
Bereits am 7. Juni hatte Bąkiewicz in einem Post von „sechs Somaliern“, berichtet, die von der Bundespolizei nördlich von Gubin abgesetzt worden seien. „Sie flohen, als sie dort eine Patrouille der Grenzschutzbewegung sahen. Wie bei einem kranken Versteckspiel!“ Es blieb zunächst unklar, ob es sich um dieselben Somalier handelt, die zuvor von der deutschen Bundespolizei aufgegriffen worden waren.
Bürgerinitiative weist „illegale Handlungen“ zurück
Auf WELT-Anfrage teilte „RuchObronyGranic“ mit, „völlig legale“ Bürgeraktionen durchzuführen. Man dokumentiere die Situation an der Grenze, mache auf die „illegalen Handlungen“ deutscher Beamter aufmerksam und fordere die Einhaltung des Völkerrechts und der territorialen Integrität Polens. Die Beteiligten führten keine Aktivitäten durch, die mit Schleusungen in Verbindung gebracht werden könnten. Man versuche im Gegenteil, diesem Phänomen entgegenzuwirken. Der polnische Grenzschutz antwortete auf eine WELT-Anfrage zunächst nicht.
Der Vorgang erinnert an den Fall der drei somalische Asylbewerber, die Anfang Mai nach Polen zurückgewiesen worden waren. Alle drei hatten sich mit Erfolg juristisch gegen die Zurückweisung gewehrt. Das Berliner Verwaltungsgericht erklärte die Maßnahme Anfang Juni in mehreren Eilverfahren für rechtswidrig. Die drei Somalier haben ein Anrecht auf ein Verfahren, in dem geprüft werden müsse, ob Deutschland oder ein anderer EU-Staat für das Asylgesuch zuständig sei.
Auch diese drei Somalier waren bereits eingereist und zurückgewiesen worden. Erst beim dritten Versuch hätten sie nach Angaben der Bundespolizei ein Asylgesuch gestellt. Bereits wenige Minuten, nachdem die Somalier in einem Zug von Beamten der Bundespolizei aufgegriffen worden waren, meldete sich eine in der Flüchtlingsszene bekannte Anwältin bei der Behörde und gab an, dass sie die drei Somalier vertreten werde.
Nach der Gerichtsentscheidung gab es zunächst offenbar Schwierigkeiten bei der Überstellung nach Deutschland. Nach einem Bericht der Märkischen Oderzeitung soll eine gemeinsame deutsch-polnische Streife die drei Somalier am Tag nach dem Gerichtsentschluss zunächst daran gehindert haben, Polen zu verlassen. Dann gab es offenbar eine Einigung, die vorsah, dass die drei Somalier von der Bundespolizei in Frankfurt/Oder offiziell in Empfang genommen und in einer Erstaufnahmeeinrichtung gebracht werden. Doch die drei Asylbewerber erschienen nicht.
Am 5. Juni stellte der polnische Grenzschutz dann fest, dass die drei Somalier nicht mehr im Hotel waren, in dem sie untergebracht gewesen waren. Eine Fahndung blieb erfolglos. Kurz darauf tauchten die beiden Männer beim Berliner Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten auf und beantragten erneut Asyl. Auch die dritte Person, die Frau, soll sich inzwischen in Berlin aufhalten – obwohl über ihren Aufenthaltsort zunächst keine offiziellen Daten vorlagen.
Wie genau die drei Personen nach Berlin gelangten, ist bislang unklar. Offen bleibt, ob Helfer oder Schleuser hinter ihrer Weiterreise stecken. Die Deutsche Polizeigewerkschaft hatte im Zuge des Falls Strafanzeige gegen Unbekannt gestellt.
Die Häufung ähnlicher Fälle – junge Somalier, organisierte Weiterreise über Polen, mutmaßliche Aktivisten – sorgt inzwischen für politische Diskussionen. Die Bundespolizei bewertet die Vorfälle als symptomatisch für eine zunehmend organisierte Migrationsbewegung, die von Unterstützern gezielt begleitet werde. Als neues Problem kommen nun womöglich Aktivisten hinzu, die die Zurückweisung von Migranten blockieren.
Wir sind das WELT-Investigativteam: Haben Sie Hinweise zu Missständen bei der Unido oder ähnlichen Themen? Dann melden Sie sich gerne, auch vertraulich – per E-Mail oder über den verschlüsselten Messenger Threema (X4YK57TU).
Haftungsausschluss: Das Urheberrecht dieses Artikels liegt bei seinem ursprünglichen Autor. Der Zweck dieses Artikels besteht in der erneuten Veröffentlichung zu ausschließlich Informationszwecken und stellt keine Anlageberatung dar. Sollten dennoch Verstöße vorliegen, nehmen Sie bitte umgehend Kontakt mit uns auf. Korrektur Oder wir werden Maßnahmen zur Löschung ergreifen. Danke