Der außenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Adis Ahmetovic, hat sich von dem „Manifest“ distanziert, in dem prominente Fraktionsmitglieder einen Kurswechsel in der Sicherheitspolitik fordern. Ahmetovic sprach am Mittwoch gegenüber der Nachrichtenagentur AFP in Berlin von einem „inhaltlich in weiten Teilen fragwürdigen Papier“, das „nicht Beschlusslage in der Fraktion oder Partei“ sei. „Es würde im Falle einer Einbringung auf dem Bundesparteitag auch keine Mehrheit finden“, fügte der Außenexperte hinzu.

Die SPD sei „eine Friedenspartei und bleibt diese auch“, stellte der Abgeordnete klar. Dies bedeute aber, dass sie „klar erkennt, dass es neue Realitäten gibt, die neben Diplomatie auch militärische Stärke bedingen“.

SPD-Politiker fordern grundlegende Kehrtwende

Zahlreiche prominente SPD-Politiker fordern in einem Grundsatzpapier eine sofortige Kehrtwende in der Außen- und Sicherheitspolitik. In dem als „Manifest“ bezeichneten Dokument, über das zuerst der „Stern“ berichtete, drängen die Verfasser auf Gespräche mit Russland und einen Stopp der Stationierung neuer US-Mittelstreckenraketen in Deutschland.

Die Unterzeichner, darunter der frühere Fraktionsvorsitzende Rolf Mützenich, der Außenpolitiker Ralf Stegner, Ex-Parteichef Norbert Walter-Borjans, sowie Ex-Bundesfinanzminister Hans Eichel, vertreten damit eine grundsätzlich vom Kurs der Bundesregierung wie auch der SPD-Führung abweichende Linie.

In Deutschland und in den meisten europäischen Staaten hätten sich Kräfte durchgesetzt, die die Zukunft „vor allem in einer militärischen Konfrontationsstrategie und hunderten von Milliarden Euro für Aufrüstung suchen“, heißt es in dem „Manifest“. „Militärische Alarmrhetorik und riesige Aufrüstungsprogramme schaffen nicht mehr Sicherheit für Deutschland und Europa, sondern führen zur Destabilisierung und zur Verstärkung der wechselseitigen Bedrohungswahrnehmung zwischen Nato und Russland.“

Die SPD-Politiker fordern mehrere konkrete Maßnahmen, darunter Gespräche mit Russland. Nötig sei jetzt eine „schrittweise Rückkehr zur Entspannung der Beziehungen und einer Zusammenarbeit mit Russland“, heißt es.

Stegner kritisiert „Militarisierung“ und „ungehemmte“ Debatte

Kritik üben die Verfasser zudem an der geplanten massiven Aufstockung der Verteidigungsausgaben. Das Nato-Ziel, die Verteidigungsausgaben der Mitgliedstaaten auf fünf Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung zu erhöhen, halten sie für „irrational“. Für eine auf Jahre festgelegte Erhöhung des Verteidigungshaushalts auf 3,5 oder fünf Prozent des Bruttoinlandsprodukts gibt es aus ihrer Sicht „keine sicherheitspolitische Begründung“.

Hinsichtlich der möglichen Stationierung neuer US-Mittelstreckenraketen in Deutschland erklären sie: „Die Stationierung von weitreichenden, hyperschnellen US-Raketen-Systemen in Deutschland würde unser Land zum Angriffsziel der ersten Stunde machen.“

Der Außenpolitiker Ralf Stegner, einer der federführenden Autoren des Textes, sagte dem „Stern“, Ziel des Aufschlags sei auch, die parteiinterne Debatte neu zu justieren. Die SPD müsse „Teil der Friedensbewegung“ bleiben. Im Moment werde „ungehemmt“ über den nächsten Landkrieg und über die Wehrpflicht gesprochen. „Gegen diese Form der Militarisierung müssen wir uns als Sozialdemokraten wehren“, sagte er.

Der Text kommt zu einem heiklen Zeitpunkt. Die SPD steht Ende Juni vor einem Bundesparteitag. Fast zeitgleich findet der Nato-Gipfel statt, auf dem sich Deutschland dazu verpflichten will, die Verteidigungsausgaben massiv zu erhöhen.

Haftungsausschluss: Das Urheberrecht dieses Artikels liegt bei seinem ursprünglichen Autor. Der Zweck dieses Artikels besteht in der erneuten Veröffentlichung zu ausschließlich Informationszwecken und stellt keine Anlageberatung dar. Sollten dennoch Verstöße vorliegen, nehmen Sie bitte umgehend Kontakt mit uns auf. Korrektur Oder wir werden Maßnahmen zur Löschung ergreifen. Danke