Inhalt des Artikels:

  • Wo und in welchem Umfang finden Grenzkontrollen statt?
  • Bis wann gibt es Grenzkontrollen?
  • Was sind Zurückweisungen an der Grenze?
  • Sind die Zurückweisungen von Asylbewerbern legal?
  • Welche Folgen hat das Urteil des Berliner Verwaltungsgerichts?
  • Was ist der Unterschied zwischen Zurückweisung und Zurückschiebung?
  • Wie läuft eine Zurückweisung an der Grenze ab?
  • Werden alle Asylbewerber an der Grenze abgewiesen?
  • Wer wird an der Grenze kontrolliert?
  • Was bringen die Grenzkontrollen?
  • Was ist mit der grünen Grenze?

Wo und in welchem Umfang finden Grenzkontrollen statt?

Bundesinnenminister Alexander Dobrindt hat Anfang Mai verstärkte Kontrollen an Deutschlands Außengrenzen angewiesen. Zugleich ordnete der CSU-Politiker an, dass künftig auch Asylsuchende an der Grenze zurückgewiesen werden sollen.

Nach Aussage von Kanzleramtsminister Thorsten Frei (CDU) wurden rund 3.000 zusätzliche Einsatzkräfte der Bundespolizei abgestellt. Nach Angaben der Gewerkschaft der Polizei (GdP) handelt es sich um Kräfte der Bereitschaftspolizei und um mobile Einheiten. Kontrolliert werde an 50 stationären Kontrollpunkten.

Bis wann gibt es Grenzkontrollen?

Ein festes Datum für das Ende der verstärkten Kontrollen gibt es nicht. Kanzleramtsminister Frei sprach Mitte Mai bei einer Fragestunde im Bundestag jedoch von einer "enorme Belastungsprobe" und einer "massiven Herausforderung" für die Bundespolizei. Sie könnten deshalb auch "nicht in alle Ewigkeit" fortgesetzt werden.

Der Vorsitzende der GdP, Andreas Roßkopf, sagte seinerzeit: "In diesem Umfang können wir die Kontrollen nur wenige Wochen oder ein paar Monate durchführen." Die Beamtinnen und Beamten würden nun teils 12-Stunden-Schichten machen, Fortbildungen seien gestrichen, ein Abbau von Überstunden nicht mehr möglich.

Was sind Zurückweisungen an der Grenze?

Zurückweisungen an der Grenze sind gängige Praxis. Versucht eine Person unerlaubt einzureisen, kann sie zurückgewiesen oder bei bereits erfolgter Einreise zurückgeschoben werden. Das ist etwa der Fall, wenn ein Visum fehlt oder eine Einreisesperre nach Deutschland vorliegt.

Neu ist, dass die Bundespolizei durch das Innenministerium aufgefordert wurde, auch Asylsuchende abzuweisen. Damit weicht Deutschland von der bisherigen Praxis ab. Europäisches Recht verpflichtet Deutschland, den Asylanspruch zu überprüfen. Dies gilt auch, wenn die Person aus einem sicheren Drittstaat wie einem anderen EU-Land einreist. Deutschland muss dann in einem sogenannten Dublin-Verfahren zunächst prüfen, welches Land für die Durchführung eines Asylverfahrens zuständig ist. An der Grenze ist dies nicht möglich.

Sind die Zurückweisungen von Asylbewerbern legal?

Das ist Gegenstand einer juristischen Debatte. Anfang Juni entschied erstmals ein Gericht dazu. Das Verwaltungsgericht Berlin stellte am 2. Juni fest, dass die Zurückweisung dreier Somalier bei einer Grenzkontrolle am Bahnhof in Frankfurt an der Oder rechtswidrig gewesen sei. Ohne eine Klärung, welcher EU-Staat für einen Asylantrag der Betroffenen zuständig ist, dürften sie nicht abgewiesen werden.

Welche Folgen hat das Urteil des Berliner Verwaltungsgerichts?

Innenminister Dobrindt kündigte nach dem Urteil die Fortsetzung der Zurückweisungen an. Am Samstag erklärte er, eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs abwarten zu wollen. Das Berliner Verwaltungsgericht habe in seiner oben genannten Entscheidung angemerkt, dass die Begründung für die Anwendung von Artikel 72 – einer Ausnahmeregel im Europäischen Recht – nicht ausreichend sei, sagte Dobrindt den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. "Wir werden eine ausreichende Begründung liefern, aber darüber sollte der Europäische Gerichtshof entscheiden."

Ich bin der Überzeugung, dass wir uns mit unseren Maßnahmen innerhalb des europäischen Rechts bewegen.

Alexander Dobrindt, CSUBundesinnenminister

Dobrindt sagte weiter: "Ich bin der Überzeugung, dass wir uns mit unseren Maßnahmen innerhalb des europäischen Rechts bewegen." Ein mögliches Veto des Europäischen Gerichtshofs gegen Zurückweisungen würde er aber "selbstverständlich" akzeptieren, sagte der Innenminister.

Juristen halten es für wahrscheinlich, dass nun weitere Gerichte ähnliche Urteile fällen wie das Berliner Verwaltungsgericht. Das würde Dobrindt unter weiteren Zugzwang bringen, die Zurückweisungen doch zu beenden. Die SPD sieht darin eine Belastung für die Koalition. Fraktionschef Matthias Miersch sagte am Samstag der "Neuen Osnabrücker Zeitung" mit Blick auf eine mögliche Entscheidung durch den Europäischen Gerichtshof: "Das könnte sehr lange dauern und wäre eine große Belastung für die Bundesregierung. Ich würde Herrn Merz und Herrn Dobrindt daher bitten, die Rechtsunsicherheit jetzt zu beseitigen."

Was ist der Unterschied zwischen Zurückweisung und Zurückschiebung?

Entscheidender Unterschied ist der Ort, an dem eine unerlaubt anreisende Person aufgegriffen wird. Eine Zurückweisung kann erfolgen, wenn eine Person unmittelbar an der Grenze durch die Polizei angehalten wird. Dann ist rechtlich gesehen noch kein Grenzübertritt erfolgt. Eine Zurückschiebung ist möglich, wenn eine Person nach dem Grenzübertritt aufgegriffen wird und insofern aus juristischer Sicht bereits eingereist ist.

Juristischer Unterschied ist, dass Deutschland bei Zurückweisungen theoretisch kein Einverständnis des Nachbarlandes einholen muss, wenn es die Einreise blockiert. Die Polizei könnte die Person ins Grenzgebiet zurückschicken beziehungsweise dort stehen lassen, da die Einreise noch nicht stattgefunden hat. In der Praxis nimmt die Bundespolizei jedoch immer Kontakt zum Nachbarstaat auf. GdP-Chef Roßkopf sagt: "Andernfalls könnte das zu einem Pingpong führen. Denn das andere Land könnte die Person wiederum zurückschicken. Deshalb sind Absprachen hier unumgänglich."

Es handelt sich um ein festgelegtes Prozedere mit festen Ansprechpartnern bei sogenannten Überstellungsdienststellen. Nach Angaben der GdP kann es mehrere Stunden dauern, ehe die Polizei des Nachbarlandes auf ein Überstellungsangebot reagiert. Lehnt das Nachbarland die Zurückweisung beziehungsweise Zurückschiebung ab, kommen die Personen in eine Erstaufnahmeeinrichtung für Asylbewerber.

Aktuell passiert das bereits. Polen hat sich bereits geweigert, Asylsuchende wieder zurückzunehmen, wie die "Welt" berichtete.

Wie läuft eine Zurückweisung an der Grenze ab?

Wird eine Person an der Grenze kontrolliert, überprüft die Bundespolizei nach Angaben der GdP zunächst die Papiere, also den Pass und gegebenenfalls das Visum. Es findet eine kurze Befragung statt, woher die Person kommt und wohin sie reisen möchte. Wer Asyl in Deutschland beantragen will, wird erkennungsdienstlich behandelt. Die Beamtinnen und Beamten nehmen also etwa Fingerabdrücke, die dann mit dem Ausländerzentralregister und der europäischen Datenbank für die Identifizierung von Asylbewerbern (Eurodac) abgeglichen werden. Wenn die Bundespolizei keine Einreiseerlaubnis erteilt, kann eine Zurückweisungsverfügung ausgestellt werden. Die Zurückweisung oder Zurückschiebung an das Land, aus dem die Person gekommen ist, folgt (siehe oben).

Werden alle Asylbewerber an der Grenze abgewiesen?

Nein, es gibt Ausnahmen für sogenannte vulnerable Gruppen, also für besonders verwundbare Personen. Als vulnerable Menschen sind nach Angaben der GdP Schwangere und Frauen mit kleinen Kindern anzusehen, ebenso allein reisende Minderjährige sowie hilfsbedürftige oder kranke Menschen. Die Beamten der Grenzpolizei seien geschult und erfahren, um zu erkennen, ob eine Person vulnerabel sei. Der stellvertretende GdP-Vorsitzende Sven Hüber, zuständig für den Bereich Bundespolizei und Zoll sagt: "Nach meiner Erfahrung wird hier ein großzügiger Maßstab gewählt, denn der Beamte muss seine Entscheidung am Ende auch rechtfertigen können". Im Zweifel würden zusätzlich Fachleute vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) oder medizinische Sachverständige hinzugezogen.

Wer wird an der Grenze kontrolliert?

Die Polizei kann an der Grenze nur eine begrenzte Anzahl an Personen kontrollieren. Die meisten Fahrzeuge passieren die Kontrollstellen, ohne angehalten zu werden. Wie also wählt die Bundespolizei aus, wen sie kontrolliert? "Das hat sehr viel mit Ausbildung und Erfahrung zu tun", sagt GdP-Vorsitzender Roßkopf. An den Kontrollstellen werde die Geschwindigkeit reduziert, damit die Beamtinnen und Beamten Zeit hätten, um mehrere Parameter zu überprüfen. "Dazu zählen etwa, um welchen Fahrzeugtyp es sich handelt, wie sich die Personen darin verhalten oder ob das Fahrzeug überhaupt einsehbar ist."

Reisebusse werden von der Polizei an der Grenze bevorzugt kontrolliert.Bildrechte: picture alliance/dpa | Sebastian Kahnert

Was bringen die Grenzkontrollen?

Im Mai, also ungefähr seit Beginn der verstärkten Kontrollen, hat die Bundespolizei nach eigenen Angaben 5.571 unerlaubte Einreisen registriert. Im Vergleich zum Vormonat bedeutet das einen Anstieg um 492 unerlaubte Einreisen. Verglichen mit den Vorjahresmonaten wurde aber ein deutlicher Rückgang verzeichnet: Im Mai 2024 wurden noch über 7.100 unerlaubte Einreisen gemeldet, im Mai 2023 waren es mehr als 8.500.

Im Mai befanden sich unter den 5.571 unerlaubt eingereisten Personen 160 Asylbewerber, die aus einem sicheren Drittstaat einreisten. Auf diesen Personenkreis zielen die Maßnahmen ab.

Die Gewerkschaft der Polizei bezweifelt daher den Nutzen der verstärkten Grenzkontrollen zur Senkung der Asylbewerberzahlen. Die Zahl der Zurückweisungen sei sehr gering im Vergleich zur Gesamtzahl der Asylanträge. GdP-Experte Hüber: "Der Ertrag hält sich in sehr engen Grenzen. Die Schleuser sind hochprofessionell und beobachten unsere Aktivitäten. Daher lassen diese Organisationen die Asylsuchenden momentan schlicht in ihren Zwischenunterkünften im Ausland und warten ab, wie sich die Lage entwickelt."

Effektiver wäre es daher aus Hübers Sicht, die mobile Schleierfahndung intensiver und vor allem mit modernsten Fahndungshilfsmitteln durchzuführen. "Hier fehlt seit vielen Jahren die moderne, notwendige Ausstattung wie Drohnentechnik, Kameratechnik, moderne schnelle Fahndungsfahrzeuge, mobile Kontrollstellen sowie Kennzeichenerfassungstechnik. Hier muss sehr schnell gehandelt werden, um Personal einzusparen und die Bundespolizei zu einer modernen flexiblen Grenzpolizei aufzubauen."

Was ist mit der grünen Grenze?

Polizeivertreter betonen immer wieder, dass es nicht möglich sei, die 3.800 Kilometer lange Grenze Deutschlands umfassend zu kontrollieren. Da Migrantinnen und Migranten bei einem Zugriff schlimmstenfalls mit einer Zurückweisung rechnen müssen, können sie recht risikolos immer wieder an unterschiedlichen Stellen versuchen, die Grenze nach Deutschland zu überqueren.

mit Material von AFP

Haftungsausschluss: Das Urheberrecht dieses Artikels liegt bei seinem ursprünglichen Autor. Der Zweck dieses Artikels besteht in der erneuten Veröffentlichung zu ausschließlich Informationszwecken und stellt keine Anlageberatung dar. Sollten dennoch Verstöße vorliegen, nehmen Sie bitte umgehend Kontakt mit uns auf. Korrektur Oder wir werden Maßnahmen zur Löschung ergreifen. Danke