Gericht erklärt Zurückweisung von Asylsuchenden hinter der Grenze für rechtswidrig
Die Zurückweisung von Asylsuchenden bei Grenzkontrollen auf deutschem Gebiet ist nach einer Eilentscheidung des Berliner Verwaltungsgerichts rechtswidrig. Ohne Durchführung des sogenannten Dublin-Verfahrens dürfen sie nicht abgewiesen werden, entschied das Gericht im Fall dreier Somalier, die nach der neuen Regelung am 9. Mai von Frankfurt (Oder) aus nach Polen zurückgeschickt wurden.
Die drei somalischen Antragsteller, zwei Männer und eine Frau, waren mit dem Zug aus Polen nach Deutschland gekommen, hieß es in der Pressemitteilung des Gerichts. Am 9. Mai seien sie am Bahnhof in Frankfurt an der Oder durch die Bundespolizei kontrolliert und nach Äußerung eines Asylgesuchs noch am selben Tag nach Polen zurückgewiesen worden. Die Zurückweisung sei seitens der Bundespolizei mit der Einreise aus einem sicheren Drittstaat begründet worden.
Nach Angaben einer Gerichtssprecherin handelt es sich um die erste gerichtliche Entscheidung zu der Neuregelung von Innenminister Alexander Dobrindt. Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) hatte wenige Stunden nach seinem Amtsantritt als Bundesinnenminister eine Intensivierung der Grenzkontrollen verfügt. Gleichzeitig ordnete er an, künftig sollten auch Asylsuchende an der Grenze zurückgewiesen werden können. Dies soll allerdings nicht für Schwangere, Kinder und andere Angehörige vulnerabler Gruppen gelten.
Die Beschlüsse sind nach Gerichtsangaben unanfechtbar
Das Berliner Verwaltungsgericht sieht Deutschland nach der Dublin-Verordnung der EU dazu verpflichtet, bei Asylgesuchen, die auf deutschem Staatsgebiet gestellt werden, in jedem Fall das Verfahren zur Bestimmung des für das Asylverfahren zuständigen Mitgliedstaats vollständig durchzuführen. Die Bundesregierung könne sich dabei nicht darauf berufen, dass die Dublin-Verordnung angesichts einer Notlage unangewendet bleiben dürfe. Insbesondere könne sie die Zurückweisungen nicht auf die Ausnahmeregelung des Art. 72 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) stützen. „Es fehle dafür bereits an der hinreichenden Darlegung einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung“, heißt es.
In einem Dublin-Verfahren prüft das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, welcher Staat zuständig für das Asylverfahren ist. Meist ist es das europäische Land, in das die Betroffenen als erstes reisten. Eine Rolle spielen kann aber beispielsweise auch, ob schon enge Verwandte in einem EU-Staat leben.
Allerdings könnten die somalischen Migranten nicht verlangen, über den Grenzübertritt hinaus in das Bundesgebiet einzureisen, hielt das Gericht fest. Denn nach der Dublin-Verordnung sei es möglich, das Dublin-Verfahren an der Grenze oder im grenznahen Bereich durchzuführen, ohne dass damit zwangsläufig eine Einreisegestattung verbunden sein müsse. Die Beschlüsse sind nach Gerichtsangaben unanfechtbar.
Grüne wollen Zurückweisungen stoppen, Union spricht von „maßvoller Praxis“ an den Grenzen
Die Grünen-Fraktion im Bundestag kritisiert den Kurs der neuen Bundesregierung an den Grenzen scharf – und fordert ein Ende der Zurückweisungen. Der Beschluss des Verwaltungsgerichts entlarve „Dobrindts Symbolpolitik als das, was es ist: ein offener Rechtsbruch“, sagte Marcel Emmerich, innenpolitischer Sprecher der Grünen im Bundestag, WELT. „Was als Stärke verkauft wird, ist ein gefährlicher Blindflug auf dem Rücken von Schutzsuchenden, Einsatzkräften und der Idee eines geeinten Europas.“
„Schutzsuchende haben ein Recht auf rechtsstaatliche Verfahren“, sagte er weiter. Die Zurückweisungen müssten von Bundeskanzler Friedrich Merz sofort gestoppt werden. Die Grünen warnten seit Monaten davor, dass „Union und SPD sehenden Auges in einen Rechtsbruch hineinlaufen und genau das scheint jetzt der Fall zu sein“. Die SPD dürfte hier nicht länger schweigend zusehen.
Günter Krings, Stellvertretender Fraktionsvorsitzender von CDU und CSU im Bundestag, sagte WELT: „Das ist eine Entscheidung im einstweiligen Rechtsschutz eines erstinstanzlichen Gerichts und damit das Ergebnis einer bloß summarischen Prüfung.“ Im konkreten Fall und Verfahrensstadium sei die Entscheidung „natürlich zu beachten“, sie könne aber „keine allgemeine Wirkung entfalten“ und solle daher nicht überbewertet werden. Es gebe viele „namhafte Juristen“, die bei diesem Thema zu einer anderen Einschätzung gekommen seien als das Berliner Verwaltungsgericht.
Krings weiter: „Ich halte es für richtig, auch das europäische Recht nach seinem Sinn und Zweck auszulegen, und halte die Zurückweisungen daher für zulässig. Von daher halte ich es für nicht notwendig, dass das Innenministerium seine maßvolle Praxis an unseren Grenzen ändert.“
Haftungsausschluss: Das Urheberrecht dieses Artikels liegt bei seinem ursprünglichen Autor. Der Zweck dieses Artikels besteht in der erneuten Veröffentlichung zu ausschließlich Informationszwecken und stellt keine Anlageberatung dar. Sollten dennoch Verstöße vorliegen, nehmen Sie bitte umgehend Kontakt mit uns auf. Korrektur Oder wir werden Maßnahmen zur Löschung ergreifen. Danke