Schon früh im Leben alles auf eine Karte setzen, um später zur Weltspitze zu gehören? Diese Strategie scheint einer breit angelegten Überblicksstudie zufolge anders als lange angenommen kein allgemeines Erfolgsrezept zu sein. Vielmehr beruhen spätere Spitzenleistungen auf Abwechslung und einer breiter angelegten Qualifikation in Kindheit und Jugend, wie ein Forschungsteam – unter anderem von den Universitäten Kaiserslautern und Innsbruck – im Fachblatt „Science“ schreibt.

Das Team hatte 19 große Datensätze analysiert, die knapp 35.000 erwachsene Spitzenkräfte aus verschiedensten Disziplinen umfassen – darunter Nobelpreisträger, die berühmtesten Komponisten, Olympiasieger und die weltbesten Schachspieler. Den Daten zu erwachsenen Top-Performern stellten die Forscher Studienergebnisse zu Menschen gegenüber, die schon in jungem Alter Spitzenleistungen in ihren jeweiligen Feldern erbrachten.

Hierbei zeigten sich interessante Unterschiede: Außergewöhnliche Leistungen im frühen Lebensalter gingen oft mit ausgiebigem Training in der jeweiligen Disziplin und einer schnellen Lernkurve einher. Bei erwachsenen Spitzenleuten hingegen lag meist zunächst eine breit angelegte Ausbildung und Übung in ganz verschiedenen Disziplinen zugrunde, bevor sie sich auf ihr Feld spezialisierten und sich dort allmählich verbesserten, bis sie ihre Topleistungen erzielten.

Die unterschiedlichen Laufbahnen könnten ein Grund dafür sein, dass die erwachsenen Top-Performer selten schon in jungen Jahren zu den Besten ihrer Disziplin gehörten: Demnach waren über lange Betrachtungszeiträume hinweg die jeweils zehn besten erwachsenen Schachspieler und die zehn besten jugendlichen Schachspieler nur zu gut zehn Prozent identisch. Gleiches gilt für internationale Spitzenathleten. Und auch die Top-Schülerinnen und -Schüler waren zu fast 90 Prozent andere als die späteren Top-Studierenden an den Universitäten.

Der Mix führt zum Erfolg

„Die Besten in jungen Jahren und die späteren Besten im Höchstleistungsalter sind weitgehend zwei verschiedene Populationen“, sagte Studienautor Arne Güllich von der Rheinland-Pfälzischen Technischen Universität in Kaiserslautern der Deutschen Presse-Agentur. „Die erwachsene Weltklasse zählte in ihren frühen Jahren überwiegend bisher nicht zu den Besten ihres Alters.“ Verglichen mit anderen, die knapp unterhalb der Weltklasse geblieben seien, zeichneten sich die Leistungsträger in frühen Jahren durch multidisziplinäres Training aus – also verschiedene Studienfächer, Berufe, Musikinstrumente und -genres, Sportarten oder auch Hobbys.

Die meisten erwachsenen Spitzenleute zeigten der Studie zufolge in früheren Jahren schwächere Leistungen als andere Altersgenossen. In den Gruppen mit den höchsten Performance-Niveaus gab es einen negativen statistischen Zusammenhang zwischen diesen Spitzenleistungen und früheren Leistungen. Vereinfacht gesagt: Wer später einen Nobelpreis bekommt, war mit durchaus hoher Wahrscheinlichkeit in der Schule noch eher Mittelmaß.

Wichtige Erkenntnis für Elite-Einrichtungen

Elite-Schulen und ähnliche Fördereinrichtungen müssten sich bewusst machen, dass unter den Top-Leuten in jungen Altersgruppen nur eine Minderheit zu den späteren Top-Leistungsträgern gehören werde, schreiben die Autoren. Wenn man versuche, Personen mit Potenzial für außergewöhnliche spätere Leistungen zu identifizieren, seien Spitzenleistungen im frühen Alter kein sinnvolles Selektionskriterium.

Auch für die konkrete Förderung in einzelnen Disziplinen können die Ergebnisse relevant sein: Statt vier- bis sechsmal Fußball pro Woche könnten Fußballtrainer ihre Schützlinge eher ermutigen, zweimal in der Woche etwa Tennis oder Basketball zu spielen oder Gymnastik zu machen, heißt es. Ein Klavierlehrer könne seinen Schülerinnen und Schülern vorschlagen, auch mal Flöte, Violine oder Schlagzeug auszuprobieren.

„Viele junge Menschen, die gute, aber nicht herausragende Leistungen zeigen, können durchaus das Potenzial haben, langfristig Spitzenleistungen zu entwickeln“, betont Studienautor Güllich. Eltern und andere Förderer sollten junge Menschen in ihrem Engagement in verschiedenen Bereichen ermutigen und ihnen dafür Gelegenheiten schaffen. „Dabei brauchen die Disziplinen übrigens gar nicht untereinander verwandt zu sein: Eine Kombination von Biologie- und Philosophiestudium oder das Begabtenprogramm in Physik mit parallelem Klarinettenunterricht usw. können gleichfalls sehr fruchtbar sein“, so Güllich.

Haftungsausschluss: Das Urheberrecht dieses Artikels liegt bei seinem ursprünglichen Autor. Der Zweck dieses Artikels besteht in der erneuten Veröffentlichung zu ausschließlich Informationszwecken und stellt keine Anlageberatung dar. Sollten dennoch Verstöße vorliegen, nehmen Sie bitte umgehend Kontakt mit uns auf. Korrektur Oder wir werden Maßnahmen zur Löschung ergreifen. Danke