Scheidungsraten, Margarine und Autismus – die Tücken der schönen Kurven
Donald Trump mag in einigen Dingen richtig liegen und in anderen falsch. Als gesichert darf gelten, dass er eine unorthodoxe Auffassung von Statistik hat. Davon zeugen die eigenwilligen Zoll-Tabellen, die der US-Präsident im April der Öffentlichkeit präsentiert hatte. Oder die Entlassung seiner Chefstatistikerin, weil sie, wie er behauptet, die Zahlen zum Arbeitsmarkt zu seinen Ungunsten manipuliert habe.
Nun also Autismus. Genauer das Schmerzmittel Paracetamol, welches – während der Schwangerschaft eingenommen – den dramatischen Anstieg von Autismus-Diagnosen in den USA mitverantworten soll. Das zeige sich in den Daten, behauptete Trump. Ob er mit dieser These recht hat oder eher nicht, darum soll es hier gar nicht gehen.
Einen strengen Blick auf Medikamente und deren Nebenwirkungen zu werfen, das ist grundsätzlich vernünftig. Aber, eine zufällige Korrelation – und das ist hier der entscheidende Punkt – beweist noch keine Kausalität. Mögen sich die Kurven, wie im derzeit diskutierten Fall, auch noch so schön aneinanderschmiegen.
Welche Fehlschlüsse sich aus einer oberflächlichen Betrachtung ergeben können, demonstriert ein Blick auf die folgende Grafik, die der Statistik-Blogger Tyler Vigen auf der Internetseite „tylervigen.com“ veröffentlicht hat. Sie vereint auf anschauliche – und zugleich ungewöhnliche – Weise Daten des US-Landwirtschaftsministeriums mit denen der Gesundheitsbehörde CDC.
Dargestellt ist der US-Konsum von Margarine pro Kopf verglichen mit der Häufigkeit von Scheidungen im nordöstlichen US-Bundesstaat Maine zwischen den Jahren 2000 und 2009. Obwohl ein Zusammenhang absurd erscheint, zeigen die Kurven eine verblüffende Korrelation.
Könnte der landesweite Konsum dieses pflanzlichen Ersatzproduktes tatsächlich einen solchen Schaden in den Kleinfamilien an der US-Ostküste angerichtet haben? Immerhin, Scheidungsrate und Margarine-Konsum bewegen sich in der Grafik in nahezu perfektem Gleichschritt.
Kreative Erklärungen ließen sich durchaus finden. So könnte der gesellschaftliche Druck gesundheitsbewusster Ehefrauen hin zu einer pflanzlichen Ernährung für ihre Männer reihenweise Ehen auseinandergetrieben haben. Eine Art Kulturkampf im Kleinen, ausgetragen am Esstisch. Gottlob, dass mittlerweile wieder weniger Margarine aufs Brot geschmiert wird.
Ein anderes Diagramm, veröffentlicht auf dem Portal „Stand up for Science“, legt auf den ersten Blick nahe, dass der Konsum organischer Lebensmittel einen entscheidenden Einfluss auf die Häufung von Autismus-Diagnosen haben könnte. Wieder zeigt sich eine beeindruckende Korrelation. Führt Obst ohne Pestizide deshalb zu Autismus? Vielleicht, vielleicht aber auch nicht.
Alternativ ließe sich wieder kulturpolitisch deuteln: Da viele Leute zunehmend Wert auf einen respektvollen Umgang mit Natur und Mensch legen, werden mehr Bio-Lebensmittel verkauft. Diese gesteigerte Rücksichtnahme könnte schließlich auch die Wissenschaft erfasst haben, die für jede menschliche Eigenheit mittlerweile eine passende Diagnose findet – und diesem oder jenem Spektrum zuordnet.
Letzteres könnte einer wahrscheinlicheren Erklärung für die beobachtete „Autismus-Epidemie“ näherkommen. So wurden in den vergangenen zwanzig Jahren die Diagnose-Kriterien der US-Gesundheitsbehörde für neurologische Entwicklungsstörungen wesentlich erweitert und Monitoring-Programme ausgebaut. Übrigens trifft dies auch auf Länder wie Großbritannien zu, wo die Fallzahlen sich in der gleichen Zeit verachtfacht haben. Nach dem Motto: Wer häufiger angelt, fängt auch mehr Fische.
Dennoch, der Konsum von Schmerztabletten nimmt weiter zu. Eigentlich kein Wunder: Wenn Politiker so mit Zahlen jonglieren und sich Kurven so hübsch zurechtbiegen, wie es ihnen gefällt, dann muss dies den Bürgern Kopfzerbrechen bereiten. Auf Dauer ist beides ziemlich ungesund.
Haftungsausschluss: Das Urheberrecht dieses Artikels liegt bei seinem ursprünglichen Autor. Der Zweck dieses Artikels besteht in der erneuten Veröffentlichung zu ausschließlich Informationszwecken und stellt keine Anlageberatung dar. Sollten dennoch Verstöße vorliegen, nehmen Sie bitte umgehend Kontakt mit uns auf. Korrektur Oder wir werden Maßnahmen zur Löschung ergreifen. Danke