Krieg, Steuern, Einwanderung – davor haben die Deutschen Angst
Reicht mein Geld auf Dauer zum Leben? Nein, fürchten die Deutschen. Die Mehrheit (52 Prozent) glaubt, dass die Lebenshaltungskosten immer weiter steigen. Das zeigt die repräsentative Studie „Die Ängste der Deutschen 2025“ der Versicherung R+V.
„Obwohl die Inflation abgeflacht ist, bleibt sie für die Deutschen ein Schreckgespenst. Sie spüren deutlich, wie die Preise für Energie, Nahrungsmittel und Dienstleistungen weiter anziehen“, sagt Studienleiter Grischa Brower-Rabinowitsch. „Die Angst vor steigenden Lebenshaltungskosten belegt schon zum 15. Mal Platz eins der Studie.“
Insgesamt dominieren in diesem Jahr finanzielle Themen: Auf Platz drei liegt die Angst vor Steuererhöhungen oder Leistungskürzungen (49 Prozent), auf Platz vier folgt die Furcht vor unbezahlbarem Wohnraum (48 Prozent). Aber auch politische Sorgen spielen 2025 eine wichtige Rolle.
Angesichts weltweiter Krisen und Unsicherheiten eine erstaunliche Nachricht: Fast alle Sorgen sind in diesem Jahr leicht gesunken. Der Angstindex – der durchschnittliche Wert aller gemessenen Ängste – fällt deutlich auf 37 Prozent (2024: 42 Prozent).
Bereits zum 34. Mal hat die Versicherung insgesamt 2400 Menschen nach ihren größten Sorgen rund um Politik, Wirtschaft, Gesellschaft, Umwelt und Gesundheit befragt. „Ein noch niedrigeres Angstniveau haben wir erst einmal in der Geschichte unserer Langzeitstudie gemessen“, berichtet Brower-Rabinowitsch. Im Jahr 2021 – während der Corona-Pandemie – lag der Angstindex bei 36 Prozent.
„Die Menschen werden ständig mit multiplen Krisen konfrontiert, denen sie ohnmächtig gegenüberstehen. Die Deutschen haben sich an diesen Zustand gewöhnt, sie sind krisenmüde“, erklärt Professorin Dr. Isabelle Borucki. Die Politikwissenschaftlerin an der Philipps-Universität Marburg begleitet die Studie der R+V als Beraterin.
„Dieser Rückgang bedeutet nicht, dass die Menschen sorglos sind. Vielmehr richtet sich ihr Fokus auf das Hier und Jetzt – und besonders auf die eigene finanzielle Situation.“ Der Osten fürchte einen Angriffskrieg der Russen, mehr als der Westen Deutschlands. „Das Vertrauen der Menschen im Osten in internationale Institutionen ist schwächer. Generell wiegt die geografische Nähe zu Russland schwerer als im Westen“, erklärt Borucki.
Große Angst vor Steuererhöhungen
Auf Platz drei: Die Angst, dass der Staat wegen der hohen Schuldenlast dauerhaft Steuern erhöht oder Leistungen kürzt (49 Prozent). „Die Kassenlage im Bundeshaushalt ist mau, die Wirtschaft schwächelt. Fast die Hälfte der Deutschen fürchtet, dass der Staat mit Abgaben und Kürzungen gegensteuert“, sagt Brower-Rabinowitsch.
Dringenden politischen Handlungsbedarf sieht Borucki: „Die Bundesregierung muss das Vertrauen in ihre Finanzpolitik zurückgewinnen. Wer soziale Sicherheit verspricht, muss auch verlässlich liefern. Sonst entsteht Raum für Politikverdrossenheit – oder radikale Alternativen.“ Sozialen Sprengstoff berge auch die Angst, dass Wohnen unbezahlbar wird (48 Prozent, Platz vier). „Der Wohnungsmarkt ist weiter hart umkämpft, es braucht mehr sozialen Wohnungsbau, mehr bezahlbares Eigentum und schnellere Genehmigungsverfahren“, fordert Politikwissenschaftlerin Borucki.
Die Migrationspolitik hat eine große Rolle im Wahlkampf 2025 gespielt. Das Thema ist weiter präsent, das Vertrauen in Lösungen offenbar gering. Fast die Hälfte der Bevölkerung (49 Prozent) fürchtet, dass die Zahl der Geflüchteten den Staat überfordert – Platz zwei der Studie (2024: 56 Prozent). Auf Platz sieben rangiert mit 45 Prozent die Angst, dass es durch weiteren Zuzug aus dem Ausland zu Spannungen kommt (2024: 51 Prozent).
Beide Sorgen sind im Vergleich zum Vorjahr spürbar zurückgegangen und bei beiden Ängsten gibt es erhebliche Unterschiede zwischen Ost und West. 56 Prozent der Ostdeutschen befürchten, dass der Staat durch die Geflüchteten überfordert ist, im Westen sind es 47 Prozent. Die Angst vor Konflikten durch weitere Zuwanderung liegt im Osten bei 51 Prozent und im Westen bei 43 Prozent.
US-Präsident Trump verliert deutlich an Schrecken
Kaum ein Tag ohne Schlagzeilen aus den USA. „Viele Deutsche – insgesamt 45 Prozent fürchten, dass die Politik von Donald Trump die Welt gefährlicher macht“, sagt Brower-Rabinowitsch. „Im Vergleich zur ersten Amtszeit hat Trump für die Befragten aber deutlich an Schrecken verloren.“ Der bisherige Höchstwert der Furcht war im Jahr 2018. Damals belegte sie mit 69 Prozent Platz eins im Ängste-Ranking, heute landet sie auf Platz sechs.
„Die nachlassende Angst lässt sich mit Abstumpfung, Ernüchterung und Resignation angesichts des Trump’schen Politikstils erklären“, konstatiert Borucki. Im Ranking noch vor der Trump-Angst landet die Sorge, dass weltweit autoritäre Herrscher immer mächtiger werden (47 Prozent, Platz fünf). Das ist die einzige Angst, die in diesem Jahr gestiegen ist – wenn auch nur minimal um einen Prozentpunkt.
Vorgezogene Bundestagswahl im Februar, der Regierungswechsel zu Schwarz-Rot: Wie stehen die Deutschen zu ihren Politikern? „42 Prozent der Bevölkerung fürchten, dass die Politik von ihren Aufgaben überfordert ist“, erklärt Brower-Rabinowitsch. „Vor einem Jahr waren es noch 49 Prozent – das ist also ein Vertrauensgewinn.“ Dabei blickt der Osten viel kritischer auf die Politik als der Westen (Ost: 50 Prozent; West: 40 Prozent).
Verbessert haben sich die Schulnoten für die Politiker in Regierung und Opposition: von 4,0 im Vorjahr auf 3,8 in diesem Jahr. „Auf diesem Ergebnis darf sich die Politik nicht ausruhen. Sie braucht das Vertrauen einer breiten Mehrheit, um das Land durch die komplexen Krisen zu führen“, mahnt Borucki.
Furcht vor Spaltung der Gesellschaft Bemerkenswert: Am stärksten zurückgegangen ist die Angst vor einer Spaltung der Gesellschaft. 39 Prozent der Deutschen fürchten, dass die Spaltung zunimmt und zu Konflikten führt (Platz zwölf). 2024 lag diese Furcht noch mit 48 Prozent auf Platz sieben. „Eine konfliktgeladene Öffentlichkeit ist für viele inzwischen zum Alltag geworden. Spaltung wird als Dauerzustand erlebt. Eine solche Normalisierung ist gefährlich“, analysiert die Politikwissenschaftlerin.
Welche Art von gesellschaftlicher Spaltung meinen die Befragten? 72 Prozent fürchten eine Spaltung zwischen Menschen mit und ohne Migrationshintergrund. „Hier geht es nicht um Zuwanderungspolitik, sondern um gesellschaftliche Identität, kulturelles Miteinander und Zugehörigkeit“, erklärt Borucki. Am zweithäufigsten wurde mit 58 Prozent die Trennungslinie zwischen Arm und Reich genannt.
An dritter Stelle folgt die Haltung für oder gegen demokratische Werte mit 57 Prozent. „Die Polarisierung im Demokratieverständnis ist ein deutliches Warnsignal. Das Vertrauen in demokratische Institutionen ist brüchiger geworden“, kommentiert die Politikwissenschaftlerin. Auffällig: Eine Spaltung zwischen Ost und West ängstigt nur 22 Prozent der Befragten.
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