Von wegen sinnlos: So hilft Kritzeln unserem Gedächtnis
Wer einen Klassenraum oder einen Unihörsaal betritt, wird kaum einen Tisch finden, der gänzlich frei von Kritzeleien ist. Vor wenigen Jahren haben es die kleinen Kunstwerke sogar in eine Ausstellung geschafft. Die Technische Hochschule Ostwestfalen-Lippe hat die schönsten Tischkritzeleien der letzten Jahrzehnte gesammelt und online gezeigt. Doch was steckt eigentlich dahinter, wenn wir in Vorlesungen oder während Telefonaten in den Notizblock kritzeln?
Vielleicht wurden Sie – wie ich in der Schulzeit – ermahnt, doch besser zuzuhören, wenn eine Lehrerin Sie dabei erwischte, wie Sie fleißig auf dem Rand des Collegeblocks kleine Blümchen, Vierecke oder Tierchen malten. Doch der Vorwurf ist haltlos: "Wer kritzelt, ist nicht zwangsläufig unaufmerksam, im Gegenteil. Wenn wir in einem Vortrag oder beim Telefonieren kritzeln, kann das sogar die Konzentration steigern", sagte Michael Minge, Professor für Innovationspsychologie an der Technischen Hochschule Ostwestfalen-Lippe in einer Mitteilung.

Kommunikation Ihnen wird gesagt, dass Sie nicht gut zuhören? Mit diesen Tipps lernen Sie es!
Kritzeln – eine Hilfe für die Konzentration
Bei einem Versuch im Jahr 2009 hat die Psychologin Jackie Andrade untersucht, wie sich die Kritzeleien auf die Gedächtnisleistung auswirken. Das Ergebnis: Kritzler:innen konnten sich in einem überraschenden Gedächtnistest an mehr Informationen erinnern als jene, die nur zugehört haben. Englische Studien belegen, dass die Gedächtnisleistung während des Kritzelns sogar um 30 Prozent gesteigert werden kann. Heißt: Man kann die Inhalte, die man aufgenommen hat, um 30 Prozent besser abrufen, wenn man während der Inhaltsaufnahme gekritzelt hat. "Durch Kritzeleien aktivieren wir uns selbst, um Inhalte zu verarbeiten und nicht mit den Gedanken abzuschweifen."
Ein Report über die Lernmethoden von Medizinstudierenden zeigt, wie hilfreich es sein kann, zu kritzeln, um sich große Mengen an Informationen zu merken. Nur 30 Minuten auf dem Block herummalen hilft den Studierenden dabei, sich besser an Informationen zu erinnern.
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Für viele Jugendliche hat das Tagebuchschreiben einen festen Platz im Alltag. Man notiert, was einen beschäftigt, wie es einem geht und wovon man träumt. Je älter wir werden, desto eher hören wir allerdings damit auf, unsere Gedanken zu Papier zu bringen. Dabei kann so ein Tagebuch echt hilfreich sein. Wer seine Gedanken aufschreibt, der schafft Platz im Kopf. Das hilft vor allem dann, wenn man im Gedankenkarussell gefangen ist oder sich nicht konzentrieren kann, weil ständig neue Tabs im Kopf aufploppen. Außerdem reflektieren wir unsere Gedanken und Erlebnisse noch einmal, wenn wir sie aufschreiben. Das kann uns helfen, den Blick zu weiten und neue Perspektiven einzunehmen. Das Tagebuch kann also helfen, zu neuen Erkenntnissen zu kommen, sich selbst besser kennenzulernen und Struktur ins Gedankenchaos zu bringen. Und wenn man sich daran mal nichtmehr erinnern kann, dann hat man es ja sogar schriftlich. © Cathryn Laver / Unsplash
Kleine Kunstwerke lassen in das Unterbewusstsein blicken
Sicherlich entstehen in den Notizbüchern der meisten Menschen keine großen Kunstwerke, denn wer nur so vor sich hinmalt, macht sich kaum Gedanken über Motiv und Komposition. Und doch scheinen die Kritzeleien vielleicht mehr Aussagekraft zu haben, als manch einer denken könnte. Auf dem Health Blog der Harvard Medical School wird von Dr. Robert Burns von der University of Seattle berichtet. Er nutze die Zeichnungen seiner Patient:innen, um mehr über deren emotionale Probleme zu erfahren. Seiner Ansicht nach, können die Kritzeleien Aufschluss darüber geben, was im Unterbewusstsein der Zeichner:innen vor sich geht.
Warum wir besonders häufig geometrische Formen und Blümchen kritzeln, weiß Michael Minge: "Wer geometrische Formen malt, setzt sich intensiv mit einem Problem oder einer Fragestellung auseinander und versucht, Struktur hineinzubringen. Die geometrischen Figuren können auch auf Entscheidungsprobleme hindeuten." Wer dagegen das Blockblatt mit Blumen verziert, befinde sich entweder schon in positiver Stimmung oder wolle sich durch die kleinen Kunstwerke in eine positive Stimmung versetzen.
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