In der Serie "The Summer I Turned Pretty" ist er wieder da: der Bad Boy. Warum er so fasziniert und für manche Frauen sogar die richtige Wahl ist, erklärt eine Paartherapeutin.

Die Dreier-Liebesgeschichte in der Amazon-Serie "The Summer I Turned Pretty" hat einen regelrechten Hype ausgelöst: Seit dem Start der finalen Staffel überschlagen sich die Diskussionen in den sozialen Medien vor allem bei der Frage: "Team Conrad oder Team Jeremiah?"

Wer sich für die Figur des Conrad entscheidet, entscheidet sich auch für den Bad Boy – diese Art von Mann, die nervt und gleichzeitig fasziniert. Warum Frauen so oft an diesem Männertyp hängen, was er mit unseren Hormonen macht – und warum er für manche sogar die richtige Wahl sein kann, erklärt die Paartherapeutin Joanna Brigmann im Interview.

Frau Brigmann, ich falle direkt mit der Tür ins Haus: Ist der Bad Boy eigentlich nur ein attraktives Arschloch? Ich meine, würden wir ihm sein Verhalten auch verzeihen, wenn er weniger gut aussehend wäre?
Ja, Conrad sieht halt einfach mega gut aus, und viele Frauen finden den auch einfach nur optisch scharf. Und deswegen sind sie Team Conrad. Die Serienindustrie inszeniert die Bad Guys besonders gut aussehend. Das ist im echten Leben nicht immer so. Es gibt auch Menschen, die sich genauso verhalten und nicht so aussehen wie ein Conrad Fischer.

Und das funktioniert trotzdem?
Funktioniert trotzdem.

Was macht für Sie den typischen Bad Boy aus?
Ich tue mich schwer mit dem Begriff Bad Boy. Ich weiß, dass er viel so genutzt wird, aber ich würde ihn anders bezeichnen. Unter Bad Boy verstehe ich, dass jemand nicht nahbar ist. Dass ich den nicht einschätzen kann, und dass er vielleicht auch egoistisch ist. Ein bisschen Zuckerbrot und Peitsche, eine Coolness, ein Gefühl von "Da komme ich nicht ran". So inszeniert sich auch Conrad in der Serie.

Hätten Sie spontan einen anderen Begriff dafür?
Menschen, die das machen, sind ja nicht unbedingt schlecht. Bei einem Bad Boy nimmt man einfach die gesamte Person und sagt: "Der ist halt einfach von oben bis unten ein schlechter Junge." Das ist nicht so, es ist immer nur ein Teil von uns.

Schauen wir einmal auf die erste Begegnung der beiden: Als Conrad auf Belly trifft, scheint es, wie ein magischer Moment. Sie lächeln sich aus der Entfernung verschmitzt an. Im Hintergrund läuft "Lover" von Taylor Swift. Direkt wird klar: Hier liegt etwas in der Luft. Conrad geht auf Belly zu, und dann folgen seine ersten Worte: "Mit Brille hast du mir besser gefallen." Wie nehmen Sie diese Situation wahr?
Da hat Conrad Belly auf Distanz gehalten und sich einfach über sie gestellt. Er hat ihr klargemacht: Er ist derjenige, der da über ihr Aussehen entscheidet – und dass das überhaupt wichtig ist. Was Conrad in der Serie macht, weist auf jeden Fall auf ein ängstlich-vermeidendes Bindungsmuster hin.

Ängstlich-vermeidendes Bindungsmuster?
Ja. Conrad ist ein Typ, der vieles mit sich selbst ausmacht und introvertiert ist. Er hat die Erfahrung gemacht, dass es besser ist, sich auf sich selbst zu verlassen, braucht aber eine Beziehung, weil er gar nicht in der Lage ist, seine großen Gefühle selber zu regulieren. Dafür braucht er jemanden. Also sucht er Kontakt zu Belly. Ist die Nähe hergestellt, hat er aber solche Angst vor Verletzung, dass er sie wieder abstößt – und dann beginnt alles wieder von vorne. 

Das nennt sich Push-und-Pull-Dynamik. Finden wir diese Dynamik im echten Leben auch so interessant?
Ja, sonst würde es diese Art von Beziehung nicht geben.

Aber warum?
Ich glaube, das ist unterschiedlich. Zum einen leben wir so etwas vielleicht gar nicht selbst. Wir haben zum Beispiel eine sichere Beziehung und finden das einfach wahnsinnig spannend, was da abgeht. Zum anderen gibt es auch viele Personen, die sich das angucken und denken: "Das kenne ich." Solche Art der Beziehung findet vor allem im jungen Erwachsenenalter statt – vor allem für Frauen. Das entwickelt sich zum Glück über die Zeit manchmal noch anders.

Also werden eher Frauen Opfer der Push-and-Pull-Dynamik?
Ich kenne dazu keine Zahlen, das ist nur ein Gefühl. Ich glaube, dass es wahrscheinlich mehr Frauen sind. So werden Frauen auch sozialisiert. In der Popkultur hoffen Frauen die ganze Zeit. Da sitzt so eine Prinzessin in einem Schloss und wartet auf den blöden Prinzen. Die hofft, dass sich irgendwas tut und der Mann sich entscheidet. Dadurch ist es alleine durch die patriarchalen Strukturen schon so, dass Frauen eher in der Rolle sind, hinterherzulaufen und Bindung herzustellen.

Was passiert in uns, wenn jemand diese Dynamik bei uns anwendet?
Wenn man in der Situation ist, dann ist das Dopaminsystem total aktiviert. Das ist ein komplexes neuronales Netzwerk im Gehirn. Das nutzt das Hormon Dopamin als Botenstoff und steuert damit Motivation, Belohnung, Lernprozess und motorische Reaktionen.

Die Spannung, dieses Nichtvorhersehbare, und dann auf einmal wieder die Zuwendung zu bekommen, das macht so einen Dopamin-Cocktail aus, dass wir davon mehr wollen. Das verwechselt man dann im ungünstigsten Fall mit einem Kribbeln im Bauch. Und darum ist es so schwierig, sich von diesen Dynamiken zu lösen.

Kamen zu Ihnen in die Paartherapie auch schon Paare, bei denen die Push-und-Pull-Dynamik ein Thema war?
Ja, auf jeden Fall. Wichtig ist: Die meisten Personen, die mit einer solchen Dynamik kommen, verstärken einander in ihrem Verhalten. Sie sagen meistens: "Wir haben ein Kommunikationsproblem." Wenn man sich das genauer anguckt, haben die beiden getrennt voneinander ein Problem. Die eine Person, die quasi nicht gelernt hat, ihre Grenzen zu setzen, und die andere, die Emotionen nicht wahrnimmt. Zusammen verstärken sie sich in dieser Dynamik.

© Lucja Romanowska

Zur Person

Joanna Brigmann ist Systemische Therapeutin und Systemische Paartherapeutin in Hamburg. In ihrer Praxis bietet die studierte Erziehungswissenschaftlerin und Sonderpädagogin Einzel-, Paar- und Familienberatung an. Zudem ist sie als Dozentin für pädagogische Themen tätig.

Viele Romanzen zeigen auch, dass die Frauen den Bad Boy retten wollen. Kann Liebe wirklich die tiefen Wunden des anderen heilen?
Nein, bitte nicht.

Heißt aber nicht, dass man es nicht theoretisch könnte?
Kann man nicht. Davon bin ich überzeugt. Das können die Leute nur selbst. 

In Bad-Guy-Romanzen gibt es oft einen zweiten Typ, den "Guten", wie Jeremiah bei Belly. Warum wirkt der Good Boy häufig uninteressanter?
Frauen wird ziemlich früh beigebracht, dass man um Liebe kämpfen muss und dass das anstrengend ist. Und dass man diesen Bad Boy umdrehen kann. Ich glaube, das ist ganz, ganz tief bei vielen Frauen verankert. Und wenn wir selbst unbeständige Bindungserfahrungen mit unseren Eltern gemacht haben, dann ist das auch sehr vertraut, was wir da sehen.

Bedeutet es vielleicht auch im Umkehrschluss, dass wir Sicherheit und emotionale Zugänglichkeit einfach nicht so sexy finden? 
Das kann gut sein. Warum ist das nicht mehr so aufregend? Weil die Bindung in den meisten Fällen sicherer ist. Sicherheit ist nicht aufregend.

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Und wenn Sie jetzt Werbung für den Good Boy machen sollten, was würden Sie da sagen? 
Das würde ich als Paartherapeutin nicht tun, denn es gehört überhaupt nicht zu meiner Rolle, jemanden anzupreisen. Und es würde dem Ganzen nicht gerecht werden. Für manche Frauen ist diese Achterbahnfahrt der Gefühle genau das, was sie haben wollen und brauchen. Und dann würde ich mich nicht hinstellen und sagen "Das ist falsch." Da gibt es ja zum Glück genug Auswahl. 

Aber könnten Sie Belly einen Rat geben?
Auch Belly kann ich als Paartherapeutin keinen Rat geben. Das wäre total unfachlich. 

Und als Freundin?
Würde ich ihr wahrscheinlich sagen: "Nimm die Beine in die Hand und lauf."

Also weder Team Conrad noch Team Jeremiah. Sie soll erst mal ihr eigenes Ding machen?
Genau. Mach Team Belly, würde ich sagen.

Die finale Folge der Serie "The Summer I Turned Pretty" ist ab dem 17. September 2025 auf Prime Video verfügbar.

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