Von der Grundlagenforschung zur Mukoviszidose-Therapie
Dem Journalismus galt seine große Liebe, doch mit Werbekampagnen wurde Albert Lasker zu einem wohlhabenden US-Unternehmer. Und zu einem großzügigen Philanthropen, der sein Haus der University of Chicago schenkte, sich mit seiner dritten Frau, Mary Reinhard, in der American Cancer Society engagierte – und für die Gründung der National Institutes of Health einsetzte, die sie ebenfalls unterstützen. Diese Zeit der fortschrittlichen Aufbruchstimmung liegt inzwischen mehrere Jahrzehnte zurück; Lasker, der 1880 als Sohn eines ostpreußischen Juden in Freiburg geboren wurde, starb 1952 in New York. Doch die „Albert and Mary Lasker Foundation“ setzt sein Erbe bis heute fort: Die Stiftung wurde 1942 ins Leben gerufen, um die biomedizinische Forschung zu fördern, inspiriert von Mary Laskers Aufruf zum Handeln: „Wenn Sie glauben, dass Forschung teuer ist, versuchen Sie es einmal mit Krankheit.“
Neben Bildungsinitiativen und anderen Maßnahmen fördert die Stiftung herausragende Forschung mit eigenen Lasker Awards, die seit 1945 alljährlich an Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler vergeben werden, „die bedeutende Fortschritte beim Verständnis, der Diagnose, Behandlung, Heilung und Prävention menschlicher Krankheiten erzielt haben“. Die renommierten Lasker-Preise werden mitunter als amerikanische Nobelpreise bezeichnet und als Indiz für eine bald anstehende Reise nach Stockholm: Von den mehr als 400 Lasker-Preisträger haben 101 tatsächlich einen Nobelpreis erhalten. In diesem Jahr fiel die Wahl in drei Kategorien auf insgesamt fünf Männer und eine Frau. Die US-Molekularbiologin Lucy Shapiro wird jetzt für ihr Lebenswerk mit dem „Lasker~Koshland Special Achievement Award in Medical Science“ geehrt. Sie habe sich als Forscherin, akademische Führungskraft, Mentorin und Unternehmerin hervorgetan, heißt es in der Begründung. Ihre Beiträge einerseits zum Verständnis der Zellbiologie, anderseits zur wissenschaftlichen Gemeinschaft seien von unschätzbarem Wert und würden noch Generationen prägen.
Shapiro wurde 1989 zu Gründungsdirektorin des Fachbereichs Entwicklungsbiologie an der Stanford University ernannt, den sie zu einer – leistungsstarken und erfolgreichen – Hochburg in diesem Gebiet ausbaute. Sie erforschte die Zellteilung und -differenzierung von Bakterien, und ihre visionäre Arbeit stellte die wissenschaftliche Lehrmeinung auf den Kopf. Indem sie die Bedeutung der räumlichen Organisation in Bakterienzellen hervorhob, die zuvor als wirre Ansammlungen von Enzymen angesehen wurden.
Auch warnte sie Politiker früh vor den Gefahren durch Antibiotikaresistenzen, neu auftretenden Infektionskrankheiten und Bioterrorismus. Obwohl emeritiert, setzt Shapiro ihre Arbeit als Direktorin des Beckman Center for Molecular & Genetic Medicine an der Stanford University in Kalifornien fort.
Logistik auf zellulärer Ebene
Den Albert Lasker Award für medizinische Grundlagenforschung teilen sich in diesem Jahr zwei Wissenschaftler: der deutsche Biochemiker Dirk Görlich mit seinem US-Kollegen Steven McNight. Sie haben neue Prinzipien sowohl des intrazellulären Transports als auch der zellulären Organisation enthüllt. McNight, Jahrgang forscht an der University of Texas Southwestern in Dallas, Görlich ist Direktor am Max-Planck-Institut für Multidisziplinäre Naturwissenschaften in Göttingen.
In ihrem Feld kommt es auf feinste molekulare Details an. So konnten Görlich und McKnight das Verständnis eines grundlegenden Aspekts der Biologie verändern, wie zu ihrer Auszeichnung erklärt wird: „Indem sie gezeigt haben, dass ein bedeutender Teil des Proteoms es den Zellen ermöglicht, flexible, reversible Strukturen zu bilden, die Funktionen über die traditionellen membrangebundenen Organellen hinaus organisieren und regulieren.“ Das klingt abstrakt, ist jedoch für die Medizin von enormer Bedeutung. Görlich konnte unter anderem aufklären, wie in Zellen der Transport von Proteinen organisiert ist, insbesondere durch die Kernporen rings ums Erbgut. Wichtige Erkenntnisse, die wiederum McNight nutzte, der sich ursprünglich auf die Genregulation konzentrierte, er konnte mit seinen Ergebnissen etwa die Alzheimer-Forschung voranbringen. Während sich Görlichs Team heute zum Beispiel mit der Abwehr von viralen Infektionen beschäftigt.
Welche weitreichenden Folgen die Grundlagenforschung haben kann, das zeigt sich in der dritten Kategorie. Der Lasker~DeBakey Clinical Medical Research Award 2025 ehrt drei Wissenschaftler: den Pulmologen Michael Welsh, den Chemiker Jesús (Tito) González und den Physiologen Paul A. Negulescu für ihre Schlüsselrolle bei der Entwicklung einer neuartigen, lebensrettenden Behandlung für Mukoviszidose.
Welsh entdeckte 1989 das entscheidende Gen für die fatale Erbkrankheit: Es codiert den Bauplan für den Mukoviszidose-Transmembran-Leitfähigkeitsregulator (CFTR). Mit seiner weiterführenden Arbeit legte er die Basis dafür, dass heute eine die Dreifach-Kombinationstherapie existiert. In der Vergangenheit überlebten die meisten der von Mukoviszidose Betroffenen nicht einmal die frühe Kindheit.
Selbst im Jahr 2010 starb noch die Hälfte der Patienten vor dem Erreichen ihres 40. Lebensjahres. „Die Arbeit von González, Negulescu und Welsh hat die Lebensqualität von Hunderttausenden von Menschen verbessert und ihre Lebenserwartung um Jahrzehnte verlängert“, teilt die Lasker-Stiftung jetzt mit.
Mukoviszidose ist eine angeborene Stoffwechselerkrankung, bei der zäher Schleim in den Zellen entsteht, und lebenswichtige Organe nach und nach verstopft. Der Begriff Mukoviszidose setzt sich aus den lateinischen Wörtern „mucus“ (Schleim) und „viscidus“ (zäh) zusammen. So informiert der Bundesverband Cystische Fibrose auf seiner Internetseite über das Leiden.
In den 1990er-Jahren konnte Welsh aber mit Kollegen zeigen, dass das Protein CFTR mit dem am häufigsten vorkommenden ∆F508-Defekt bei niedrigen Temperaturen eine gewisse Funktionalität erreichen konnte. Diese Erkenntnis legte nahe, dass Interventionen zur „Optimierung“ von Proteinen –mithilfe von kleinen Molekülen – die Effekte der kühlen Bedingungen nachahmen könnten. So, dass sich daraus eine Behandlung ableiten ließe.
González, der erst für die Firma Aurora und später bei Vertex Pharmaceuticals arbeitete, erfand eine Methode, mit der Millionen von Molekülen auf ihre entsprechende Wirkung getestet werden konnten. Negulescu leitete das Arzneimittelforschungsprojekt, in dessen Rahmen schließlich Tausende von Molekülkandidaten systematisch untersucht wurden, um „Korrektoren“ und „Potenzierer“ zu identifizieren, die eine solche Proteinfunktion wiederherstellen könnten.
Ihre jahrzehntelange Zusammenarbeit gipfelte in Trikafta, einer 2019 in den USA zugelassenen Dreifach-Kombinationstherapie, die Mukoviszidose für mehr als 90 Prozent der Betroffenen von einer tödlichen Krankheit in eine behandelbare Erkrankung verwandelte. Das Medikament wurde unter dem Namen Kaftrio in Deutschland für Patienten ab zwei Jahren zugelassen, was sich seit April 2025 nicht mehr nur auf Menschen mit ∆F508-Defekt beschränkt.
Im Gespräch mit WELT sagte Negulescu: „Unsere Arbeit basierte auf der Entdeckung des Gens, also Grundlagenforschung, und auf der Arbeit von Mike Welsh und anderen, die zeigten, was mit diesem Protein nicht stimmte. Grundlagenforschung ist für die Entdeckung von Therapien sehr wichtig. Wir hoffen, dass die Wissenschaft wichtig genug ist, dass die Gesellschaft sowohl die Grundlagenforschung als auch die translationale Forschung unterstützt – und das Interesse und die Nachfrage nach dieser Art von Medikamenten weiterhin bestehen bleibt.“
Die aktuelle Auszeichnung mit dem Lasker Award sei aus diesem Grund sehr wichtig, denn sie ermögliche es ihnen, diese Geschichte zu erzählen. Die Geschichte über die Bedeutung der Grundlagenforschung und der translationalen Forschung und der Zusammenarbeit, die von der gesamten Gesellschaft benötigt werde, um diese Medikamente zu den Patienten zu bringen.
„Ich hoffe, dass ich diese Geschichte erzählen und mich für unser Team einsetzen kann, aber auch für die Bedeutung der Grundlagenforschung und der translationalen Forschung. Um Unterstützung für diese Art von Arbeit zu gewinnen“, erklärte Negulescu. Das wäre auch ganz im Sinne von Albert und Mary Lasker.
Seit mehr als 25 Jahren verfolgt Sonja Kastilan als Wissenschaftsjournalistin ein breites Themenspektrum aus Medizin und Lebenswissenschaften: von Aids und Demenz über Evolutionsbiologie und Genanalysen hin zu Stammzellen und Zika.
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