Drastische Zunahme von Superzellen-Gewittern in den Alpen erwartet
Mit der Erderwärmung wird einer Studie zufolge die Zahl der besonders schweren Gewitter drastisch zunehmen. Sogenannte Superzellen-Gewitter werden in Mitteleuropa bei einer Erderwärmung um drei Grad um 36 Prozent häufiger und zudem intensiver als derzeit werden, wie ein Team aus der Schweiz im Fachjournal „Science Advances“ berichtet.
Mit knapp drei Grad Erwärmung im Vergleich zum vorindustriellen Mittel rechnen Klimatologen derzeit, wenn alle Länder ihre aktuelle Politik fortführen. Rund 1,5 Grad waren laut Weltwetterorganisation (WMO) 2024 bereits erreicht.
Superzellen-Gewitter zählen nach Angaben des Teams zu den gefährlichsten Wetterphänomenen Europas, da sie schwere Windböen, große Hagelkörner, Starkregen und Tornados verursachen. Sie können an ihrer Basis laut Deutschem Wetterdienst einen Durchmesser von 20 bis 50 Kilometer erreichen und wüten meist einige Stunden. Sie können bei einer starken Windscherung entstehen – also wenn sich Windgeschwindigkeit und Windrichtung mit zunehmender Höhe stark ändern.
Diese besonders intensiven Gewitterzellen treten nach Angaben der Universität Bern meistens im Sommer auf. Sie zeichnen sich durch rotierende aufsteigende, warme, feuchte Luft aus und bringen heftige Windböen, großen Hagel und starke Regenfälle mit sich. „Superzellen-Gewitter führen regelmäßig zu erheblichen Sachschäden, Ernteverlusten, Verkehrsproblemen und zu Verletzungen oder sogar Todesfällen“, schreibt die Universität.
Die Region Mitteleuropa umfasst in der Studie unter anderem Deutschland außer dem nördlichen Alpenraum sowie die Niederlande, Belgien und Teile von Frankreich, Polen, Tschechien und Österreich. Europaweit gebe es bei drei Grad Erwärmung eine durchschnittliche Zunahme der Superzellenhäufigkeit um elf Prozent.
Die Alpenhänge werden besonders betroffen
Besonders stark werde die Zahl der Superzellen-Gewitter – kurz Superzellen – im Alpenraum zunehmen. Es sei mit einer Steigerung um 52 Prozent in den Nordalpen und 36 Prozent in den Südalpen im Vergleich zu heute zu rechnen, berichtet das Team um Monika Feldmann von der Universität Bern und Michael Blanc von der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) Zürich. Derzeit gebe es dort rund 38 Superzellen-Gewitter pro Saison am Alpennord- und 61 am Alpensüdhang. Das sei das dichteste Auftreten im Untersuchungsgebiet, berichtete Feldmann.
Insgesamt gebe es in Europa rund 700 Superzellen pro Saison – besonders viele in der Mittelmeerregion und der Iberischen Halbinsel mit zusammen rund 300. Hier nehme die Häufigkeit jedoch im Zuge der Erderwärmung ab. „Im Südwesten Europas zeigt die Simulation ausgeprägte Trockenheit, wodurch sich die Instabilität verringert und sich günstige Gewitterbedingungen seltener bilden“, sagte Feldmann. „Diese regionalen Unterschiede machen deutlich, wie unterschiedlich sich der Klimawandel in Europa auswirken kann.“
Superzellen-Gewitter werden in Europa via Wetterradar überwacht. Doch die einzelnen Radarnetzwerke der europäischen Länder sind unterschiedlich ausgebaut und arbeiten oft nicht zusammen. „Das macht eine länderübergreifende, flächendeckende Erfassung und Analyse schwierig“, sagt Feldmann.
Die Forscher nutzten deshalb ein neuartiges Klimamodell, das Entstehung und Verlauf eines Superzellen-Gewitters mit einer Genauigkeit von 2,2 Kilometern simuliert. Damit hatte das Team eine Simulation von Superzellen-Gewittern erstellt und sie mit den Daten der tatsächlich aufgetretenen Stürme von 2016 bis 2021 abgeglichen. Damit konnte das Team künftige Superzellen berechnen.
„Die Simulation stimmt gut mit der Realität überein, zeigt jedoch etwas weniger Gewitter an als tatsächlich registriert“, sagt Feldmann. Dies sei aber zu erwarten, erklärt sie: Das Modell könne nur ausreichend große und lang anhaltende Superzellen-Gewitter darstellen. „Manche Stürme sind aber kleiner und dauern weniger lang.“
Verschiedene Entwicklungen in Europa
Demnach steigt nach Forscherangaben nicht nur die Zahl, sondern auch die Intensität wie Niederschlagsrate, Hagelgröße und Windböen signifikant an. Bei der Häufigkeit werde es in Europa eine Art Dipol-Muster geben: Während Mittel- und Osteuropa eine deutliche Zunahme verzeichnen, nehmen die Häufigkeiten über der Iberischen Halbinsel und Südwestfrankreich ab.
Das Projekt trägt nach Forscherangaben auch dazu bei, Superzellen-Gewitter genauer vorhersagen zu können. Obwohl sie nur einen Bruchteil aller Gewitter ausmachen, geht von ihnen nach Angaben der Universität Bern ein Großteil der Gewittergefahren und finanzieller Schäden durch Gewitter aus.
Die Zunahme von Superzellen-Gewittern stellen die Gesellschaft laut Feldmann vor wachsende Herausforderungen, weil die potenziellen Schäden an Infrastruktur, Landwirtschaft und privatem Eigentum steigen. Zudem sei auch die Bevölkerung stärker gefährdet. „Je besser wir verstehen, unter welchen Umständen diese Stürme entstehen, desto besser können wir uns dagegen wappnen.“
Drei typische Fehler bei Gewittern
Gerät man trotz besseren Wissens in ein Gewitter, gilt es sich vor Blitzeinschlägen zu schützen. Dabei gibt es drei typische Verhaltensweise und sogar falsche Ratschläge, die das eigene Leben gefährden.
1. Sich unter einen Regenschirm kauern
Den Schutz vor dem Nasswerden bezahlt man mit schweren Verletzungen, sollte der Blitz einen treffen. „Der Blitz geht dann durch den Regenschirm in Ihre Hand und durch Sie durch – mit entsprechenden Schäden“, sagt Bernd Böttiger, Bundesarzt des Deutschen Roten Kreuzes (DRK). Schirme, aber auch Wanderstöcke wirft man am besten von sich weg, wenn man vom Gewitter überrascht wird. Und auch das Fahrrad sollte nicht direkt neben einem liegen, Metall leitet Strom nämlich besonders gut.
2. Andere Menschen berühren
Ein Gewitter draußen führt bei so Manchem zu purer Panik – und womöglich zu dem Wunsch, in fester Umarmung mit dem Partner oder der Freundin das Gewitter abzuwarten. So verständlich das auf psychologischer Ebene auch ist, bei Blitzschlag kann es zum Problem werden, wenn man andere Menschen berührt. Böttiger rät daher: „Zu anderen Personen sollte man einen Abstand von mindestens einem Meter halten, damit zwischen beiden kein Strom fließen kann.“ Auch vom Anlehnen an ein Gebäude oder einen Baum rät der Experte ab.
3. Schutz unter Bäumen suchen
„Buchen sollst du suchen, Eichen sollst du weichen“: Diese Weisheit bezeichnet Bernd Böttiger als „völligen Quatsch“. Schutz unter Bäumen zu suchen, ist nie ratsam. Der Blitz sucht sich den einfachsten, oft den kürzesten Weg, weshalb er gern in hohe Bäume – aber auch in Masten oder Antennen – einschlägt. Sie sollte man daher meiden.
Wer bei Gewitter in der freien Natur unterwegs ist, sollte bloß nicht der höchste Punkt sein. Der Rat lautet daher: sich hinhocken, am besten in eine Bodenmulde. Die Füße sollten dabei eng zusammenstehen, bevorzugt berühren nur die Fußballen den Boden. „Der Strom fließt dann nicht durch den ganzen Körper, sondern bestenfalls nur von einem Fußballen zum anderen“, sagt Böttiger. Der DRK-Bundesarzt rät zudem, sich darauf einzustellen, dass Objekte – von Baum bis Dachstuhl – durch Blitzeinschlag zu brennen beginnen oder auf einen herabstürzen können.
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