Darmbakterien spielen nicht nur eine wichtige Rolle bei der Verdauung, sondern wirken sich in vielerlei Hinsicht auf den Körper aus. In einem Fall ist besonders beeindruckend, wie ein Team unter Leitung von Forschern der Universität Kopenhagen im Fachjournal „Nature Microbiology“ zeigt: Ein bestimmtes Bakterium hilft Menschen offenbar, schlank zu bleiben. Und zwar auf eine Weise, die zum Vorbild für Abnehmmedikamente werden könnte – mit natürlichen Wirkstoffen, von denen manche bereits mehr als andere im Körper haben.j

Im menschlichen Darm leben Billionen von Bakterien, die nicht nur bei der Verdauung helfen. Sie produzieren unter anderem Stoffe, die in den Blutkreislauf gelangen. Auf diese Weise hat das sogenannte Mikrobiom Einfluss auf das Immunsystem und sämtliche Organe des Körpers, auch auf das Gehirn.

So gilt die Gattung Ruminococcus im menschlichen Darm als vorherrschend. Doch höhere Konzentrationen einiger Arten, wie etwa R. gnavus, R. torques und R. bromii, wurden bereits in mehreren Studien mit Gesundheit beziehungsweise Krankheit in Verbindung gebracht.

Bakterien als Schlankmacher

Im Fokus des Teams standen jetzt ausgewählte Stämme des Bakteriums Ruminococcus torques aufgrund einer Beobachtung: Je mehr Körperfett Menschen haben, desto geringer die Anzahl dieser Mikroben in ihrem Verdauungstrakt; die Menge ist umgekehrt proportional zum Body-Mass-Index.

„Wir haben festgestellt, dass die Menge zwischen Individuen um bis zum 100.000-Fachen variieren kann – und Menschen mit einem hohen Anteil dieser Bakterien tendenziell schlanker sind“, sagt Erstautor Yong Fan vom Novo Nordisk Foundation Center for Basic Metabolic Research der Universität Kopenhagen.

Diese Beobachtung geht wohl darauf zurück, dass diese Bakterienstämme zwei wirkungsvolle Substanzen bilden: Rordep1 und Rordep2. Diese beiden kleinen Proteinmoleküle ähneln dem menschlichen Hormon Irisin, das während körperlicher Aktivität von Muskeln freigesetzt wird und eine Rolle im Fettstoffwechsel spielt.

„In Versuchen an Ratten und Mäusen, die entweder Rordep-produzierende Darmbakterien oder schlicht die Rordep-Proteine erhielten, beobachteten wir eine geringere Gewichtszunahme, niedrigere Blutzuckerwerte und eine erhöhte Knochendichte“, erklärt Fan.

Die Gabe dieser Bakterienstämme verbesserte nachweislich die Fähigkeit der Nagetiere, Zucker zu verarbeiten (Glukosetoleranz), erhöhte ihre Knochendichte und verringerte die Fettmasse, berichten die Forscher nun in „Nature Microbiology“. Getestet wurden unter anderem schlanke Mäuse, die eine fettreiche Kost bekamen, und solche, die durch kalorienreiche Kost adipös geworden waren.

Für weitere Versuche nutzten die Forscher das eigens dafür hergestellte Rordep1 direkt. Bekamen Ratten das Protein beispielsweise in die Bauchfellhöhle gespritzt, so erhöhte dies die Konzentrationen des Glukagon-ähnlichen Peptids 1 (GLP-1) sowie des Peptids YY. Beide sind für ihre Appetit-hemmende Wirkung bekannt, und die Effekte der derzeit erhältlichen „Abnehmspritzen“ beruhen auf dem GLP-1-Wirkprinzip.

Zudem erhöhte sich die Konzentration des Hormons Insulin, das die Aufnahme von Glukose in Körperzellen reguliert und den Blutzucker senkt. Rordep1 reduzierte außerdem die Konzentration des Hormons GIP (Englisch: glucose-dependent insulinotropic polypeptide), das im Körper unter anderem die Freisetzung von Insulin fördert, wenn der Blutzuckerspiegel nach einer Mahlzeit erhöht ist.

In der klinischen Erprobung

Erkenntnisse zur Rolle von Darmbakterien für die menschliche Gesundheit haben nach Angaben der Universität Kopenhagen bereits 2023 zur Gründung des Biotech-Unternehmens GutCRINE geführt. „Die ersten klinischen Studien laufen bereits“, teilte die dänische Universität mit. In einer Studie werde an Probanden die Wirkung lebender Bakterien getestet, die Rordep1 produzieren, in einer anderen die Wirkung der reinen Substanz.

„Wir übertragen unsere Grundlagenforschung nun auf Studien mit Menschen, um herauszufinden, ob Rordep-produzierende Bakterien oder eben Rordep-Proteine – in natürlicher oder chemisch modifizierter Form – die Grundlage für eine neue Klasse biologischer Medikamente namens Pharmabiotika bilden können“, sagt Seniorautor Oluf Pedersen, Professor für Human Molecular Metabolism an der Universität Kopenhagen. Allerdings werde der Einsatz noch lange dauern. „Mit einem Zeithorizont von 10 bis 15 Jahren wollen wir das Potenzial Rordep-produzierender Bakterien sowohl zur Vorbeugung als auch zur Behandlung prüfen.“

Dabei möchte das Team laut Pedersen untersuchen, ob die Mikroben zur Vorbeugung häufiger chronischer Erkrankungen eingesetzt werden können. Denn bekannt ist auch, dass Ruminococcus torques den schützenden Schleim im Darm abbaut und entzündliche Erkrankungen hervorrufen kann. „Außerdem wollen wir herausfinden“, sagt der Endokrinologe und Internist Pedersen, „ob modifizierte Rordep-Proteine als zukünftige Medikamente gegen Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Fettleibigkeit, Diabetes und Osteoporose entwickelt werden können.“

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