Ring of Fire – „Wie eine Reihe von gespannten Federn, von denen eine losspringt“
Um 1.30 Uhr in der Nacht deutscher Zeit gerieten vor der Halbinsel Kamtschatka im Osten Russlands Erdplatten in Bewegung. Das Erdbeben mit einer Stärke von 8,8 auf der Richterskala ereignete sich nach Angaben der US-Erdbebenwarte USGS zufolge in einer Tiefe von 19,3 Kilometern unter dem Pazifik. Das Epizentrum liege 119 Kilometer ost-südöstlich von Petropawlowsk-Kamtschatski, einer Stadt mit 165.000 Einwohnern, hieß es weiter.
Nach dem schweren Erdbeben erreichten mehr als drei Meter hohe Tsunami-Wellen in der Nähe der Stadt Sewero-Kurilsk Russlands Pazifikküste. Die stärkste Welle sei sogar fünf Meter hoch gewesen, berichtete die staatliche russische Nachrichtenagentur RIA Nowosti am Mittwochmorgen unter Berufung auf Rettungsdienste.
Russische Wissenschaftler erklärten, es sei das stärkste Beben in der Region seit 1952. Laut Experten des Helmholtz-Zentrums für Geoforschung (GFZ) handelt es sich um eines der stärksten Beben der vergangenen 15 Jahre. Auch in der GFZ-Messstation in Rüdersdorf bei Berlin wurde die Erschütterungen nach Angaben des Instituts zufolge registriert.
Das Erdbeben ereignete sich am Ring of Fire, einer seismologischen äußerst aktiven Region. WELT klärt die wichtigsten Fragen zum Beben vor Kamtschatka.
Was ist der Ring of Fire?
Der Ring of Fire ist ein gigantischer Ring von Vulkanen, die um den Pazifik liegen. Dieser verläuft von den polynesischen Inseln vor Australien, hoch über Japan, die russische Halbsinsel Kamtschatka, Alaska und schließlich die gesamte Amerikanische Küste hinunter.
„Der Ring of Fire entsteht, weil die pazifische Platte an ihren Rändern sowohl unter die Eurasische, als auch die Nordamerikanische Platte taucht“, erklärt David Tanner, Geologe vom LIAG-Institut für Angewandte Geophysik, im Gespräch mit WELT. Die ozeanische Platte schmilzt auf, wenn sie unter den beiden Kontinentalplatten verschwindet. Erdbeben erschüttern die Region und an den Kontaktzonen brechen Vulkane auf. Ring of Fire ist eine umgangssprachliche Bezeichnung und eine Anspielung auf den gleichnamigen Song von Johnny Cash.
Warum ist die Region so gefährlich?
Mehr als die Hälfte der weltweiten Erdbeben findet in dieser Region statt. Dabei sind andere Orte wie die chilenische Grenze oder das Mittelmeer genauso aktiv. Der Ring of Fire zeichnet sich jedoch durch seine schiere Länge aus.
Besonders gefährlich ist es dort, weil sich entlang der Vulkane eine Kettenreaktion entladen kann. „Ein Ort im Ring of Fire kann sich nicht sicher fühlen, und sagen, das Erdbeben war in Japan, das tangiert uns nicht“, sagt Tanner und veranschaulicht. „Wie eine Reihe von gespannten Federn, von denen eine losspringt.“ Dadurch könnten weitere Erdbeben um das Erdbebenzentrum herum ausgelöst werden. „Das ist sehr häufig der Fall bei Erdbeben, dass es Nachbeben gibt“, erklärt Tanner.
Wo genau die Nachbeben folgen, sei schwierig vorherzusagen. Erwartbar sei, dass sie etwa in der gleichen Region wie das Hauptbeben stattfinden werden. Damit einher würden auch weitere Tsunamis gehen.
Nach ersten russischen Angaben wurden Gebäude beschädigt und mehrere Menschen verletzt. Auch für Japan, die zu den USA gehörende Insel Hawaii, die Westküste der USA und weitere Staaten in der Pazifikregion waren Tsunami-Warnungen herausgegeben worden.
Warum sind die Wellen gar nicht so hoch?
Wie hoch eine Tsunami-Welle letztlich ist, hängt von vielen Faktoren ab – etwa von der Stärke des auslösenden Erdbebens. „Es kommt aber auch auf den Winkel an, mit dem die Welle auf die Küste trifft“, sagt Tanner. Denn sowohl die Schockwelle der Erdbeben, als auch die folgenden Tsunami-Wellen breiten sich mit einer Richtung aus. Je schräger der Winkel der Wasserwelle zur Küste, desto schwächer ihre Wucht.
„Der andere Faktor ist die Wassertiefe“, sagt Tanner. „Die Buchten um Inseln wie Japan oder Kamtschatka in Russland können wie Wellen amplifizieren.“ Denn erst in den flachen Gewässern können sich Tsunami-Wellen zu ihrer vollen Größe auftürmen. „Tsunamis sind keine gewöhnlichen Wellen“, erklärt Tanner. Sie bleiben unter der Wasserlinie, bis sie sich auf flachem Boden aufstauen. „Dann treffen sie mit voller Wucht auf.“
In Japan evakuierten Arbeiter vorsorglich das havarierte Atomkraftwerk Fukushima, teilte der Betreiber Tepco mit. Dort war es 2011 nach einem verheerenden Tsunami infolge eines Erdbebens der Stärke 9,1 zu einer Kernschmelze im AKW und einer radioaktiven Katastrophe gekommen.
Nach dem jüngsten Erdbeben ist an Japans Pazifikküste inzwischen eine mehr als einen Meter hohe Flutwelle eingetroffen. In einem Hafen der nordöstlichen Präfektur Iwate sei eine 1,30 Meter hohe Welle registriert worden, berichteten lokale Medien. An der Küste anderer Präfekturen wurden Flutwellen von bis zu 80 Zentimetern beobachtet. Die Behörden haben Warnungen vor einem bis zu drei Meter hohen Tsunami ausgegeben.
Sollten die Flutwellen im Laufe des Tages verhältnismäßig niedrig ausfallen, bedeute dies aber nicht automatisch Entwarnung, sagte Charlotte Krawczyk, Direktorin der Abteilung Geophysik am GFZ Potsdam. Es gebe viele und teils starke Nachbeben, manche erreichten eine Stärke von 6.
„Es ist nicht so, dass da schon Ruhe eingekehrt ist.“ Es habe vor etwa zehn Tagen bereits einen Erdbebenschwarm vor Kamtschatka gegeben, dann sei vorerst Ruhe eingekehrt, bis zu dem schweren Beben jetzt. „Das muss man beobachten“, sagte Krawczyk.
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