Roboter operiert allein eine Gallenblase
In den USA hat ein mithilfe von Künstlicher Intelligenz trainierter Roboter ohne menschliche Hilfe größere Teile einer Operation durchgeführt. Konkret ging es bei dem Experiment um die Entfernung der Gallenblase bei Schweinen, wie ein Team der Johns Hopkins University im Fachblatt „Science Robotics“ berichtet.
Die Forscher sehen in ihrem Experiment einen Durchbruch: „Diese Arbeit stellt gegenüber bisherigen Bemühungen einen großen Sprung dar, weil sie einige der grundlegenden Hindernisse für den Einsatz autonomer chirurgischer Roboter in der echten Welt beseitigt“, sagt der mittlerweile an der Stanford University beschäftigte Erstautor Ji Woong Kim. „Unsere Arbeit zeigt, dass KI-Modelle zuverlässig genug für die autonome Chirurgie sein können – etwas, das früher in weiter Ferne lag, jetzt aber nachweislich realisierbar ist.“
Der Roboter SRT-H (Surgical Robot Transformer-Hierarchy) führte nach Angaben des Forschungsteams zum ersten Mal ohne direkte menschliche Hilfe einen aus 17 verschiedenen Arbeitsschritten bestehenden Teil einer Gallenblasen-Entfernung an mehreren Schweinekörpern durch und reagierte dabei auch auf unvorhergesehene Entwicklungen. Die Operationen fanden „ex vivo“ statt, also nicht am lebendigen Schwein, aber mit echtem, tierischem Material. Das mit medizinischen Instrumenten ausgestattete System musste etwa bestimmte Kanäle und Arterien identifizieren, sie greifen, Clips platzieren oder Teile mit Scheren-ähnlichen Werkzeugen abtrennen.
Das medizinische Team griff nicht direkt in den Prozess ein, konnte den Roboter aber mit Sprachbefehlen steuern. So nahm der Roboter eine ähnliche Rolle ein wie ein Berufsanfänger bei seinen ersten Operationen.
Der Roboter erlernte seine ungewöhnlichen Fähigkeiten, indem ihm Videos von Chirurgen vorgespielt wurden, die Kadaver von Schweinen operierten. Diese waren zudem mit Untertiteln versehen, in denen die einzelnen Arbeitsschritte beschrieben wurden.
Präzise wie ein Chirurg, nur langsamer
Das Ergebnis: Der Roboter habe die Operation mit 100-prozentiger Präzision durchgeführt, heißt es in der Studie – ähnlich wie ein erfahrener Chirurg. Das System navigierte demnach sogar reibungsloser und auf kürzerem Wege als menschliche Chirurgen, brauchte aber länger für die einzelnen Schritte.
„Dieser Fortschritt bringt uns von Robotern, die bestimmte chirurgische Aufgaben ausführen können, zu Robotern, die chirurgische Verfahren wirklich verstehen“, erklärt der an der Studie beteiligte Medizinrobotik-Spezialist Axel Krieger. „Das ist ein entscheidender Unterschied, der uns klinisch verwendbaren autonomen chirurgischen Systemen deutlich näher bringt, die in der unvorhersehbaren Realität der tatsächlichen Behandlung von Patienten arbeiten können.“
Krieger und seine Kollegen experimentieren schon länger mit medizinischen Robotern: So übernahm ein Vorgänger namens Star etwa 2022 bestimmte Arbeitsschritte einer Bauchspiegelung bei einem Schwein. Dieser Roboter habe jedoch genaue Markierungen am Gewebe benötigt und sei einem starren, vorgegebenen Operationsplan gefolgt.
Krieger vergleicht die Unterschiede mit dem Straßenverkehr: Während Star gewissermaßen einer sorgfältig kartierten Route gefolgt sei, habe man SRT-H darauf trainiert, „in jeder Straße zu navigieren, sich unter allen Bedingungen zurechtzufinden und intelligent auf alles zu reagieren, was ihm begegnet“.
So habe das System auf unterschiedliche anatomische Merkmale der Schweine passend reagiert. Durch das sprachliche Feedback des Teams lerne der Roboter zudem hinzu. Das Team will das System künftig bei anderen Operationen testen und darauf hinarbeiten, dass der Roboter eine vollständige Operation durchführen kann.
Tobias Renkawitz, der als Ärztlicher Direktor der Klinik für Orthopädie der Universität Regensburg bereits seit über 15 Jahren mit Computerassistenz arbeitet, spricht von „äußerst beachtenswerten Ergebnissen, die uns einen Blick in die Zukunft ermöglichen“. Der Grad der Selbstständigkeit des Roboters sei hier deutlich vorangetrieben, bislang sitze in der Bauchchirurgie üblicherweise ein Arzt selbst an einer Konsole und steuere die Robotersysteme. Es sei faszinierend, da bei einer Operation wie der Gallenblasenentfernung anatomische Strukturen identifiziert werden müssten und man „nicht das Falsche durchtrennen darf“.
Renkawitz wirft jedoch auch eine aus seiner Sicht wichtige Frage auf: „Will man das?“ Es gebe nachvollziehbare Ängste, sich von autonomen Robotern operieren zu lassen. In der Orthopädie würden bislang nur assistierende und keine autonomen Systeme eingesetzt. Entscheidend sei, ob Patienten von derartigen Entwicklungen einen echten Nutzen haben – etwa weil ein Roboter Operationsschritte präziser durchführen kann als mit menschlichem Auge möglich. Auch Haftungsfragen seien wichtig.
Der Robotik-Experte Michael Yip von der University of California in San Diego schreibt in einem Beitrag in „Science Robotics“, medizinische Roboter könnten langfristig in Zeiten langer Wartelisten und des Fachkräftemangels eine Entlastung darstellen. Er plädiert für möglichst universelle Systeme, die einfachere Aufgaben übernehmen können, für die heute Assistenzärzte oder Pflegepersonal zuständig seien. Für weniger effizient mit Blick auf Kosten und Training hält Yip es, für sehr spezielle Verfahren jeweils eigene Robotersysteme zu entwickeln.
Haftungsausschluss: Das Urheberrecht dieses Artikels liegt bei seinem ursprünglichen Autor. Der Zweck dieses Artikels besteht in der erneuten Veröffentlichung zu ausschließlich Informationszwecken und stellt keine Anlageberatung dar. Sollten dennoch Verstöße vorliegen, nehmen Sie bitte umgehend Kontakt mit uns auf. Korrektur Oder wir werden Maßnahmen zur Löschung ergreifen. Danke